
Woyrsch, Felix - Sinfonie Nr. 3 op. 70
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Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Das orchestrale Böcklin-Triptychon von Felix Woyrsch lädt zum Vergleich mit Zeitgenossen an, die sich von Böcklin ebenfalls inspirieren ließen. Woyrisch kommt da nicht schlecht weg. Nicht ganz so interessant ist seine Dritte Sinfonie.
Die verdienstvolle Woyrsch-Reihe aus Oldenburg unter dem ehemaligen dortigen Musikdirektor Thomas Dorsch bietet diesmal neben der wichtigen 1928 vollendeten Dritten Sinfonie eine Komposition, wie sie damals nicht nur im deutschsprachigen Raum absolut in Mode war: 'Drei Böcklin-Phantasien' op. 53. Ob Heinrich Schulz-Beuthen, Hans Huber auf der einen, Sergej Rachmaninoff und Max Reger auf der anderen Seite, viele Komponisten der Zeit ließen sich durch den symbolistischen deutschen Maler Arnold Böcklin inspirieren. Die drei Sätze 'Die Toteninsel', 'Der Eremit' und 'Im Spiel der Wellen' waren ursprünglich nicht als in sich geschlossenen Komposition gedacht, wurden vielmehr erst im Laufe ihrer Entstehung 1910 zu einem Triptychon gebündelt. Dass Rachmaninoff und Reger dieselben Gemälde Böcklins zur Vorlage nehmen, ist auffallend und lädt zu Vergleichen ein. Die Farben, die Woyrsch in der 'Toteninsel' erkundet, sind im Grunde zwar konventionell hergeleitet, doch nicht ohne beachtliche evokative Kraft. Obschon keiner der drei Sätze überlang ist, vermittelt uns der Komponist eine große Spannweite an Stimmungen. Der ätherische Tonfall von 'Der [geigende] Eremit' (mit Violinsolo – leider wird der Solist im Booklet nicht genannt) betont nicht zuletzt eine transzendente Komponente, lässt aber auch nicht die in Böcklins Gemälde heute fast als störend empfundenen Putti außen vor. Damit nicht genug – ein choralartiges Thema ergänzt das Stimmungsspektrum des Satzes. Das abschließende 'Im Spiel der Wellen' verbindet Elemente von Wagner bis zum Impressionismus, kombiniert gleichzeitig Scherzo- und Finalfunktion (ungewohnter Weise verschwindet die Musik in einem scherzhaften Nichts) und führt das Werk so zu einem mehr als nur überzeugenden Abschluss. Bis zum Ersten Weltkrieg war das Triptychon im Konzertleben recht erfolgreich, ehe jener scharfe Einschnitt neben so vielem anderen in der Welt auch die ästhetischen Maßstäbe radikal veränderte.
Die Dritte Sinfonie in Es-Dur op. 70 ist ein beachtliches, für die Zeit nicht mehr ganz zeitgemäßes Werk, auch wenn Woyrsch versucht, mit zeitgemäßer Harmonik zu arbeiten, ohne atonal zu werden. Der kraftvolle, umfangreiche Kopfsatz zeigt sorgfältige Konstruktion und eigenen Charakter, auch wenn einige Momente von Bruckner hergeleitet scheinen mögen, andere Momente gleichwohl eher Nielsen oder Havergal Brian verwandt scheinen. Das Scherzo besitzt zeitweise den Charakter (wenn auch nicht die Form) eines Perpetuum mobile, für das zweite Trio scheint Reger Pate gestanden zu haben. Der tief empfundene langsame Satz zeichnet sich abermals durch schweifende Harmonik aus, ehe ein energiegeladenes, wenn auch nicht exuberantes Finale die Sinfonie befriedigend, aber nicht überragend beschließt. Möglicherweise hatte Woyrschs intensive Befassung mit Kammermusik zur Zeit der Entstehung die Möglichkeiten, die die zeitgenössischen Sinfonie hätte bieten können (formal, harmonisch und selbst instrumentatorisch), einen noch erfolgreicheren Beitrag zur Gattungsgeschichte verhindert – was nicht heißen soll, dass die Sinfonie etwa schlecht konstruiert oder musikalisch uninteressant wäre.
Das Oldenburgische Staatsorchester unter Thomas Dorsch lässt der Musik eine sorgfältige Interpretation angedeihen. Wo die Musik Defizite mit sich bringt, können auch die Musiker keine Wunder wirken. Der Klang ist brillant, fein ausschattiert und gut ausbalanciert; dass die Blechbläser an manchen Stellen fast zu scharf kommen, wäre fast der einzige Kritikpunkt (und gerade in der Sinfonie haben sie recht viel zu tun). CPO bietet mal wieder ansprechende, teilweise auch richtiggehend spannende Musik. Der Booklettext ist diesmal etwas zu ausführlich, dadurch zu wenig pointiert geraten – was aber auf jeden Fall bedeutet, dass man sich nach der Lektüre umfassend informiert fühlt. Es gibt Schlechteres.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Woyrsch, Felix: Sinfonie Nr. 3 op. 70 |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
cpo 1 22.01.2015 |
Medium:
EAN: |
CD
761203792320 |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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