
Lettberg, Maria - Poeme de L'Extase
Rauschhaft und vielfarbig
Label/Verlag: Es-Dur
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Eine wunderbare Hommage an Skrjabin gelingt Maria Lettberg mit ihrer neuen CD, in der sie mit Fokus auf das musikalische Davor und Danach Skrjabin impressionistische Meisterwerk "Poéme de l´extase" umso wirkungsvoller in Szene setzt
Die CD hält, was der Titel verspricht. Maria Lettberg, lettisch-schwedische Pianistin und russische Muttersprachlerin mit Wohnsitz in Berlin, weit weg vom Starkult, spielt mit ekstatischer Wucht: eine Entdeckung, die ihrerseits selbst immer Neues entdecken will. Nach der ekstatischen Musik Alexander Skrjabin süchtig, wie sie selbst von sich sagt, spielte sie in vier Jahren acht CDs des russischen Komponisten auf dem Klavier ein. Mit ihrer neuen CD, benannt nach Alexander Skrjabins 'Le Poéme de l’extase', weitet Maria Lettberg den Fokus auf das musikalische Davor und Danach zu einer Rezeptionsgeschichte Skrjabins außerhalb Russlands: von Franz Liszt über Harald Banter, Friedrich Kelkel bis Olivier Messiaen. Gleichzeitig eröffnen sich ihr damit Räume, um das breite Spektrum der Ekstase erfahrbar zu machen.
Was alle Stücke vereint, ist die Welt der Ekstase voller Synästhesie, Neigung zum Orientalismus und Pantheismus. Und gerade der Vergleich zeigt Skrjabins ungeheurliche Schaffens- und Wirkungskraft über seinen Tod hinaus. Sein 'Le Poéme de l’Extase' in einer Klavierbearbeitung von Sergei Pawtschinsky eröffnet die Explosion der musikalischen Exstasen und bleibt trotzdem konkurrenzlos das Ereignis dieser CD - und somit eine weitere Hommage Maria Lettbergs an Skrjabin. Sein 'Poeme de l’extase' spiegelt die Opulenz von Skrjabins Schaffen, am Flügel von Maria Lettberg phantastisch rauschhaft und vielfarbig interpretiert. Das ist weit mehr als ein Laboratorium, wie sie selbst die Klavierfassung bescheiden apostrophiert hat. Mit faszinierender Virtuosität, temperamentvoller Dynamik arbeitet Maria Lettberg die erotische Komponente dieses ‚Poémes orgiaque‘, so der ursprüngliche Werktitel, heraus. Im Wechsel von subtilsten Klang-Glasperlenspiel und wuchtigen Akkorden umschwirrt von Tonnetzen, die zu schweben scheinen, intoniert sie Skrjabins eindrucksvollees Werk zwischen Ekstase und Zärtlichkeit einer großen Leidenschaft.
Mit Franz Liszts 'Trauer-Gondel' erdet Maria Lettberg die Exstase in dessen klaren Tonstrukturen und zeigt gleichzeitig Liszt als Vorläufer impressionistischer Musik, in der jeder Ton atmosphärische Bedeutung erschaffen kann. Motive wiederholen sich, werden voller, retardieren, pulsieren. Helligkeit verdüstert sich zu wunderschön melancholischer Tristesse, wie es das venezianische Gondelmotiv vorgibt. Das Werk von Harald Banter fällt etwas aus dem Rahmen. Doch extra für Maria Lettberg komponiert, passt seine Hommage à Skrjabin 'Naitre et disparitre - Werden und Vergehen' bestens zur Thematik, indem er die orgiastische Exstase auf die Schöpfungsprozesse allgemein weitet. Aus einem monotonen Herz-Schlag-Ton eröffnet sich Leben. Akkorde wuchten über das ganze Tonregister hinauf, um in Einzeltönen zu zerstäuben. Man denkt an Pusteblumen, Erblühen, Erstrahlen, organische Prozesse, die sich klanglich wieder verdichten, ein Wechselspiel von Werden und Vergehen assoziieren lassen und schließlich als aushauchender Ton den Tod signalisieren.
Manfred Kerkels 'Tombeau de Scriabine - Memorial für Skrjabin' komponiert für Skrjabins 100. Geburtstag passt bestens in die Skryabin-Poeme-Extase. Im 'Prelude', noch mehr in den 'Transformationen' weitet Kerkel Skrjabins Tonmalereien um chromatische und formal symmetrische Skalen, filigranisiert mit Trillern. Mit Olivier Messiaens 'Vingt Regards sur l‘Enfant-Jesus' als Schlussakzent rundet Maria Lettberg ihre hervorragende Skrjabin-Rezeptionsgeschichte ab. Die Reduktion auf das erste und letzte Stück genügen, um die Weiterentwicklung der Polarität zwischen deutlichen Harmonien und chaotischen Clustern zu verdeutlichen, aber auch deren Unterschied. Skrjabins Chaos endet ohne Botschaft, Messiaen zielt auf die Schönheit der Schöpfung, auf den Wohlklang des Vogelgezwitschers, das immer wieder aufleuchtet, und damit auch den Urkraft der Schöpfung und der dahinterstehenden treibenden Kraft. ‚La Poeme de l’extase‘ ist über den exzellenten Hörgenuss hinaus durch die profunde Musikauswahl ein intellektuelles Erlebnis und vielfarbiges Kaleidoskop verschiedener Stile um Skrjabin und in dessen Nachfolge.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Lettberg, Maria: Poeme de L'Extase |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Es-Dur 1 10.04.2015 |
Medium:
EAN: |
CD
4015372820589 |
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Es-Dur ES-DUR ist ein Label für klassische und zeitgenössische Musik mit Sitz in Hamburg. Das Label wurde 1992 zusammen mit dem Label CHARADE vom Tonmeister Eberhard Schnellen gegründet und erwarb sich aufgrund der herausragenden künstlerischen und technischen Qualität der mittlerweile rund 50 Veröffentlichungen schnell einen sehr guten Ruf. Im Frühjahr 2011 übergab Eberhard Schnellen die Führung des Labels in die Hände seiner langjährigen Mitarbeiter Karola Parry und Udo Potratz, beide ebenfalls Tonmeister. ES-DUR bietet sorgfältig produzierte Editionen wie die Kammermusikreihe mit David Geringas und Tatjana Schatz. Im Rahmen dieser Reihe legte David Geringas im November 2011 mit GERINGAS PLAYS BACH PLUS eine außergewöhnliche Einspielung der Cello-Suiten von J.S.Bach vor, die in der Presse überaus positiv aufgenommen wurde. Die Reihe MUSIK AM GOTHAER HOF mit der Thüringen Philharmonie Gotha unter Herrman Breuer und bekannten Solisten wie Antje Weithaas, Jens Peter Maintz oder Michael Sanderling reflektiert das reiche musikalische Schaffen der Komponisten vom Gothaer Hof wie Louis Spohr, Georg Anton Benda und Andreas Romberg und wurde in der Fachpresse mit höchstem Lob bedacht. Der ES-DUR-Katalog repräsentiert den Reichtum und die Vielfalt der Musikgeschichte und Gattungen, großen Raum finden aber auch die spannenden musikalischen Entwicklungen der Gegenwart - der Klang unserer Zeit. Mehr Info... |
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