
Amarcord - Armarium
Aus der geistlichen Rüstkammer
Label/Verlag: Raumklang
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Eine Vokalplatte mit einigen Perlen aus der reichen Überlieferung der Leipziger Thomaner, nobel gesungen vom Ensemble amarcord.
Unter dem neugierig machenden Titel ‚Armarium‘ hat das Leipziger Ensemble amarcord jetzt eine Platte mit Musik aus der Überlieferung des Thomanerchors vorgelegt. Als Armarium verstand man in Zeiten vor dem Buchdruck jene Orte, an denen die Bücher eines Klosters aufbewahrt wurden, als kostbares Gut, als geistliches Rüstzeug gewissermaßen. So wird es auch im Leipziger Thomaskloster gewesen sein, und es ist kein allzu gewagter Schritt, das, was uns heute an geistlich-musikalischer Überlieferung der Thomaner mehr oder minder bekannt ist, unter diesem Begriff zusammenzufassen.
Das Programm will die Vielfalt der reich überlieferten Sammlungen zeigen oder doch zumindest andeuten – vom Thomasgraduale über etliche Florilegien und Stimmbuchsammlungen bis zu Heinrich Schütz‘ 'Geistlicher Chormusik' von 1648. Aus diesem unüberschaubar reichen Fundus nur etwa eine knappe Stunde Programm destilliert zu haben, mag man bedauern, bei aller Wertschätzung der Auswahl und dessen, was da erklingt.
Zu hören sind neben Heinrich Schütz, Johann Hermann Schein und Orlando di Lasso Johann Walter und Sethus Calvisius, dazu einige kaum bekannte Komponisten wie Pandolfo Zallamella oder Thomas Stoltzer. Zusammengefasst sind in der Programmfolge einige feine Stücke der ‚ersten 436 Jahre‘, wie es selbstbewusst im Booklettext heißt. Und immerhin sind seit Schütz dann auch schon wieder mehr als dreieinhalb Jahrhunderte vergangen, eine eindrucksvolle Tradition also. Die Sammlungen zeigen einerseits das breite Interesse der Thomaskantoren, offenbaren zugleich einen bemerkenswert pragmatischen Zug, zum Beispiel in den sehr kompakt gesetzten, leicht fasslichen und ganz sicher für den gottesdienstlichen Gebrauch bestens verwendbaren Hymnen von Sethus Calvisius.
Könner, auch mit dezenten Qualitäten
Man hat mittlerweile den Eindruck, dass das Leipziger Ensemble amarcord sich intensiver für das weitläufige Erbe der Thomaner einsetzt, als diese selbst es tun. Davon zeugte eine ebenso feine wie zurückgenommene Produktion zweier gregorianischer Messen aus dem mittelalterlichen Thomasgraduale vor zwei Jahren zum 800jährigen Jubiläum des Chors.
Auch auf der jetzt vorliegenden CD reüssieren die sechs Herren wiederum als einfühlsames wie charaktervolles Ensemble, mit reicher Begabung zum nuancierten Vortrag. Die Interaktion der Stimmen ist souverän und klanglich nobel, das extrem gut ausgehörte Singen zeugt von der langjährigen gemeinsamen Musiziererfahrung.
Hier, in der praktischen Einrichtung von Christoph Koop, durchmisst die Formation einen enormen Ambitus, der den Bässen alles an frei klingender Tiefe abverlangt, vor allem die Tenöre aber deutlich ins Altregister vorstoßen lässt. Das gelingt auch intonatorisch überzeugend, wenngleich man doch gelegentlich die Mühen extremer Randlage in der Höhe zu hören meint. Es wird im barocken Repertoire in sehr frischen Tempi musiziert, in älteren Sätzen auch in angemessener Ruhe. Artikuliert wird in einem weiten Spektrum, von edler linearer Entfaltung bis zur behänden Geste sprachgezeugten Singens Das Klangbild ist groß, wirkt natürlich, ist klar und sehr ansprechend balanciert – ein insgesamt feines Ensembleporträt. Gerundet wird die Präsentation durch ein umfassend informierendes, dreisprachiges und vor allem sehr geschmackvoll gestaltetes Booklet.
Es sind dies sehr feine Explorationen im üppigen Bestand der Thomaner: Dieser Notenschrank gibt wirklich einiges her, das zu singen sich deutlich lohnt. Amarcord überzeugt wiederum mit einer programmatisch ambitionierten Platte, die nicht nur den Glanz des Ensembles in den Vordergrund stellen will.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Amarcord: Armarium |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Raumklang 1 17.04.2015 |
Medium:
EAN: |
CD
4039731101140 |
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Raumklang Das Label RAUMKLANG wurde 1993 von Sebastian Pank in Leipzig gegründet. Nach wie vor steht der Name Raumklang für ein authentisches Klangerlebnis. Die Aufnahmen entstehen überwiegend mit nur einem Stereo-Kugelflächen-Mikrophon (One-Point-Recording).
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