
Childs, David - The Symphonic Euphonium
Warm geblasen
Label/Verlag: Chandos
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Der phänomenale Solist David Childs präsentiert konzertante Werke für Euphonium. Das Ergebnis ist faszinierend, nicht zuletzt wegen der idiomatischen Orchesterbegleitung durch das BBC National Orchestra of Wales.
Es gibt Musikinstrumente, von denen kann man sich nur in bestimmten Ländern Solokonzertkompositionen vorstellen. Ein solches Instrument ist das Euphonium, eine Art Tenortuba, die vor allem im Blech- und Militärmusikwesen gebräuchlich ist. Kunstmusikkompositionen für solche Instrumente sind wegen des hohen Stellenwertes von Blechblas- und Militärmusikkapellen nahezu ausschließlich in Großbritannien denkbar. Als Vorgänger des Euphoniums gilt der Serpent, den Händel in seiner 'Feuerwerksmusik' verwendete und der dicht gefolgt wurde von der Ophikleide, der u.a. Berlioz in der 'Symphonie fantastique' eine prominente Rolle zuwies. Das Euphonium verfügt im Gegensatz zu Serpent und Ophikleide über einen ausgesprochen warmen Klang, der zwar über nicht ganz so viele Farben wie ein Horn verfügt, der vom Timbre aber durchaus einzigartig ist und so der Instrumentenpalette eine durchaus eigene Komponente hinzufügt.
Zu den ersten Solokompositionen für Euphonium gehört Joseph Horovitz‘ (*1926) Konzert für Euphonium und Kammerorchester (1972). Horovitz, zumeist bekannt für Musik entweder der leichteren Muse (etwa für TV-Trailer) oder für Gebrauchsmusik im besten Sinne des Wortes (er war Schüler des legendären Gordon Jacob), präsentiert den warmen, durchaus der Virtuosität fähigen Klang des Instruments in eher konservativer Harmonik. Obschon in damaliger Zeit ein absoluter Vorreiter, klingt sein Euphoniumkonzert heute durchaus in die Jahre gekommen – gleichwohl ist das Werk (mit herrlichen lyrischen Momenten im langsamen Satz) auch heute noch ein ausgesprochen erfolgreiches Vehikel für den Solisten. Höhepunkt des Werkes ist das überbordende Finale, das nicht nur den Solisten an die Grenzen seiner Möglichkeiten bringt, sondern auch rhythmisch und harmonisch der abwechslungsreichste der drei Sätze ist.
Derselben Generation wie Horovitz gehörte der Waliser Alun Hoddinott (1929–2008) an (nach ihm ist der Konzertsaal in Cardiff benannt, in dem diese CD eingespielt wurde), dessen Euphoniumkonzert 'The Sunne Rising – The King Will Ride' aus dem Jahre 2002 die beeindruckende Opuszahl 182 trägt. Das durchkomponierte Werk in sechs Abschnitten präsentiert Hoddinotts musikalische Phantasie auf dem Höhepunkt – die Harmonik ist freitonal, aber immer wieder sehr gesanglich, das Werk bietet hochinteressante orchestrale Texturen, auch immer wieder ein enges Konzertieren zwischen Soloinstrument und einzelnen Orchesterinstrumenten oder -instrumentengruppen. Hier offenbaren sich sämtliche Qualitäten der hier vorliegenden Einspielung. Der Solist David Childs (der die Komposition in Auftrag gegeben hatte) und das BBC National Orchestra of Wales unter Leitung von Bramwell Tovey zeigen sich der anspruchsvollen Komposition rundum gewachsen, lassen Farben und Texturen erblühen und verleihen dem sperrigen, teilweise äußerst lyrisch geprägten, insgesamt äußerst effektvollen Werk klares Profil. Der Untertitel der Komposition (eine Entlehnung aus John Donne) spielt unterschwellig mit dem Status des Solisten, dessen Vater auch bereits ein eminenter Euphoniumspieler gewesen war.
Für eben diesen Vater von David Childs komponierte Philip Wilby (*1949) 1994-5 sein Konzert für Euphonium, das er 2000 für Euphonium und Orchester einrichtete. Seine vier Sätze sind auf zwei Teile verteilt. Wilby ist von seiner harmonischen Ausrichtung deutlich näher an Horovitz als an Hoddinott (die Komposition ist ähnlich stark tonal gebunden), vor allem aber spürt man bei dem Werk auch die Herkunft aus der Blechblasmusik. Beide Teile der Komposition sind jeweils in der grundsätzlichen Tempoanordnung Langsam–Schnell, der zweite Satz ist ein exaltierter griechischer Tanz, an dessen Schluss Teller zerschmissen werden, der dritte Satz ein genuiner langsamer Satz mit herrlicher Melodiebildung und ‚schmalziger’ Harmonik, ehe eine Kadenz ins schmissige fugierte Finale überleitet.
Erst 2009 entstand das Euphoniumkonzert von Karl Jenkins (*1944), einem hierzulande vor allem für seine kirchenmusikalischen Chorwerke bekannten Komponisten, dessen Name sich noch nicht nachhaltig international verbreitet hat, nicht zuletzt weil seine Musik nahe an der äußerst effektvollen, virtuosen leichten Muse angesiedelt ist – Musik, die es außerhalb der britischen Inseln in Konzertsälen eher schwer hat. Ganz ohne Frage ist Jenkins‘ Konzert ausgesprochen witzig, musikalisch äußerst anspruchsvoll, gleichzeitig in der Aufführung sehr dankbar, wenn auch eher im Rahmen einer ‚Last Night of the Proms’ denn in einem normalen Sinfoniekonzert (im habaneraartigen dritten Satz hat der Solist Töne zu spielen, die menschlichen Flatulenzen keineswegs unähnlich sind, während Jenkins im Finale für einen Moment die Wagnertuba imitiert). Man kann die Leistungen David Childs‘ in der Interpretation dieses schwer auszuführenden Werkes nicht genug bewundern.
Die CD wäre auch in der Klarheit der Aufnahmetechnik exemplarisch zu nennen, wäre nicht das Euphonium zu stark im Vordergrund angesiedelt, so dass ‚The Symphonic Euphonium’ und selbst das Konzertante der Kompositionen nicht immer voll zur Geltung kommt. Da auch das Booklet insgesamt eher unausgegoren wirkt (es gibt zwei Begleittexte, deren Inhalt sich teilweise doppelt, während andere Informationen unzureichend bleiben), sind leider Abstriche zu machen, obwohl die Bedeutung der CD an sich nicht gering zu schätzen ist.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Childs, David: The Symphonic Euphonium |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Chandos 1 03.10.2014 |
Medium:
EAN: |
CD
095115183021 |
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Chandos Chandos Records was founded in 1979 by Brian Couzens and quickly established itself as one of the world's leading classical labels. Prior to forming the label, Brian Couzens, along with his son Ralph, worked for 8 years running a mobile recording unit recording for major labels (including RCA, Polydor, CFP, etc.) with many of the world's leading artists.
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