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Freitag, 22. September 2023

Schubert, Franz - Arpeggione

Konfrontation


Label/Verlag: NCA - New Classical Adventure
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Franz Schuberts Arpeggione-Sonate trifft auf eine zeitgenössische Komposition von Sofia Gubaidulina - eine Kombination mit besonderen Reizen.

Schuberts Sonate D 821 in a-Moll, komponiert für Klavier und die 1823 als Synthese aus Gitarre und Cello erfundene Arpeggione, die Schuberts Werk seinen inoffiziellen Beinamen verlieh, ist bislang in diversen Besetzungen interpretiert worden. Neben der Wahl zugunsten der Viola dominiert das Cello – so auch auf dieser Platte. Die russische Cellistin Olga Dowbusch-Lubotsky hingegen definiert Titel und Charakter des Werkes gemeinsam mit ihrer Begleitung, dem Gitarristen Peter Constant neu. Die Gitarre anstelle des Klaviers erzeugt ein reizvolles Klangbild und harmoniert stimmungsvoll mit dem Violoncello.

Während zu Beginn des ersten Satzes die Cellistin mit blassen, distanziert wirkenden Klängen die voluminöse Kraft ihres Instrumentes vermissen lässt, entfaltet sie diese in den Forte-Passagen und insbesondere im lyrischen zweiten Satz, der auch hier im wirkungsvollen Zusammenspiel mit der Gitarre Schuberts Sonate zu den interessantesten, aber auch schönsten Beiträgen des Komponisten zählen darf. Dass Olga Dowbusch-Lubotsky vorrangig die sensiblen, lyrischen Passagen liegen, zeigt sich so auch im dritten Satz, im welchem sie zwar in schnellen Läufen und technisch höchst anspruchsvollen Sprüngen und Akkordbrechungen brilliert, die ganze Schönheit ihres Tons zumeist aber nur in den kantablen Passagen zu Gehör bringt. Peter Constant hält sich dazu in seiner begleitenden Rolle bedeckt im Hintergrund und folgt dynamisch angepasst dem Spiel der Cellistin. Sein makelloses Spiel lässt ihn zum bescheidenen Virtuosen in dieser Einspielung werden, der leider auch die wenigen Eigenanteile nicht dazu nutzt, um merklich in den Vordergrund zu treten.

Unvermittelt folgt auf Schuberts frühromantische Sonate die moderne Komposition 'Repentance' für Violoncello, drei Gitarren und Kontrabass aus dem Jahre 2008 von Sofia Gubaidulina. Weshalb sich Schuberts ‚Arpeggione-Sonate‘ und Gubaidulinas Werk sich diese Platte teilen, ist aus dem Booklet und auch nach dem ersten Höreindruck nicht nachzuvollziehen. Lediglich die durchgehende Kombination aus gezupften und gestrichenen Saiteninstrumenten verleiht der Platte eine gewisse Einheit. Dabei erweitert sie das Klangbild um Mittel zeitgenössischer Klanglichkeit: So werden mal die Gitarren mit Gläsern gespielt, mal entlockt der Kontrabassist seinem Instrument unkonventionelle Klänge.

Die rund 22 Minuten umfassende Komposition beginnt sphärisch. Gestrichene Glissandi verhallen in Tremoli im Flageolett, werden von Gitarrenakkorden unterbrochen und bilden weitreichende Spannungsbögen. Es sind ungewöhnliche, aber harmonisierende Klangbilder, die dem Werk, dessen Titel sich als Buße oder Reue übersetzen lässt, zu seinem durchweg hochdramatischen Duktus verhelfen. Das Glissando bzw. chromatische Aufwärtsbewegungen bestimmen das erste Drittel des Werkes. Die Instrumente scheinen sich gegeneinander aufzustacheln, übertreffen sich in rhythmisch gegeneinander versetzten Läufen und verstummen abrupt in spannungsgeladenen Pausen. Ganz anders der Mittelteil – liebliche Arpeggien der Gitarren werden vom Cello solistisch, beinahe lyrisch dominiert. Doch auch hier entsteht bald wieder die in dieser Komposition kontinuierliche Unruhe, Gubaidulina experimentiert mit den Möglichkeiten der Klangerzeugung.

Ein weiteres Mal brilliert die Cellistin, begleitet von spanisch anmutenden, stark rhythmisierten Akkorden der Gitarren. Steht lange Zeit das Streichinstrument im Fokus, konzentriert sich Gubaidulina gegen Ende des Stückes punktuell deutlich auf die Gitarren. Technisch höchst anspruchsvolle und auch hier sicherlich mit eher ungewöhnlichen Mitteln erzeugte Klänge bilden durch ihren perkussiven Schwerpunkt einen gelungenen Kontrast zum Vorherigen. Das Stück endet ähnlich sphärisch, wie es begann. Es verhallt allmählich in Zeitlosigkeit, und das Ende wird als solches nicht mehr wahrgenommen. Die Grenze zwischen Musik und Stille scheint hier aufgehoben worden zu sein.

Im Rückblick auf die Sonate Schuberts sticht die Präsenz der Cellistin hervor. Ganz anders und viel direkter spricht sie den Zuhörer an, dasselbe betrifft die Gitarre. In Anbetracht der Tatsache, dass im Zentrum vorliegender Platte das Schubert-Werk zu stehen scheint, erstaunt der breite Raum, den die zeitgenössische Komposition einnimmt. Das Wesentliche, was beide gegensätzlichen und schwer miteinander zu vereinbarenden Werke verbindet, ist der oft zu beobachtende Spannungsbogen zwischen Dramatik und Lyrik.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:




Hendrik Wilken, Foto: Emin Ozkan, Fotolia LLC Kritik von Hendrik Wilken,


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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Schubert, Franz: Arpeggione

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
NCA - New Classical Adventure
1
24.04.2015
Medium:
EAN:

CD
885150340028


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NCA - New Classical Adventure

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NCA steht für neue Interpretationen bekannter Werke, steht für eine erfolgreiche Auseinandersetzung mit Musik in den verschiedensten, vielleicht auch ungewohnten Besetzungen, steht für auserlesene, oft zu Unrecht selten oder bisher noch nie eingespielte Werke in allen Stilistiken der klassischen Musik, was insgesamt zum Markenzeichen des Labels wurde und ist damit die ideale Ergänzung für den Plattenschrank eines Klassikliebhabers werden.Dabei ist selbstverständlich Grundvoraussetzung eine hohe künstlerische und technische Qualität der Einspielungen.

Bei NCA findet sich keine Trennung des Repertoires, sondern alle Einspielungen dienen gleichberechtigt dem einen Zweck, das Phänomen ?Musik? im Sinne eines Mosaiks ganzheitlich (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) entstehen zu lassen.

Viele Einspielungen aus sämtlichen Genres der klassischen Musik wurden von der Fachpresse hochgelobt und mit diversen Preisen ausgezeichnet. Viele berühmte und weltbekannte Künstler zeugen von der höchsten Qualität der Produktionen. Ein besonderes Augenmerk gilt der Förderung junger und aufstrebender Künstler, um ihnen ein Sprungbrett in die weite Welt der Klassik zu bieten.

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Klaus Feldmann
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