
Walton, William - Symphonie Nr. 2
Fragmentiert
Label/Verlag: Chandos
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Edward Gardner verwechselt mitunter expressiven Überdruck mit tiefgründigem Ausdruck und verliert mit Blick auf Klangschönheit die logische Strukurierung und den dramaturgischen Bogen aus den Augen. Wesentlich besser gefällt die Gestaltung des Solisten.
Edward Gardner ist bei Chandos einer der beiden Dirigenten, die sich mit SACD-Produktionen von bereits zuvor auf CD eingespielten Werken verewigen dürfen. Diese Eigenkonkurrenz zeigt zwar einerseits den Fortschritt aufnahmetechnischer Möglichkeiten (auch hier auf erfreulich hohem Niveau), doch muss sie sich auch hoch- und höchstkarätigen älteren Einspielungen stellen, statt (wofür Chandos früher berühmt und bewundert war) in gleichem Maße wie früher unbekanntes Repertoire zu erkunden.
In ihrer neuen Walton-Reihe sind hier nun drei wichtige Werke der späten Schaffensphase zusammengefasst, die 'Improvisations on an Impromptu of Benjamin Britten' (1967-70), das Cellokonzert (1955-57) und die Zweite Sinfonie (1957-60). Was von den ersten Takten der SACD auffällt, ist die klangsinnlich-brillante Komponente, die in André Previns früher Einspielung längst nicht so stark ausgeprägt war. Was aber auch auffällt, ist ein überraschender Mangel an echter Präzision. Gerade bei den rhythmisch höllisch schwierigen 'Improvisations on an Impromptu of Benjamin Britten' sind die einzelnen Klanggruppen nicht immer exakt zusammen, manche Klangfigurationen nicht exakt ausmusiziert. Dafür hebt Gardner den Schlagzeugapparat stärker hervor, der bei Previn Teil eines Ganzen war, hier teilweise fast separiert wirkt.
Doch auch jenseits der rein spieltechnischen Aspekte bleibt Gardners Zugriff seltsam unverständig. Manche Steigerung in den Britten-'Improvisations' bleibt etwas eckig abgelesen, nicht dramaturgisch klug gesteigert. Mit äußerlicher Virtuosität (die gleichfalls nicht ganz überzeugt) kommt man der Musik ebenso wenig bei wie mit Hervorhebung der Britten-Bezüge. Waltons musikalisches Idiom kommt nicht wirklich zum Vorschein, das Werk wirkt einerseits veräußerlicht, andererseits immer wieder formal unausgewogen weil fragmentiert.
Waltons Cellokonzert hat eine spannende Entstehungsgeschichte – nachträglich komponierte der Komponisten für den Uraufführungsinterpreten Gregor Piatigorsky eine neue Kadenz, die bis heute nicht eingespielt worden ist. Gerade da Chandos sich einer Walton-Gesamtedition verschrieben hatten, wäre es opportun gewesen, bei einer Neueinspielung diese Variante einmal mit zu berücksichtigen. Nichts davon hier – nicht einmal im (ohnehin eher schwächlichen) Booklet. Paul Watkins versucht Gardners erratischen Zugriff zur Partitur vergessen zu machen, eine expressive Interpretation abzuliefern, die aber in manchen Stellen zu expressiv und zu wenig ausdrucksstark gerät: Auch hier wird starker Druck mit tief empfundener Emotion verwechselt. Immerhin sind Watkins‘ Phrasen sorgsam durchgestaltet, leuchten herrlich. Vor allem aber lässt Gardner die wichtigen Linien immer wieder durch Nebengedanken überwuchern und verliert das eigentliche Konzept des Werkes aus den Augen. Sicher tut das BBC Symphony Orchestra genau, was von ihm gefordert wird, doch wird es hier geleitet von einem Dirigenten, der hoffnungslos überschätzt wird, insbesondere von der britischen Presse. Immer wieder gelingen Watkins und dem Orchester Momente von berückender Schönheit, das ist keine Frage (besonders Teile des Scherzos ‚sitzen‘), doch wird nicht durchgängig die Essenz des Werkes herausgearbeitet.
Mit seiner Zweiten Sinfonie hat Walton lange gerungen, weit mehr noch mit einer Dritten Sinfonie. Gardner bietet eine brillante Lesart, in der das Orchester pointierter musiziert als in den Britten-'Improvisations'. Doch auch hier stimmen ein paar Tempi nicht ganz, nicht zuletzt weil der Dirigent die klanglichen Schönheiten der Musik ausspielen will. Hierdurch geht (dies war schon bei den Walton-Einspielungen von Paul Daniel zu beobachten) die sorgsam durchgearbeitete musikalische Logik der Komposition etwas verloren. Ausgesprochen ‚spirited‘ (ein wenig à la Bernsteins 'Candide') gerät der Kopfsatz bei Gardner insgesamt – doch fehlt hierdurch die tiefgründige Komponente, die die Sinfonie ebenfalls enthält. Zwar etwas äußerlich, aber emotional gesteigert erweist sich der langsame Satz, ehe die abschließende Passacaglia mit einem Zwölftonthema eröffnet wird – hier aber nicht dramaturgisch konsequent, sondern als besonderes musikalisches Highlight. So fehlt der Sinfonie (trotz der durchaus spannungsvollen Gesamtdarbietung) eine innere Kohäsion, die die Interpretation mit den besten des Werkes mithalten ließe.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Walton, William: Symphonie Nr. 2 |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Chandos 1 06.03.2015 |
Medium:
EAN: |
SACD
095115515327 |
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Chandos Chandos Records was founded in 1979 by Brian Couzens and quickly established itself as one of the world's leading classical labels. Prior to forming the label, Brian Couzens, along with his son Ralph, worked for 8 years running a mobile recording unit recording for major labels (including RCA, Polydor, CFP, etc.) with many of the world's leading artists.
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