
Jean-Christophe Maillots Lac nach Schwanensee - Les Ballets De Monte-Carlo
'Schwanensee' in französischer Neudeutung
Label/Verlag: Opus Arte
Detailinformationen zum besprochenen Titel
'Lac' von Jean-Christophe Maillot ist eine neue Variante des Ballettklassikers 'Schwanensee'. Der Mitschnitt aus Monte Carlo ist sehr ansprechend, nicht nur in Bezug aufs Tänzerische.
John Neumeier ließ König Ludwig von Bayern mittanzen, Tom Schilling machte aus dem Prinzen einen aristokratischen Außenseiter, Mats Ek legte den Prinzen auf die Couch des Psychologen und Alexander Ekman wässert die Bühne und lässt Schwäne und Gummientchen plantschen. Ist jetzt nicht alles getanzt und gesagt zum Thema 'Schwanensee'?
Was will man noch Neues finden nach John Neumeiers 'Illusionen – wie Schwanensee' in Hamburg 1976, der radikalen Deutung von Tom Schilling und Bernd Kölliger zwei Jahre später an der Komischen Oper in Ostberlin, nach den tiefenpsycholgischen Erkenntnissen von Mats Ek 1987 mit dem schwedischen Cullberg-Ballet oder der jüngsten Wasserschlacht von Alexander Ekman mit dem Norwegischen Nationalballett? Und nicht zu vergessen, Matthew Bournes 'Swan Lake', 1985 am Sadler’s Wells Theatre in London, mit den männlichen Schwänen, die inzwischen ganz selbstverständlich dazugehören.
Ja, es gibt eine neue Variante. Die sollte man gesehen haben. Aber nicht, weil sie wirklich wesentliche, bislang weniger beachtete Facetten ins Licht setzen würde. Dass der junge Prinz an einem Kindheitstrauma leidet, dass er Ängste zu verarbeiten hat und Menschen ihm wie Tiere erscheinen mögen, das ist nicht so ganz neu. Wie man hier sehen kann, haben sich diese Varianten aber längst nicht als thematische Thesen erschöpft. Und so bieten sie – und das ist bei der vorliegenden Aufnahme nun wirklich außerordentlich beeindruckend gelungen – einem begabten Choreografen wie Jean-Christophe Maillot beste Möglichkeiten, neoklassische Disziplinen und moderne Tanzformen miteinander zu verbinden.
Der Genussfaktor steigt, wenn so hervorragend getanzt wird wie beim Ballets de Monte Carlo in dieser Aufführung im Grimaldi Forum in Monaco aus dem Jahre 2011. Grandios springt Stephan Bourgond als jugendlicher Prinz zwischen Angstschüben und nicht aufzuhaltendem Freiheitswillen dem brutalen Vater (Alvaro Prieto) und der gefühlskalten Mutter (Mimoza Koike) dem Wunsch vom eigenen Leben und Lieben entgegen. Gegensätzlicher in ihrer individuellen Ausstrahlung könnten Anja Behrend als weißer und April Ball als schwarzer Schwan kaum sein. Etwas viel Klischee macht die Erscheinung von Bernice Coppieters als schwarze Fee, so etwa als Schwester der bösen Fee Carabosse aus 'Dornröschen', in Begleitung zweier schwarzer, wohl teuflisch gemeinter Wesen, nicht sehr glaubwürdig. In bester Erinnerung bleibt der temperamentvoll wirbelnde Tänzer Jeroen Verbruggen als Vertrauter des Prinzen.
Die Bühne von Ernest Pignon-Ernests gehört den von Philippe Guillotel ansprechend gekleideten Tänzerinnen und Tänzern. Einige Stoffbahnen genügen, um Szenen anzudeuten; alles erschließt sich. Was auch daran liegen mag, dass der Choreograf Jean-Christophe Maillot bei der Erarbeitung seines Librettos mit dem französischen Schriftsteller Jean Rouaud zusammengearbeitet hat. Rouaud wurde für seinen Roman ‚Die Felder der Ehre’ mit Frankreichs angesehenstem Literaturpreis, dem Prix Concourt, geehrt. Leider ist aber das Booklet zu dieser bemerkenswerten Aufnahme unangemessen dürftig. Dafür aber erklingt Tschaikowskys Ballettmusik in einer ansprechenden Aufnahme mit dem Saint Louis Symphony Orchestra unter der Leitung von Leonard Slatkin.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: Features: Regie: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Jean-Christophe Maillots Lac nach Schwanensee: Les Ballets De Monte-Carlo |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Opus Arte 1 27.10.2014 |
Medium:
EAN: |
DVD
809478011484 |
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