
Jurowski, Vladimir - Symphonie Nr. 5
Familienfluch
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Vladimir Jurowskis Orchestermusik ist bei seinem Sohn in den besten Händen. Die Umsetzung ist tadellos, was letztlich an der Musik nicht restlos überzeugt, ist nicht der Umsetzung zuzuschreiben.
In Musikerfamilien scheint es eine Art Fluch zu geben, der die jüngeren Generationen sich immer wieder mit der Musik oder den Leistungen der älteren auseinandersetzen lässt. Bei Interpreten scheint dieser ‚Fluch‘ besonders stark ausgeprägt zu sein – die Namen Kuijken, Prégardien oder Järvi sind nur einige Beispiele für Erbe, Prägung und Suche nach neuen Perspektiven. So auch die Jurowskis – hier der Großvater Vladimir als Komponist, der Sohn Michail als Dirigent der Musik des Vaters (auch die beiden Söhne Michails, Vladimir und Dimitri sind international bekannte Dirigenten).
Vladimir Jurowski sen. (1915–1972) stammte aus der Ukraine und studierte in Moskau bei Nikolai Miaskowsky. Trotz seiner jüdischen Herkunft machte er sich in der Sowjetunion einen Namen vor allem als Ballett- und Filmkomponist, doch ist sein Schaffen weit gefächert und enthält Opern und Orchestermusik gleichermaßen. Die Fünfte Sinfonie op. 79 für großes Orchester wurde 1971 vollendet – eine merkwürdige eklektische Mischung aus Tschaikowsky, Mussorgsky, Khatchaturian und Prokofjew, mit einer Art eigenem Ton, der aber jenem Miaskowskys nicht ganz fern ist. Auf ganz eigene Weise verarbeitet Jurowski die Ereignisse der damaligen jüngsten Vergangenheit, seine Missbilligung und Mutlosigkeit steigern sich bis zur 'Parade des Wahnsinns' im Finalsatz. Von feinen Farbvaleurs in den ruhigeren Abschnitten bis hin zu den Kitsch mehr als nur streifenden Passagen, von dramatischen Momenten über das BACH-Zitat bis hin zur großen Geste – Jurowskis Musik, die 2005 in Berlin uraufgeführt wurde, ist vielgestaltig, gerät aber doch immer wieder kleinteilig, episodisch-rhapsodisch, eher balletthaft denn genuin sinfonisch. Nach der epischen Breite des Kopfsatzes erfreut die zielgerichtetere Struktur des Andante amoroso und des energischen Finales, das in seiner Lebhaftigkeit Miaskowsky oder Prokofjew gleichermaßen evoziert, andererseits aber auch fast an Sibelius gemahnende Momente aufweist und letztlich auch auf den Orgeleinsatz nicht verzichtet.
Ergänzt wird die CD durch eine symphonische Suite 'Russische Maler' (1960er-Jahre?), eine Art musikalische Überhöhung von (heute teilweise durchaus) Gemälden aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert, nicht unähnlich manchen Kompositionen Reinhold Glières. Zu den besten Sätzen geraten vielleicht 'Iwan Zarewitsch auf dem grauen Wolf' und 'Alyonushka' (beide Viktor Wasnezow); instrumentatorisch durchaus interessant ist 'Porträt einer Unbekannten (Iwan Kramskoi) ', auch wenn der übermäßige Gebrauch der Solovioline die Tendenz zur Filmmusik allzu stark nahelegt, eine Tendenz, die auch in anderen Sätzen unüberhörbar ist. Einen effektvollen Abschluss bildet 'Maslenitsa (Boris Kustodiew)'.
Das Norrköpings Symfoniorkester bemüht sich redlich um die farbenreiche, instrumentatorisch ausgesprochen wohlgeratene Musik, der Sohn des Komponisten vermag viele der Schönheiten der Musik in voller Pracht zu präsentieren. Einzig die Orgel kann in ihrer Qualität nicht mithalten – glücklicherweise ist ihre Nutzung nur von kurzer Dauer. Sonst gerät die Musik (zwangsläufig) häufig etwas lärmend, was nicht der Interpretation anzulasten ist. Für jene, die mehr wissen wollen über jene unselige Zeit, in der sich die sowjetische Musik nicht frei entwickeln und entfalten konnte, ist die vorliegende CD dennoch ein hochinteressantes Dokument, das aber nicht mehr sein kann als es ist.
Aufnahmetechnisch ist die Produktion tadellos, das Booklet insgesamt zufriedenstellend, wenn man auch gerne mehr über die Genese der 'Russischen Maler' erfahren hätte (gar nicht zu sprechen von der Optimallösung einer Reproduktion der sieben ‚vertonten‘ Gemälde).
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Jurowski, Vladimir: Symphonie Nr. 5 |
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Label: Anzahl Medien: Spielzeit: Aufnahmejahr: |
cpo 1 73:46 2013 |
Medium:
BestellNr.: |
CD
761203787524 |
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Jurowski, Vladimir |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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