
Morgenstern Trio - Klaviertrios von Tailleferre, Fontyn & Ravel
Elaboriert
Label/Verlag: CAvi-music
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Klaviertrios von zwei nahezu Unbekannten und das Ravel-Trio: Das ist interessant und auch über weite Strecken ansprechend dargeboten. Doch den richtigen Kniff für Ravel finden die Musiker nicht.
Gerne wird behauptet, die Klaviertrioliteratur wäre keine sonderlich reiche. Natürlich entspricht dies nicht der Wahrheit; jenseits der üblichen Schlachtrösser gibt es genügend Entdeckenswertes, und es bedarf engagierter Musiker, die sich solcher Entdeckungen annehmen. Offenbar besitzt das Morgenstern Trio (2005 an der Essener Folkwang Universität der Künste gegründet) nur wenig von diesem Entdeckergeist, denn auch wenn hier zwei Raritäten eingespielt werden, bedurfte es der Empfehlung Kolja Lessings, überhaupt mit der Auseinandersetzung zu beginnen. Zwei der drei hier vorgestellten Werke stammen von Komponistinnen. Germaine Tailleferre (1892–1983) stand dem Kreis der Six nahe und war mit Maurice Ravel befreundet. Ihr 1916 begonnenes und erst 1978 beendetes viersätziges Trio beginnt ganz im Zeitgeist der Belle Époche gehalten, mit herrlich blühenden Melodien und spätimpressionistischer Harmonik. Das Material des zweiten Satzes ist von liedhafter Einfachheit, der Satz wie auch das folgende 'Moderato' weisen aber überdies Anleihen an die Musik des Jazz auf. Das Finale bietet einen lebhaften Abschluss mit lyrischerem zweitem Thema. Das Zusammenspiel von Stephan Hempel (Violine), Emanuel Wehse (Cello) und Catherine Klipfel (Klavier) ist tadellos, doch sind insbesondere die impressionistischen Elemente nicht ganz mit der gebotenen zurückhaltenden Emphase dargeboten, wie man es sich wünschen könnte (insbesondere die Violine trifft nicht ganz den erforderlichen Tonfall).
Jacqueline Fontyns (*1930) ebenfalls viersätziges Klaviertrio aus dem Jahr 1956 scheint den Musikern weit mehr zu liegen. Die belgische Komponistin nutzt Mittel der Dodekaphonie, ohne aber tonale Elemente komplett außen vor zu lassen. Die Komposition ist eine echte Entdeckung, voller Energie, Spritzigkeit und eigenem Charme (an Stelle des Scherzos mit einer Fuge).
Den Höhepunkt der CD bietet das berühmte a-Moll-Trio von Maurice Ravel (1914). Die Musiker bieten eine glutvolle Wiedergabe, voller Emotion und sorgsam ausgearbeitetem Ensemblegeist – doch auch hier wird der postimpressionistische Ton nicht recht getroffen. Teile des Kopfsatzes und der Passacaglia geraten fast schwülstig, das Scherzo teilweise fast überdruckartig expressiv (wenn nicht gerade Ravels unbändiger Witz in seiner ganzen Breite ausgespielt wird). Das impressionistische Finale wird mit größtmöglicher Durchsichtigkeit dargeboten (ein Lob an die Aufnahmetechnik), doch sobald es um Ausdrucksparameter geht, wird auch hier gelegentlich die Distanz der Musiker zu der Musik offenkundig. Ravel bedarf eben einer ganz bestimmten Art der Expression, die immer natürlich, nie gewollt, nie überfrachtet klingen darf. Man möchte den Musikern zurufen: Nicht so elaboriert, ihr Lieben!
Leider offeriert das Booklet lediglich bemüht informierte Äußerungen, insgesamt erschöpft sich der Text zumeist in Oberflächlichkeiten; zu offenkundig fehlte ein inspirierendes und korrigierendes Lektorat; der rote Faden, die Ravel-Rezeption durch zwei Komponistinnen, die den Komponisten verehrten, bleibt allzu dünn in der Ausführung. Der Text zum Ensemble selbst gerät zur mehr als nur peinlichen Werbebotschaft ohne informativen Wert (identisch mit der ‚Biographie‘ auf der Website des Ensembles).
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Morgenstern Trio: Klaviertrios von Tailleferre, Fontyn & Ravel |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
CAvi-music 1 13.03.2015 |
Medium:
EAN: |
CD
4260085533152 |
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