> > > Kalliwoda, Johann Wenzel: Violin-Concertinos und Ouvertüren
Freitag, 31. März 2023

Kalliwoda, Johann Wenzel - Violin-Concertinos und Ouvertüren

Korrekt und bieder


Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Die Kölner Akademie unter Leitung von Michael Alexander Willens und die Geigerin Ariadne Daskalakis präsentieren eine Auswahl von Ouvertüren und Concertini Johann Wenzel Kalliwodas, können damit aber nicht überzeugen.

Konzertouvertüren und Violinconcerti von Johann Wenzel Kalliwoda (1801-1866) miteinander zu kombinieren, das klingt zunächst einmal vielversprechend – handelt es sich dabei doch gewissermaßen um die Gegenüberstellung zweier kompositorischer Verkürzungen: nämlich einerseits um eine Reduktion der großen sinfonischen Form auf einen einzigen, raschen Sinfoniesatz, andererseits um die Bewältigung der konzertanten Form innerhalb eines verknappten Formverlaufs, der in den vorliegenden Beispielen durch Verschmelzung dreier Sätze zu einer übergreifende Einsätzigkeit gekennzeichnet ist. Darüber hinaus ist dem Dirigenten Michael Alexander Willens und dem Kölner Akademie jedoch auch daran gelegen, den Romantiker Kalliwoda wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu holen, was die Interpreten vor einigen Jahren bereits mit den Sinfonien Nr. 2 und 4 (cpo, 2010) getan haben.

Immerhin beginnt die CD recht schmissig mit der Ouvertüre Nr. 3 C-Dur op. 55 (1834): In vorwärts treibendem Duktus setzt das Kopfthema ein, die Oboe leitet trugschlüssig als retardierendes Moment zum Seitenthema über, das dann auch als Grundlage für die Durchführung dient, bevor die Reprise mit ihrer Schlusssteigerung einsetzt. Während sich hier das Geschehen kurz und knapp, innerhalb von gerade einmal viereinhalb Minuten abspielt, sind die beiden übrigen Ouvertüren formal großzügiger disponiert. Vielleicht am überzeugendsten wirkt heute die bei der Uraufführung stark kritisierte Ouvertüre Nr. 10 f-Moll op. 142 (1842) aufgrund ihrer Gegenüberstellung heterogener musikalischer Gedanken auf engstem Raum. Die Wiedergabe setzt hier ganz auf die Nachzeichnung dieser zerrissenen Gedankenwelt und der daraus hervorwachsenden dramatischen Zuspitzungen. Bei der Ouvertüre Nr. 7 c-Moll op. 101 (1838) lassen sich hingegen gewisse Probleme nicht überhören: Zwar sind die zurückhaltenden Stellen sehr schön und kammermusikalisch gearbeitet, doch lässt auch die musikalische Spannung rasch nach, wenn sich die Musik von den thematisch dominierten Passagen wegbewegt. Zum Teil liegt dies an der Machart des Werkes, zum Teil jedoch auch an der Wiedergabe, die generell viel plastischer sein und die Kontraste der Musik stärker herausarbeiten könnte. Schaut man in die Partituren, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier vor allem auf Korrektheit hin musiziert wird, dass darüber hinaus aber kaum etwas gemacht wird, was nicht in den Noten steht – und dadurch wirkt die gesamte Produktion entsetzlich bieder.

Weitaus deutlicher tritt dies bei den beiden Violinconcertini Nr. 1 E-Dur op. 15 (1829) und Nr. 5 a-Moll op. 133 (1843/44) zu Tage, deren Orchesterexpositionen ironischerweise zu den vom Orchester am überzeugendsten und spannungsvollsten musizierten Stellen überhaupt gehören. Die Geigerin Ariadne Daskalakis spielt zurückhaltend und mit formschöner Phrasengestaltung, bleibt jedoch in dynamischer Hinsicht brav sowie in der Tongestaltung sehr eindimensional. Erstaunlich ist vor allem, dass sie überhaupt keine der vielen agogischen Möglichkeiten ausnutzt, die ihr der Violinpart bietet. Insbesondere wenn es an die Gestaltung der virtuoseren Stellen geht, bleibt sie vorwiegend beim Laut-Leise-Kontrast stehen, ohne ihnen darüber hinaus weitere Facetten abzugewinnen. An vielen Stellen hinterlässt die Produktion daher – unterstrichen von der arg beiläufig dargebotenen Orchesterbegleitung – den Eindruck einer rein mechanischen Wiedergabe.

Sicher, die Solistin beherrscht die teils sehr anspruchsvollen technischen Kunstgriffe, die Kalliwoda fordert, und gibt sich auch in Bezug auf die Intonation keinerlei Blöße; doch wirkt, vor allem in den abschließenden Werkteilen, ihr Vortrag eintönig und bleibt bar jeglicher Überraschungen. Es scheint, als fehle Daskalakis der Wille dazu, die Musik über die Noten hinaus irgendwie zum ‚Sprechen‘ zu bringen. Am eklatantesten ist dies in den ruhigen, klangfarbenarm musizierten Mittelsätzen, beim jeglicher Raffinessen entbehrenden Vortrag des Scherzando-Themas aus dem Finale des E-Dur-Concertino sowie beim dortigen Übergang vom zweiten zum dritten Satz, denn das an dieser Stelle ganz deutlich auskomponierte Instrumentalrezitativ wird bar jeglicher Verzögerungen, fast schon nach dem Metronomschlag genau musiziert.

Darüber hinaus hatte man beim Label cpo diesmal wohl auch nicht das rechte Händchen bei der Edition des Booklets, da die Tracklist voller falscher Angaben steckt: Die Tempobezeichnung, die hinter dem fälschlicherweise als Nr. 7 ausgewiesenen Violinconcertino steht, gilt ebenso wie die Tonart c-Moll und die Opuszahl 101 für die vorausgehende Ouvertüre Nr. 7, bei deren Auszeichnung man jedoch die Angaben der Ouvertüre Nr. 3 noch einmal wiederholt hat. Beim zweiten Violinconcertino handelt es sich folglich auch nicht um das gar nicht existierende Concertino Nr. 7 c-Moll op. 101, sondern – was glücklicherweise aus dem informativen Booklettext von Bert Hagels hervorgeht – um das Concertino Nr. 1 E-Dur op. 15, dessen Sätze dann immerhin richtig vermerkt sind. Solche groben Fehler dürften allerdings bei der Endredaktion nicht übersehen werden.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Kalliwoda, Johann Wenzel: Violin-Concertinos und Ouvertüren

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
cpo
1
20.05.2015
Medium:
EAN:

CD
761203769223


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cpo

Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
Besonders stolz macht uns dabei, daß cpo - 1986 gegründet - in Rekordzeit in die Spitze vorgestoßen ist. Das Geheimnis dieses Erfolges ist einfach erklärt, wenn auch schwierig umzusetzen: cpo sucht niemals den Kampf mit den Branchenriesen, sondern füllt mit Geschick die Nischen, die von den Großen nicht besetzt werden, weil sie dort keine Geschäfte wittern. Und aus mancher Nische wurde nach einhelliger Ansicht der Fachwelt mittlerweile ein wahres Schmuckkästchen.
Am Anfang einer Repertoire-Entscheidung steht bei uns noch ganz altmodisch das Partituren-lesen, denn nicht alles, was noch unentdeckt ist, muß auch auf die Silberscheibe gebannt werden. Andererseits gibt es - von der Renaissance bis zur Moderne - noch sehr viele wahre musikalische Schätze zu heben, die oft näher liegen, als man meint. Unsere großen Werk-Editionen von Pfitzner, Korngold, Hindemith oder Pettersson sind nicht umsonst gerühmt worden. In diesem Sinne werden wir fortfahren.
Letztendlich ist unser künstlerisches Credo ganz einfach: Wir machen die CDs, die wir schon immer selbst haben wollten. Seien Sie herzlich zu dieser abenteuerlichen Entdeckungsfahrt eingeladen!


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