
Fahrende Gesellen - Werke von Debussy, Zemlinsky, Busoni u. a.
Exotischer Klangreiz
Label/Verlag: Passacaille
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Das Ensemble Oxalys glänzt mit Bearbeitungen, die für Schönbergs "Verein für musikalische Privataufführungen" entstanden. Enttäuschend ist aber leider der Bariton Dietrich Henschel.
Diese Platte verdankt ihre Existenz den Misserfolgen Arnold Schönbergs in den 1910er Jahren. Entgegen der verbreiteten Auffassung waren die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts nämlich keineswegs die Zeit der Atonalität: Arnold Schönbergs Werke wurden nach wenigen, völlig missglückten Versuchen zunächst überhaupt nicht mehr aufgeführt, die Reaktionen der Kritik waren nicht etwa nur negativ, sondern sein Name tauchte in der Presse quasi gar nicht mehr auf. Kaum ein Komponist hätte daher auch nur im Traum daran gedacht, Schönbergs Beispiel zu folgen.
Auch Schönberg selbst war frustriert von seiner Lage, daher gründete er in Wien den ‚Verein für musikalische Privataufführungen’. Die Idee: Wenn für seine Werke öffentliche Aufführungen nicht zu erreichen waren, sollten sie eben im privaten Kreis gespielt werden. Und nicht nur das: Um ganz sicher zu gehen, waren nach den Aufführungen Äußerungen des Missfallens streng verboten, ebenso allerdings auch Beifall. Eine kurioses und in der Musikgeschichte wohl einmaliges Unterfangen, und doch heute interessant. Denn nicht nur Schönbergs Werke wurden im Verein gespielt, sondern auch die Werke anderer Zeitgenossen bzw. Komponisten der jüngeren Vergangenheit, und die wurden, sofern es sich um Orchesterwerke handelte, von Schönberg selbst oder anderen Mitgliedern des Vereins arrangiert, für aparte kammermusikalische Besetzungen.
Kernstück der vorliegenden Platte nun sind solche Bearbeitungen der 'Lieder eines fahrenden Gesellen' Gustav Mahlers und der 'Maeterlinck-Lieder' von Schönbergs Lehrer Alexander Zemlinsky. Das (ausführliche, aber etwas holprig verfasste) Beiheft zitiert Schönbergs Schüler Alban Berg mit den Worten: ‚Es ist nämlich auf diese Weise möglich, moderne Orchesterwerke – aller Klangwirkungen, die nur das Orchester auslöst, und aller sinnlichen Hilfsmittel entkleidet – hören und beurteilen zu können.’ Nach dem Hören der neuen Platte kommt man in der Beurteilung nicht umhin, Berg ganz entschieden zu widersprechen: Die Werke sind keineswegs sinnlicher Hilfsmittel entkleidet, die Bearbeitungen entfalten im Gegenteil einen ganz neuen, exotischen und überaus bezaubernden Klangreiz. Denn Schönberg und seine Kollegen arrangierten die Werke für ein Ensemble, das neben Streichern, Holzbläsern und Klavier zum Beispiel die Harfe und das Harmonium mit einbezog. Der subtile Reiz dieser sogar sehr sinnlichen Bearbeitungen kommt in der Interpretation durch das Ensemble Oxalys hervorragend zur Geltung. Die Lieder werden interpretiert durch den Bariton Dietrich Henschel, der leider eine erstaunlich schlechte Figur macht. In technischer Hinsicht ist seine Leistung unzulänglich, besonders mit seiner Bewältigung der höheren Lagen kann man kaum zufrieden sein. Zumindest für die Lieder von Mahler/Schönberg gibt es eine stimmlich wesentlich überzeugendere Fassung von Christian Gerhaher.
Etwas unmotiviert enthält die Platte auch zwei Sätze für Streichquintett von Alexander Zemlinsky, die so recht nicht in das Konzept passen, da es sich um die einzigen Werke der Platte handelt, die in ihrer Originalgestalt daherkommen. Umso reizvoller sind die beiden verbleibenden Werke ohne Gesang: Debussys berühmtes 'Prélude à l’après-midi d’un faune' und eine elegische 'Berceuse' von Ferruccio Busoni, bearbeitet von Benno Sachs bzw. Erwin Stein.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Fahrende Gesellen: Werke von Debussy, Zemlinsky, Busoni u. a. |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Passacaille 1 05.01.2015 |
Medium:
EAN: |
CD
5425004140081 |
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Passacaille Das belgische Label PASSACAILLE wurde 1995 gegründet und sollte von Anfang an eine Plattform für hochrangige belgische Künstler der historischen Aufführungspraxis sein. Das Barockorchester il Fondamento mit seinem Leiter Paul Dombrecht und der Hammerklavierspezialist Jan Vermeulen gehörten zu den ersten, die für das Label aufnahmen. Später erweiterte sich der Künstlerkreis um weitere prominente Namen wie Wieland Kuijken oder das Ensemble Octophorus. Bald erhielten die Aufnahme internationale Preise, was als zusätzlicher Anreiz gesehen wurde, sich im künstlerischen Bereich auch internationalen Künstlern und Ensembles zu öffnen. Ab 2000 begann die Zusammenarbeit mit Künstlern aus verschiedenen europäischen und transatlantischen Ländern. 2006 übernahm der belgische Traversflötist und Musikwissenschaftler Jan de Winne das Label und erweiterte den Künstlerkreis des Labels erneut um international renommierte Künstler wie zum Beispiel Graham O'Reillys Ensemble Européen William Byrd und Lorenzo Ghielmis Ensemble La Divina armonia, das hier erst kürzlich eine fulminante Aufnahme von Händels Orgelkonzerte Op.4 vorgelegt hat. Als weitere Neuzugänge seien noch der brasilianische Cembalist Nicolau de Figueiredo, der Cellist Sergei Istomin und der Fortepianist Alexei Lubimov zu nennen. Im Rahmen der Neuorganisation des Labels möchte Jan de Winne den bewährten ursprünglichen Schwerpunkt Alter Musik in historischer Aufführungspraxis beibehalten, aber auch nach und nach Musik späterer Epochen in das Programm integrieren. Mehr Info... |
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