
Graener, Paul - Klavierkonzert op. 72
Leichtfüßig
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Alun Francis erweist sich auch hier als Spezialist für das nicht Einfache und verhilft Graeners unterschiedlich dichter Musik zu bester Wirkung.
Länger hatte ich vom Dirigenten Alun Francis nicht gehört, umso mehr freut mich die hochkarätige Neuveröffentlichung in Sachen Paul Graener. Das Klavierkonzert a-Moll op. 72 erschien 1925 im Druck und wurde 1926 in Hagen uraufgeführt. In dem Werk spielt Graener gekonnt mit dem Idiom der Zeit, verbindet ‚moderne’ tonale Harmoniegestaltung und lebendige kontrapunktische Struktur mit brillantem, ansprechendem und anspruchsvollem Klaviersatz. Der motorisch reich bewegte Kopfsatz wird gefolgt von einem gesanglich geprägten, dem Kitsch gefährlich sich nähernden 'Adagio', ehe ein robuster Schlusssatz mit böhmischem Einschlag das attraktive Werk charmant abrundet. Oliver Triendl hat die nötige leichte Hand (herrlich die Girlanden etwa im Finale), wo erforderlich auch den genügend kraftvollen Zugriff, ohne je brutal oder unelegant zu werden, und ist damit ganz auf einer Linie mit Francis, der Graeners Idiom auf das Glücklichste musikalisch umsetzt.
Die vermutlich 1905-8 entstandene, einsätzige 'Symphonietta' op. 27 für Streichinstrumente und Harfe zeigt einen ganz anderen Teil von Graeners musikalischer Persönlichkeit, das Filigran-Differenzierte, die leisen Töne. Hier schlägt er interessanterweise eine enge Brücke etwa zu dem Engländer Frank Bridge. In London fand 1918 die früheste bekannte Aufführung statt, an dem Ort, wo gut dreizehn Jahre zuvor Graeners Sohn Heinz im Alter von acht Jahren verstorben war. Die warmen Farben der Saiteninstrumente evozieren in fast zwanzig Minuten eine veritable zärtliche Elegie für den Frühverstorbenen, Strauss‘ 'Metamorphosen' vom Gestus durchaus vergleichbar, wenn auch nicht ganz so expressiv, sondern vielmehr verhaltener, dennoch kaum weniger zu Herzen gehend.
1932 erschienen die 'Drei schwedischen Tänze' op. 98 im Druck, eine Komposition des teilweise bewussten Rückgriffs auf nicht nur volkstümliche Melodik à la Dvorák oder Brahms, sondern auch auf die damals als exotisches Stilmittel eingesetzten neobarocken Formgestalten. Auch hier sind Francis und das Münchner Rundfunkorchester überzeugende Sachwalter des wegen seiner politischen Positionen bis heute umstrittenen Komponisten, dessen musikalische Fähigkeiten aber außer Frage stehen.
Das 1924 uraufgeführte fünfsätzige 'Divertimento' op. 67 für kleines Orchester komplettiert die attraktive CD. Abermals ist die Komposition durchaus typisch für ihre Zeit, sowohl in ihrem Rückgriff auf die Idee der Divertimento-Form und den teilweise nachgerade neoklassischen Duktus der Musik, dem man nur mit sicherer Hand und feinem Gespür angemessen seinen Eigencharakter bewahrt. Alun Francis, der Spezialist für das nicht Einfache, ist auch hier in seinem Element und zeigt gerade in dieser scheinbar so einfachen Musik gleich mehrere Wege der Musikgeschichte in die tonale Musik des 20. Jahrhunderts auf, in die Filmmusik wie die neue Einfachheit der Weimarer Republik gleichermaßen.
Ein ausführlicher, äußerst informativer Booklettext (nur mit einem leider nicht ganz glücklich reproduzierten Foto) und beste BR-Aufnahmequalität runden die exemplarischen Einspielungen zu einem überzeugenden Ganzen.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Graener, Paul: Klavierkonzert op. 72 |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
cpo 1 26.01.2015 |
Medium:
EAN: |
CD
761203769728 |
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Graener, Paul |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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