
Chaplin, Charlie - Modern Times
Neuauflage einer Filmmusikpartitur
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Das Label cpo überrascht mit einer herausragenden Einspielung der Musik zu Charles Chaplins Film 'Modern Times'.
Als Charles Chaplin 1936 seinen Film ‚Modern Times‘ in die Kinos brachte, war die Ära des Stummfilms schon beinahe seit einem Jahrzehnt vorüber. Dass Chaplin dennoch, wie bereits zuvor in ‚City Lights‘ (1931), auf eine Arbeit setzte, die ohne Sprache auskommt – Ausnahme ist ein kurzer, gegen Ende vorgetragener Song, in dem er dem Kinopublikum erstmals seine Stimme offenbarte –, zeugt davon, dass er seiner Arbeit als Regisseur und Schauspieler großes Selbstvertrauen entgegenbrachte. Eine wesentliche Rolle bei der Wirkung des Films spielt jedoch auch die sich über die gesamte Dauer erstreckende Musik, für die gleichfalls Chaplin verantwortlich zeichnete. Seit er einige Jahre zuvor erstmals eine Partitur zu ‚City Lights‘ beigesteuert hatte, ließ er nicht mehr davon ab, auch für die musikalische Seite seiner Filme verantwortlich zu zeichnen, wobei er neben den Scores zu allen weiteren Filmen auch Kompositionen für einige seiner früheren Arbeiten wie ‚The Gold Rush‘ oder ‚The Circus‘ schuf.
Es gehört zu den vielen Klischees über Chaplin, dass man dem Regisseur und Schauspieler hierbei nicht besonders viel zutraute, hatte er – der trotz Kenntnissen im Instrumentalspiel weder Noten lesen noch schreiben konnte – doch einst in einer ebenso unseligen wie selbstironischen Bemerkung von sich gesagt, er habe lediglich seine Melodien den Arrangeuren vorgeträllert – im Falle von ‚Modern Times‘ Edward Powell und David Raskin –, die dann die eigentliche Musik daraus gemacht hätten. Wie enorm groß Chaplins Anteil an der Arbeit zum Score von ‚Modern Times‘ indes tatsächlich gewesen ist und welchen großen Einfluss er mit genauen Forderungen auf die Details der Instrumentation genommen hat, legt Timothy Brock im erhellenden, mit zahlreichen Filmstills visuell aufgewerteten Booklet zu dieser Veröffentlichung von cpo dar.
Brock hat 1999/2000 in mühevoller Kleinarbeit unter Einbeziehung der während der originalen Filmmusikproduktion benutzten Partitur- und Stimmenmaterialien sowie unter Berücksichtigung aller während dieses Zeitraums gemachten Korrekturen – Modifikationen, die Chaplin im Detail mit seinen Orchestratoren abgesprochen und anschließend abgesegnet hat – eine revidierte Aufführungspartitur erstellt, die es nun ermöglicht, den Film mit Live-Orchesterbegleitung darzubieten. Insbesondere in der ersten Filmhälfte erweise sich, so Brock, die genaue Koordination von Musik und Bild als extreme Herausforderung, da Chaplin beispielsweise in einem Zeitabschnitt von knapp 70 Sekunden 27 Synchronisationspunkte einfordere, die – unter Einbeziehung von 14 Tempo- und 9 Taktwechseln – genau mit visuellen Elementen und Bewegungen der Akteure übereinstimmen müssen.
Ist man erst einmal mit all diesen Umständen vertraut, fällt einem auf, wie facettenreich die Instrumentation innerhalb solcher Passagen verwendet ist, wie genau Chaplin seine Arrangeure bis in die kleinsten Details hinein angeleitet hat, um die fraglichen Sequenzen mit spezifischen Instrumentalwirkungen zu unterstreichen. Dies alles lässt sich in der herausragenden, von Brock geleiteten Einspielung mit der NDR Philharmonie Hannover im Detail verfolgen, wodurch die Produktion kurz gesagt zu einem wahren Hörgenuss wird. Nicht nur die klangliche Tiefenschärfe der Aufnahme, sondern auch die plastische musikalische Darstellung sowohl von melodischen Phrasen als auch von instrumentatorischen Feinheiten, lassen die Partitur tatsächlich in einem völlig neuen Licht erscheinen. So hat man diese Musik mit Sicherheit zuvor noch nie gehört. Chaplin-Liebhaber dürften sich darüber ebenso freuen wie Filmmusikforscher.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Chaplin, Charlie: Modern Times |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
cpo 1 20.05.2015 |
Medium:
EAN: |
CD
761203728626 |
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Chaplin, Charlie |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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