
The Sound of the 20s - Werke von Enescu, Ravel, Bloch u. a.
Kein Mainstream, keine Klischees
Label/Verlag: ARS Produktion
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Stefan Tarara und Lora Vakova-Tarara spielen ein nicht gerade alltägliches Programm mit Violinsonaten von Bloch, Ravel und Enescu. Das Niveau ist absolut erstklassig.
‚The Sound of the 20s‘ nennt sich diese Platte, und was sie definitiv nicht enthält, ist ‚der‘ Klang der zwanziger Jahre. Den gab es schließlich nicht, und schon gar nicht können Individualisten wie Ernest Bloch, Maurice Ravel oder gar George Enescu, der vielleicht größte Individualist überhaupt, dafür vereinnahmt werden. Und irgendwie hat sich dann auch noch ein knapp vierminütiges, 2007 komponiertes Duo von Jacques-Alphonse de Zeegant eingeschlichen. Nun gut, ein plakativer Titel muss ja heutzutage immer her. Und natürlich ein passendes Cover: Hier sind die beiden jungen Interpreten vor Naturkulisse am Meer zu sehen, ziemlich rau zwar und mit dunklen Wolken am Himmel, aber doch ausgesprochen malerisch.
Doch damit genug der Häme. Fangen wir mit Enescu an, dem Komponisten, mit dem Geiger Stefan Tarara und Pinaistin Lora Vakova-Tarara ihr Programm beenden. 'Im populären rumänischen Charakter' ist dessen dritte Violinsonate überschrieben. Dieser Titel ist allerdings ebenso kühn wie die Angabe der Tonart mit a-Moll. Tatsächlich mag ja hier und dort ein wenig a-Moll aufblitzen, folkloristische Motive tun es auf jeden Fall, doch vorherrschend ist eine ausgesprochen freie, improvisatorische Klangsprache.
Es gibt von dieser Sonate eine Aufnahme mit Patricia Kopatschinskaja und Mihaela Ursuleasa, und dagegen anzukommen ist für zwei junge Musiker natürlich nicht leicht – sollte man meinen. Doch der Vergleich fällt zu ihren Gunsten aus: zu extrem, zu gewollt besonders, zu weit entfernt von klassischen Spieltechniken (in einer zugegebenermaßen sehr weit von klassischen Formen entfernten Sonate) wirkt die ältere Konkurrenz. Hier wird etwas konventioneller musiziert, doch das verleiht dem Gefüge mehr Zusammenhalt und Einheitlichkeit. Zwar müsste zuerst geklärt werden, ob das auch in Enescus Sinne gewesen wäre, das Zuhören wird dadurch jedoch auf jeden Fall erleichtert. Nicht ganz so frei bedeutet in vielen Fällen auch: näher am Notentext. Berücksichtigt man, wie versessen und akribisch Enescu seine Vorstellungen im Notentext anzugeben versucht hat, so liegt die Vermutung nahe, dass es durchaus in seinem Sinne gewesen sein könnte. Der rhapsodisch freie Charakter kommt immer noch mehr als genug zur Geltung.
Zum prägnanteren Eindruck dieser Aufnahme trägt auch ihr sehr guter Klang bei, der (obwohl in einer Kirche aufgenommen) ohne viel Hall auskommt. Aufgenommen wurde erst im März dieses Jahres, bereits im Mai hatte das Label Ars Produktion die Platte fertig, das ist weltrekordverdächtig.
Man darf ruhig erwähnen, dass komplexere und technisch schwierigere Musik als die späten Werke von Enescu für Geige und Klavier kaum jemals geschrieben wurde. Wie überzeugend diese Struktur hier bewältigt wird, ist schon erstaunlich. Diese Platte enthält doch mehr als auf Hochglanz polierte aber oberflächliche Klischees, die der Titel und das Cover zunächst vermuten lassen.
Doch Stefan Tarara und Lora Vakova-Tarara spielen ja noch zwei weitere Sonaten, die auch nicht gerade Leichtgewichte sind. Allerdings ist Maurice Ravels zweite Violinsonate G-Dur betont schlicht gehalten; ein extremer Gegensatz zur Musik Enescus ist das auf jeden Fall und insofern eine nicht uninteressante Koppelung auf dieser Platte. Die Interpreten rücken dem eröffnenden 'Allegretto' mit flüssigem Tempo zu Leibe, außerdem mit gutem klanglichen Gespür: nicht zu romantisch, aber auch nicht asketisch. Der mit 'Blues' überschriebene zweite Satz macht besonders viel Spaß, denn die Interpreten nutzen eine Spanne zwischen hauchzart und kräftig-markant, und das virtuose Finale ist furios und in hohem Tempo gespielt.
Eröffnet wird die Platte jedoch durch die umfangreichste und expressivste der drei Sonaten, der ziemlich unbekannten ersten Violinsonate von Ernest Bloch, die satte 30 Minuten beansprucht. Und das ist eine gute Eröffnung, denn der aufgewühlte erste Satz ist in dieser Interpretation sehr beeindruckend. Auch in den beiden anderen Sätzen kommt man aus dem Staunen nicht heraus, denn es wird einfach erstklassig musiziert. Frappierend gut gelingen den beiden Interpreten Blochs zahlreiche Klangeffekte, kleine Details sind sehr gut hörbar, und vor allem ist das Spiel immer wieder höchst intensiv und spannungsvoll, dabei ohne klangliche Härte. Unter dem Strich also eine großartige Platte: Wahrhaftig kein Mainstream, dabei sowohl klanglich als auch interpretatorisch absolut überzeugend.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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The Sound of the 20s: Werke von Enescu, Ravel, Bloch u. a. |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
ARS Produktion 1 05.06.2015 |
Medium:
EAN: |
SACD
4260052381793 |
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Bloch, Ernest |
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ARS Produktion Das exquisite Klassiklabel ARS Produktion wurde 1987 von Annette Schumacher mit dem Ziel gegründet, jungen, aufstrebenden Künstlern und interessanten Programmen gleichermaßen eine individuelle musikalische Heimat und entsprechende Marktchancen, u.a. durch internationalen Vertrieb und Vermarktung zu geben. Die bei Paul Meisen ausgebildete Konzertflötistin hat sich damit nach langer aktiver Musikerlaufbahn einen geschäftlichen Traum erfüllt.
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