
Szymanowski, Karol - Violinkonzerte Nr. 1 & 2
Emphatischer Tonfall
Label/Verlag: ORFEO
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Ihre neueste CD widmet die Geigerin Baiba Skride dem polnischen Komponisten Karol Szymanowski.
Nach ihren letzten CDs mit den Violinkonzerten Robert Schumanns (2013) sowie mit den Violinkonzerten Igor Strawinskys und Frank Martins (2012) hat die Geigerin Baiba Skride – erneut beim Label Orfeo – eine weitere lohnende Produktion herausgebracht. Im Zentrum stehen diesmal, sekundiert von dem aufmerksam und klar agierenden Oslo Philharmonic Orchestra unter Leitung von Vasily Petrenko, die beiden Violinkonzerte des polnischen Komponisten Karol Szymanowski, die sich während der vergangenen zwei Jahrzehnte erfreulicherweise zunehmend zu zentralen Repertoirewerken vieler Geiger entwickelt haben.
Dem Violinkonzert Nr. 1 op. 35 (1916), einem Werk, das sich vor allem durch die Abfolge unterschiedlicher, klanglich definierter Atmosphären auszeichnet, nähert sich Skride mit einer für sie typischen Formung des Violintons an: Bereits die Kantilene nach dem Eingangstutti weist eine warme Tongebung auf, die zur Emphase neigt. Einerseits sorgt die Geigerin im Folgenden mit feinen Abstufungen des Vibratos dafür, dass dieser Tonfall nicht ins Kitschig-Süßliche umschlägt; andererseits gibt sie aber auch dort, wo das Orchester in lyrischen Ausbrüchen schwelgt, ihrem Hang zur intensiven Tonfülle nach. Dies passt sehr gut zur wellenförmigen Steigerungsanlage des Werkes, die schließlich in die groß angelegte Kadenz führt.
Im Violinkonzert Nr. 2 op. 61 (1932) reichert Skride ihr Spiel zwar – entsprechend Szymanowskis Strategien, bei der Konzeption auf Spieltechniken folkloristischen Musizierens zurückzugreifen – mit etwas stärkeren Graden von Rauigkeit an; doch hält sie sich dabei erstaunlicherweise zurück und kehrt stattdessen auch diesmal die lyrische Seite der Musik nach außen. Diese Entscheidung führt letzten Endes dazu, dass sich der solistische Tonfall des kompositorisch doch ganz anderen Werkes nur marginal von demjenigen seines 16 Jahre zuvor komponierten Vorgängers unterscheidet und gewisse Ausdrucksnuancen der Musik etwas an den Rand gedrängt werden. Dadurch wirkt in diesem Fall der Hang der Geigerin zum emphatisch-volltönenden Aussingen der Melodiephrasen mitunter leicht forciert, weil ihm das musikalische Gegengewicht fehlt.
Eine gute Entscheidung ist es, dass Baiba Skride – diesmal im Duo mit ihrer Schwester Lauma – den beiden Violinkonzerten Szymanowskis zauberhafte 'Mythen' op. 30 (1915) gegenüberstellt. Die beiden Musikerinnen beweisen hier, dass sie den richtigen Klangsinn für diese drei zerbrechlichen Stücke besitzen: Fast skizzenhaft agieren sie an einigen Stellen, und die zarte Tongebung, mit der die Geigerin etwa den gedämpften Passagen des Eingangsstücks 'La Fontaine d’Aréthuse' und das um klangliche Symmetrien kreisende Folgestück 'Narcisse' zeichnet, zeugt von einem sehr sensiblen Zugang. Gewitzt steigt die Violine dagegen mit leicht geschärften Vierteltontremoli in das das abschließende 'Dryades et Pan' ein, und quirlig webt die Pianistin ihre Tonkaskaden um den figurenreichen Violinpart. Wie sich die Schwestern hier gegenseitig antreiben, bevor die zarte Flageolettkadenz die Ruhe wieder herstellt und das Aufschaukeln von Neuem beginnt, ist schon sehr überzeugend.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Szymanowski, Karol: Violinkonzerte Nr. 1 & 2 |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
ORFEO 1 25.08.2014 |
Medium:
EAN: |
CD
4011790873121 |
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ORFEO Erschienen die ersten Aufnahmen des 1979 in München gegründeten Labels noch in Lizenz bei RCA und EMI, produziert und vertreibt ORFEO seit 1982 unter eigenem Namen. Durch konsequente Repertoire- und Künstlerpolitik konnte sich das Label seit seinem aufsehenerregenden Auftritt am Anfang der Digital-Ära dauerhafte Präsenz auf dem Markt verschaffen. Nicht nur bekannte Werke, sondern auch weniger gängige Musikliteratur und interessante Raritäten - davon viele in Ersteinspielungen - wurden dem Publikum in herausragenden Interpretationen zugänglich gemacht. Dabei ist es unser Bestreben, auch mit Überraschungen Treue zu klassischer Qualität zu beweisen.
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