
Haydn, Michael - Sämtliche Streichquintette
In der Salle de musique
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Michael Haydns Streichquintette verlieren sich in der volumenreichen Akustik des Salle de musique im Salzburger Palais Kuenberg.
Michael Haydns Streichquintette werfen als Kammermusikwerke im Gattungskontext teilweise durchaus Probleme auf, entstanden sie doch in einer Zeit des Umbruchs, als die Gattung des Streichquintetts vor allem durch Luigi Boccherini gerade erst etabliert wurde. Während aber Boccherini und Cherubini (später auch Schubert, Onslow und selbst Goldmark und Gouvy) ein zweites Cello zur Streichquartettbesetzung fordern, ergänzt bei Michael Haydn, Mozart, Beethoven und später Spohr, Ries oder Mendelssohn Bartholdy eine zweite Viola die Besetzung. Die Gattungsproblematik bei Haydn ergibt sich aus frühen Quellen, in denen die beiden frühen Quintette als Notturni bezeichnet werden, die späten zwei als Divertimenti (und damit einer chorischen Ausführung durchaus offen wären). Nur das 1784 entstandene dritte der fünf Quintette ist neutral als ‚Quintetto‘ bezeichnet, dessen früheste Quelle aber ein tiefes F im ‚Contrabasso‘ fordert, was bedeuten könnte, dass hier ein fünfsaitiger sogenannter Wiener Kontrabass zum Einsatz kommen sollte. Spätere Quellen fordern durchgängig ein Violoncello, und dem folgt auch die vorliegende, historisch informierte Einspielung.
Haydns fünf Quintette lassen sich in drei Gruppen einteilen; die zwei ersten entstanden 1773, die zwei letzten 1786. Die beiden ‚Notturni‘ sind viersätzig und vom emotionalen Gehalt durchaus zeitgenössisch. Das ebenfalls traditionell viersätzige ‚mittlere‘ Quintett ist von typischer Faktur der Wiener Klassik, wenn auch nicht ganz auf der kompositorischen Höhe eines Mozart oder Joseph Haydn. Die letzten beiden Quintette (die sogenannten Divertimenti) sind sechs- bzw. siebensätzig, mit jeweils einem Variationensatz an vierter Stelle. Mit ihnen greift Michael Haydn eine Gattung auf, die Mozart zu diesem Zeitpunkt schon hinter sich gelassen hatte, doch versucht er diese mit den Möglichkeiten des ‚modernen‘ Streichquartetts zu verschmelzen, so dass es hier zu ausgesprochen interessanten musikalischen Strukturen kommt, jeweils mit Adagiosätzen von großer Tiefe, gleichzeitig je zwei Menuettsätzen.
Das Salzburger Haydn-Quintett (Hiro Kurosaki, Frank Stadler, Herbert Lindsberger, David Glidden, Josetxu Obregón) versucht den Kompositionen Wärme und Charme zu verleihen, doch scheint dem der Aufnahmeort entgegenzustehen, das Palais Kuenberg in Salzburg, in dessen ‚Salle de musique‘ die fünf Musiker fast verloren wirken (was sicher vor allem von der Aufnahmetechnik zu verantworten ist). Doch bleibt auch sonst der Ensembleklang weit weniger rund (nicht zuletzt weil der Primarius gelegentlich etwas zu hervorgehoben zu hören ist), auch wenn etwa das ‚Echo-Adagio‘ des ersten Quintetts besonderen Effekt macht – überhaupt sind die ruhigeren Momente die gelungensten der Einspielung. Insgesamt aber wirken die fünf Musiker nicht wie ein Ganzes, sondern bleiben fünf Individuen. Auch dies mag der überaus raumgreifende Aufnahmeklang mit zu verantworten haben, der in großen, wenig möblierten Wohnzimmern durchaus den rechten Widerhall haben mag, nicht aber in eher kleinen Räumen; hier wirken Einspielung und Klangerlebnis nicht harmonisch zusammen. Ein äußerst informatives Booklet kann die Einspielung leider nicht insgesamt noch auf allererstes Niveau heben.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Haydn, Michael: Sämtliche Streichquintette |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
cpo 2 26.01.2015 |
Medium:
EAN: |
CD
761203790722 |
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Haydn, Johann Michael |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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