
Mendelssohn Bartholdy, Felix - Streichquartette Nr.1 & 4
Kultiviert und raffiniert
Label/Verlag: BIS Records
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Das Escher String Quartet beginnt seine Mendelssohn-Einspielung mit einem abwechslungsreichen Blick auf drei sehr unterschiedliche Werke.
Gleich der erste Akkord der Produktion lässt aufhorchen. Das amerikanische Escher String Quartet startet mit einer außerordentlich kultivierten Klanggestaltung in den Kopfsatz von Felix Mendelssohn Bartholdys Streichquartett Nr. 1 Es-Dur op. 12 (MWV R25): mit einem Zugang, der unterschiedliche, stark nuancierte Vibratostufen einbezieht und sich, die akkordischen Vorhalte wunderschön ausmusizierend, über die langsame Einleitung hinweg in den raschen Teil des Satzes hinein fortsetzt. Beachtlich ist, wie die Musiker das Verhältnis der Begleitfiguren und Melodiepartikel gegeneinander gewichten und mitunter auch ineinander fließen lassen, so dass die Texturen des Quartettsatzes mit Leben erfüllt sind und ständig fluktuierend. Faszinierend ist aber auch, wie sie dies durch die Detailgestaltung der dynamischen Ebene unterstreichen, indem sie beispielsweise die Sforzati aus der Bewegung der Melodie heraus modellieren, und wie sie darüber hinaus das Tempo mit einer gewissen Flexibilität handhaben, um die Durchführung agogisch aufzulockern oder – ein besonders schöner Moment – den Übergang zur Reprise besonders zögerlich angehen.
Für den ersten Teil ihrer bei BIS erscheinenden Mendelssohn-Reihe, haben die vier Musiker drei vom Charakter her unterschiedliche Werke ausgewählt, was ihnen Gelegenheit gibt, die Qualitäten ihres Vortrags auf ideale Weise herauszustellen. Neben dem bekannteren Werk von 1829 steht das bereits 1823 entstandene Es-Dur-Quartett (MWV R18) des 14-jährigen Komponisten, das stellenweise – insbesondere im Kopfsatz – eine gewisse Nähe zur Mozart’schen Klangsprache aufweist. Dem entspricht die Zartheit, mit der sich die Musiker diesem Satz nähern, um dann in der Durchführung ein kontrapunktisches Geflecht zu entfalten, dem sie – wie auch das strenge Fugen-Finale, ein großes Maß an Transparenz verleihen. Gelungen ist auch, unterstützt durch die ausgezeichnete Klangqualität der SACD, das Vexierspiel mit Vorder- und Hintergrund, für das die Mendelssohn’schen Quartette ein reiches Betätigungsfeld bieten: Während beispielsweise im langsamen Satz des frühen Es-Dur-Quartetts begleitender Hintergrund und wechselnde Soli perspektivisch voneinander getrennt erscheinen, lassen sich die Musiker im langsamen Satz des späten Streichquartetts Nr. 4 e-Moll op. 44 Nr. 2 (MWV R26, 1837) nach dem zunächst einfach erscheinenden Beginn im Stil eines 'Lieds ohne Worte' mit feinem klanglichem Gestaltungsvermögen auf den verzwickten Wechsel der Blickwinkel ein, die Mendelssohn gekonnt mit Instrumentationsänderungen verschränkt.
Besonders gelungen sind darüber hinaus aber auch die Scherzo-Sätze: So wartet die 'Canzonetta' aus op. 12 in den Rahmenteilen mit etlichen geschickt verzögerten Auftakten auf, wogegen sich der Sechzehntelwirbel des Mittelteils als ständig verändernde Klangfläche präsentiert; und im Scherzo des e-Moll-Quartetts reichen sich die Musiker die rhythmischen Impulse weiter und lassen sie fast spielerisch in die kontrapunktischen Abschnitte des Satzes münden. Darüber hinaus zeigt der Kopfsatz von op. 44 Nr. 2 aber auch, mit welcher Intensität die Musiker sich auf einen ‚appassionato‘-Charakter einlassen und den Gestus des Vortrags von einer Art kontrollierten Unruhe ergreifen lassen. Schließlich sei auch der oftmals gleichsam ‚sprechende‘ Tonfall erwähnt, den die Musiker anstimmen, um formale Höhepunkte zu kennzeichnen oder der Musik – vor allem dem Kopfsatz und dem 'Andante espressivo' aus op. 12 – eine gewisse narrative Diktion zu verleihen. Dies alles trägt letzten Endes zu einer runden Darstellung bei, die viel Lust auf weitere Mendelssohn-Einspielungen des Ensembles macht.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Mendelssohn Bartholdy, Felix: Streichquartette Nr.1 & 4 |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
BIS Records 1 01.04.2015 |
Medium:
EAN: |
SACD
7318599919607 |
![]() Cover vergössern |
BIS Records Most record labels begin with a need to fill a niche. When Robert von Bahr founded BIS in 1973, he seems to have found any number of musical niches to fill. The first year's releases included music from the renaissance, Telemann on period instruments, Birgit Nilsson singing Sibelius and works by 29 living composers - Ligeti and Britten as well as Rautavaara and Sallinen - next to Purcell, Mussorgsky and Richard Strauss. A musical chameleon was born, a label that meant different things to different - and usually passionate - devotees. Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei...![]() |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag BIS Records:
-
Später Brahms, frisch präsentiert: Michael Collins und Stephen Hough überzeugen als kammermusikalisches Duo. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Handzahm: Seit über sechzig Jahren ringen die Interpreten mit Mahlers 10. Sinfonie. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Preußische Quartette: Mozart, sehr feinfühlig auf Darmsaiten eingespielt. Weiter...
(Manuel Stangorra, )
Weitere CD-Besprechungen von Prof. Dr. Stefan Drees:
-
John Bull und andere: Im sechsten Teil seiner Gesamteinspielung des 'Fitzwilliam Virginal Book' kombiniert der Cembalist Pieter-Jan Belder Stücke von John Bull mit einzelnen Kompositionen unbekannterer Tonsetzer. Weiter...
(Prof. Dr. Stefan Drees, )
-
Arbeit an klanglichen Feinheiten: Die zweite DVD der Reihe 'Lachenmann Perspektiven' widmet sich der Komposition 'Air'. Weiter...
(Prof. Dr. Stefan Drees, )
-
Blick in die Interpretationswerkstatt: Eine neue DVD-Reihe vermittelt unschätzbare Einblicke in die musikalischen und technischen Problemstellungen von Helmut Lachenmanns Musik. Weiter...
(Prof. Dr. Stefan Drees, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Später Brahms, frisch präsentiert: Michael Collins und Stephen Hough überzeugen als kammermusikalisches Duo. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Gelungene Zeitreise: Das Teatro Regio Torino unternimmt eine Rekonstruktion der Uraufführung von Puccinis 'La Bohème'. Weiter...
(Oliver Bernhardt, )
-
Virtuos, aber klanglich nicht optimal: Bläser-Kammermusik vom Trio bis zum Sextett: Vier Werke aus der Feder von Jean Françaix in technisch sehr guten, klanglich nicht optimalen Interpretationen. Weiter...
(Dr. Michael Loos, )
Portrait

"Auf der Klarinette den Sänger spielen, das ist einfach cool!"
Der Klarinettist Nicolai Pfeffer im Gespräch mit klassik.com.
Sponsored Links
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich