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Sonntag, 4. Juni 2023

,,1829' - Werke von Schubert & Bartholdy

Das Farbenklavier


Label/Verlag: Clavier
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Reicher kann kein Flügel klingen.

‚Claviermusik um 1829 von Schubert und Mendelssohn’ – so ist Gerrit Zitterbarts Neuproduktion bei Charisma überschrieben, ein Konzertmitschnitt vom Januar 2014. Nun war Schubert 1829 tot, Mendelssohn ein zwanzigjähriger Bursche. Das ‚Clavier’ allerdings wurde 1829 verfertigt, ein Hammerflügel mit oberschlägiger Mechanik aus der Wiener Werkstatt Nannette Streichers.

Zitterbart musiziert Schuberts Impromptus D 899, die Sonate A-Dur D 664, Mendelssohns 'Fantasie über das irländische Lied ‚The Last Rose of Summer’' op. 15 und dessen 'Lieder ohne Worte' op. 19 – eine konventionelle Zusammenstellung. Langeweile kommt dennoch nicht auf. Streichers Flügel bietet unerhörte Farben und Schattierungen, dynamische Finessen und klangliche Seltsamkeiten, zumal im Diskant. Mag es an Eleganz und Geschmeidigkeit fehlen, manches spröde cembalohaft, beinahe ungelenk scheinen – die Vorzüge dieses Klaviers überwiegen.

Zitterbarts Lesart ist durchaus vernünftig. Die Tempi bleiben flexibel, für funkelnde Durchsichtigkeit ist gesorgt. Details werden kristallin zugeschliffen, ohne die Anmutung umfassenden Zusammenhangs zu gefährden. Wenn es Einwände gibt, betreffen sie den bisweilen robusten, hemdsärmeligen Zugriff ('Allegro moderato', D 664). Zitterbart ist jedoch kein Berserker. Häufig verblüfft seine Zartheit des Anschlags, die Vielfalt der Nuancen. An Klangphantasie steht er Streicher nicht nach. Phrasen werden beredt, doch kantabel durchgebildet, Haupt- und Nebensachen überzeugend unterschieden.

Der Beihefttext ist kurz, aber vom Künstler verfasst. Vom Wort- und Gedankenmüll der meisten Booklets hebt er sich vorteilhaft ab. Aufschlussreich sind die Erläuterungen zur oberschlägigen Mechanik: ‚Die Hämmer schlagen von oben auf die Saiten herab, es ergeben sich ganz andere physikalische Verhältnisse, da der Ton in den Steg und somit in den Resonanzboden gespielt wird […]. Das Anschlagsgefühl des Pianisten ändert sich, ist indirekter als bei der üblichen Wiener Mechanik. Aber der Klang schwingt freier, ist sehr obertonreich und flexibel.’

Mit dem Bielefelder Exemplar hat es eine besondere Bewandtnis. Der Erhaltungszustand ist außergewöhnlich, ebenso die Stimmung. Diese ist ungemein tief angesetzt, damit die Saitenspannung nicht überhandnimmt. Weil Streicher und Bläser, so Zitterbart, diese Stimmung nicht nachahmen können, ist das Bielefelder Instrument für Zwecke der Kammermusik nicht zu gebrauchen. Gleichwohl – Nannette Streicher und Gerrit Zitterbart ermöglichen ein bemerkenswertes Hörabenteuer. Diese Platte sei allen Freunden des Klaviers ans Herz gelegt.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:




Daniel Krause Kritik von Daniel Krause,


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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    ,,1829': Werke von Schubert & Bartholdy

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Clavier
1
04.12.2014
Medium:
EAN:

CD
4012652000709


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Clavier

Auf dem Label Clavier werden ausschließlich Produktionen mit historischen Tasteninstrumenten - Originalen und Kopien - vorgestellt. Dies können Solo- oder Kammermusikproduktionen mit Clavichord, Orgel, Cembalo oder Hammerklavieren und frühen Flügeln zwischen 1700 und 1900 sein. Allen Produktionen gemeinsam ist, daß die Instrumente im Booklet genau vorgestellt und dokumentiert werden.


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