
Juon, Paul - Symphonie op. 23
Reizvolle Orchesterfarben vom Kammermusiker
Label/Verlag: Sterling
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Christof Escher dirigiert das Moskauer Symphonieorchester und zwei Werke von Paul Juon. Dessen Stil ist in der 'Wächterweise' und der Symphonie A-Dur zwar noch nicht voll ausgereift, dennoch gibt es schon hier überraschende und faszinierende Klangfarben.
Selten lassen die ersten Sekunden einer Einspielung derart aufhorchen: Es beginnen die Röhrenglocken, nach vier Schlägen setzt die Harfe ein, beide solistisch. Womöglich ist Paul Juons 'Wächterweise' nach dänischen Volksliedern das einzige Werk, das so beginnt. Auch weiterhin ist die Einleitung äußerst reizvoll orchestriert, und das bei einem Komponisten, der in seiner notorisch bescheidenen Art seine instrumentatorischen Fähigkeiten selbst im Alter noch anzweifelte.
Diese 'Wächterweise' schrieb er früh, unmittelbar nach 1900, und sie erklingt nun das erste Mal auf Platte. Juon verarbeitet den Glockenschlag, den er von der Rathausuhr in Kopenhagen abgelauscht hat, sowie vier dänische Volkslieder. Dabei war er selbst gebürtiger Russe, der den Großteil seines Lebens als Kompositionsprofessor in Berlin und seinen Ruhestand in der Schweiz verbrachte. Vielleicht wird seine Musik tatsächlich langsam wiederentdeckt. Allein in diesem Winter erscheinen wenigstens drei CDs, die ganz oder teilweise seinen Werken gewidmet sind, und die vorliegende Platte mit der 'Wächterweise' und der ebenfalls nie zuvor aufgenommenen Zweiten Symphonie in A-Dur trägt den verheißungsvollen Vermerk ‚Orchestral works, vol. 1’.
Interpretiert wird Juons Musik hier von Christof Escher am Pult des Moskauer Symphonieorchesters. Das spielt sehr klangschön und bringt die hier und dort an Rimsky-Korsakow erinnernden Klangfarben der 'Wächterweise' voll zur Geltung. Die technische Qualität der Aufnahme hängt dafür hinter aktuellen Standards etwas zurück. Zwar klingt die Platte beileibe nicht schlecht, doch die Brillanz wirklich erstklassiger Aufnahmen erreicht sie nicht; dafür ist sie zu wenig plastisch. Das relativiert leider ein wenig die Wirkung der Stücke. Eigenartig scheint auch das für ein Adagio einigermaßen rasche Tempo des mit 'Romanze' überschriebenen dritten Satzes. Gleichwohl gelingen dem Orchester auch hier immer wieder bezaubernde Wirkungen.
Juons Symphonie ist ebenfalls ein frühes Werk und entstand, bevor Juons Stil zu voller Reife gelangen und in die Moderne vorstoßen sollte. Man hat Juon stets Einflüsse von Brahms nachgesagt, und auch wenn das für sein späteres Schaffen meist unangebracht scheint – hier treten sie tatsächlich noch einigermaßen deutlich zu Tage. Besonders das Orchester klingt immer wieder mal wie bei Brahms, und Juon beschränkt sich im Grunde auf dessen Orchesterbesetzung, erweitert lediglich um Piccoloflöte, Englischhorn und Harfe. Schon hinter Bruckners Orchester bleibt er also zurück, und ein Vergleich zu seinen Zeitgenossen Gustav Mahler oder Richard Strauss bietet sich schon gar nicht an. Eher schon schimmern Tschaikowsky oder wiederum Rimsky-Korsakow hier und da durch. Das Werk dauert gute 40 Minuten und ist anspruchsvoll gestaltet durch thematische Verknüpfung aller vier Sätze, durch strenge Formen wie Passacaglia und Doppelfuge.
Sowohl die 'Wächterweise' als auch die Symphonie gehören zwar nicht zu den stärksten Werken Juons, der seine Meisterwerke im Bereich der Kammermusik schuf. Dennoch darf man gespannt sein auf künftige Veröffentlichungen.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Juon, Paul: Symphonie op. 23 |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Sterling 1 10.01.2014 |
Medium:
EAN: |
CD
7393338110323 |
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Sterling Sterling is a record label specialising in orchestral music from the Romantic era, founded by Bo Hyttner. Most of the CDs released by Sterling contain previously unrecorded works. After setting out with Swedish romantics, Sterling is now spreading out towards the musical heritage of other European countries. In Sweden, the label is represented through CDA.
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