> > > The End of Time: Werke von Butterworth und Stephan
Montag, 25. September 2023

The End of Time - Werke von Butterworth und Stephan

Unmittelbar


Label/Verlag: Coviello Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Hier werden Werke von zwei früh Dahingegangenen kombiniert. Das Ergebnis macht nicht restlos glücklich, weil der Geist der Musik nicht ganz erfasst ist.

Am 5. August 1916 fiel an der Somme der englische Komponist George Butterworth (geb. 1885); schon ein Jahr zuvor, am 29. September musste der Deutsche Rudi Stephan (geb. 1887) sein Leben lassen. Nicht zuletzt wegen ihres frühen Todes umgibt beide Komponisten der Nimbus der genialen Frühgegangenen, auch wenn ihr Schaffen dies teilweise mehr erahnen denn klar festmachen lässt – ‚Lebensroutine‘ kann leicht vielversprechende Anfänge konterkarieren oder zumindest in der Gesamtschau das Bild eine Revision erforderlich machen.

Rudi Stephan war ohne Frage der bedeutendere der beiden Komponisten, auch weil er in seiner Zeit musikalische Formen erkundete, die damals noch gänzlich unbekannt und unverbraucht waren. Seine zweisätzige Musik für sieben Saiteninstrumente des Jahres 1911 greift die eher ungebräuchlicheren Septett-, Oktett- und Nonettbesetzungen der damaligen Zeit auf und schafft eine genuin prä-expressionistische Komposition, die auf der vorliegenden SACD eher ein Fremdkörper denn das Zentrum ist. Das Ensemble Aix, bestehend aus Mitgliedern des Sinfonieorchesters Aachen und dem Pianisten Matthias Rein, betont die dissonanten Aspekte der Musik, die sorgsame harmonisch-chromatische Linienführung, die Schönberg ebensoviel verdankt wie Schreker oder Reger. Starkes Vibrato und ein teilweise fast aggressiver Zugriff unterstützen den expressiven Charakter der Musik. Die weiträumige Akustik des Orchesterprobenraumes Aachen wirkt im SACD-Modus bezwingend, in der Stereo-‚Reduktion‘ verliert die Interpretation aber hörbar an ‚Geschmack‘, an Delikatesse, klingt eher nach einer Interpretation der 1920er- denn der 1910er-Jahre. Wem das nichts ausmacht, wird durch eine ausdrucksstarke Darbietung belohnt.

Rudi Stephans 'Musik für Orchester' (1911, rev. 1913) lässt sich teilweise der Welt um Arnold Schönbergs 'Pelleas und Melisande' zurechnen, aber auch 'Tristan'-Schatten lauern noch im Hintergrunde; später lassen Strauss, Bax, Skrjabin, Dukas, Schmitt oder Roussel grüßen, entfernt auch der mittlere Eugen d‘Albert und andere. Stephans instrumentale Linienführungen sind beeindruckend, doch muss man das Werk zeithistorisch verorten – gerade in der Kontextualisierung liegt im Grunde der besondere Reiz der Komposition.

Leider erweist sich das Sinfonieorchester Aachen nicht immer als rundum tadellos; insbesondere die Holzbläser geraten gelegentlich etwas scharf, die Blechbläser gelegentlich einen Hauch unsauber; die Streicher sind bei schnellen Läufen nicht immer ganz blitzsauber und exakt – da gibt es Besseres. Überhaupt ist der direkte Klang ein Merkmal der vorliegenden SACD-Produktion, der zwar alle Instrumente klar zu ihrem Recht kommen lässt, aber auf eine harmonische Rundung verzichtet (verzichten muss?).

George Butterworth wird (nicht ganz zu Unrecht) gerne der sogenannten English Pastoral School zugeordnet, die britisches (in Butterworths Fall englisches) Volksgut als Ausgangspunkt zu Klangschöpfungen nutzt. Manch ein Komponist (gerade Butterworth) tut dies unmittelbarer als andere Zeitgenossen (etwa Ralph Vaughan Williams, E. J. Moeran oder Gustav Holst). Die 'Two English Idylls' (1910/11) sind im Vergleich zu Gustav Holsts 'Two Songs without Words' op. 22 (1906) von deutlich geringerer Einfallskraft. Die Aachener Musiker arbeiten unter ihrem Leiter Kazem Abdullah die Musik sorgfältig aus, aber ohne viel Gespür für die unterschwellige anglophile Stimmung – vielmehr gerät die Musik immer wieder eher buchstabiert, weil eben im Geiste nicht erfasst. Mit seinem Liederzyklus 'A Shropshire Lad' hat Butterworth musikalisch in der Tat weit in die Zeit des Ersten Weltkriegs vorausgeblickt (‚the lads that die in their glory and will never be old‘). Das Tongedicht gleichen Titels (1912) befasst sich weitaus stärker mit dem allgemeinen Stimmungsgestus der zugrunde liegenden Gedichte A. E. Housmans und der Landschaft, der sie verbunden sind. Interpretatorisch eher leicht auszuführen, gelingt dem Sinfonieorchester Aachen hier mindestens ein klangfarblich reich ausgestattetes Panorama – wobei aber gerade dieser klangfarbliche Fokus den musikalischen Gehalt unter sich zu erdrücken droht. Gleiches gilt für das scheinbar so leicht daherkommende 'The Banks of Green Willow' (1913), in dem warme Klangfarben und eine Evokation englischer ländlicher Szenerie selbst in den Forte-Einsätzen denn doch gar nicht so leicht zu erreichen sind – zwischen den Noten (und sogar in den Noten) steht weitaus mehr, als wir auch hier zu hören bekommen.

Dass das Booklet mit einem emotionsheischenden unpassenden Schlagwort für die Produktion zu werben versucht, ist ein Ärgernis, das bei Coviello gelegentlich aufscheint, eine gute Produktion aber nicht überzeugender vermarktet. Ebenso wenig hat ein guter Interpret Werbeslogans nötig wie jene, die über die Musiker (vor allem den Dirigenten) im Booklet verbreitet werden.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!

Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel

Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.



Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



Cover vergrößern

    The End of Time: Werke von Butterworth und Stephan

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Coviello Classics
1
07.11.2014
Medium:
EAN:

SACD
4039956914181


Cover vergössern

Butterworth, George
 - Two English Idylls - I. Allegro scherzando
 - Two English Idylls - II. Adagio non troppo
 - A Shropshire Lad - Rhapsody
 - The Banks of Green Willow - Idyll
Stephan, Rudi
 - Musik für 7 Saiteninstrumente - I. Sehr ruhig
 - Musik für 7 Saiteninstrumente - II. Nachspiel
 - Musik für Orchester -


Cover vergössern

Dirigent(en):Abdullah, Kazem
Orchester/Ensemble:Sinfonieorchester Aachen


Cover vergössern

Coviello Classics

Für Coviello Classics steht bei einer Musikproduktion immer das besondere Hörerlebnis im Vordergrund ? alle technischen und organisatorischen Entscheidungen müssen sich diesem ästhetisch definierten Ziel unterordnen. Wesentliche Entscheidungen treffen bei coviello classics nicht gewinnorientierte Manager, sondern kreative Musik-Gestalter: zum einen die Gründer, Geschäftsführer und prägenden Köpfe Olaf Mielke und Moritz Bergfeld, die als Diplom-Tonmeister und Aufnahmeleiter den coviello classics-Produktionen ihr ?klangliches Gesicht? geben, zum anderen die Interpreten, die für coviello classics immer die wichtigsten Partner sind. Ihre künstlerische Aussage ist das zentrale Kriterium für die Qualität einer Aufnahme; sie sind in alle ästhetischen Fragen einer Veröffentlichung einbezogen.

Hoher Repertoirewert

Grundvoraussetzung für unsere Neuproduktionen sind die besonderen Anforderungen an Künstler und Repertoire. Um dem Klassikmarkt neue Impulse zu geben, produziert coviello classics bislang wenig beachtetes Repertoire, oftmals in Weltersteinspielungen, und sorgt damit immer wieder für überraschende Entdeckungen. Bekanntere Werke erscheinen durch ungewöhnliche Interpretationen in neuem Licht ? hier gibt es keine ideologischen Grenzen oder vermeintlichen Authentizitäts-Anspruch; lebendige Musikkultur zeigt oft das vertraute in ganz anderem klanglichem Gewand. Ein besonderer Schwerpunkt ist die seit einigen Jahren etablierte Reihe coviello contemporary, in der sich die Nähe zum weltbekannten Darmstädter Institut für neue Musik in ganz aktuellen Kompositionen bemerkbar macht.

Technische und ästhetische Kompetenz

coviello classics ist das Label, unter dem die Aufnahmen der Produktionsfirma MBM vertrieben werden ? ob als CD, DVD oder SACD. Durch einen ganz speziell für die Anforderungen hochwertigster Musikproduktionen konzipierten Übertragungswagen sind die Voraussetzungen für die Aufnahmequalität bei MBM optimal. coviello classics bietet darüber hinaus in jedem Bereich und in jeder Phase der Realisierung einer Musikproduktion ? bis hin zu grafischer Gestaltung und Textredaktion bei den begleitenden Druckmedien ? sowohl Logistik und hochwertiges Gerät wie auch technisches und ästhetisches Know-how.

Grafiken, Texte und weltweite Wege

Zu einer Musikveröffentlichung gehört nicht nur der gespeicherte Ton ? da gibt es noch einiges mehr zu gestalten. Das Cover einer CD, DVD oder SACD muss nicht nur grafisch ansprechend gestaltet sein, sondern auch einen sinnvollen Zusammenhang mit dem musikalischen Inhalt herstellen. Das begleitende Booklet soll umfassend über Werke, Künstler und Aufführungspraxis informieren; die Texte müssen wissenschaftlicher Prüfung standhalten, aber trotzdem allgemein verständlich und auch noch unterhaltsam sein ? schwierige Herausforderungen auch über die Musik hinaus, für die coviello classics mit erfahrenen Grafikern und Textautoren zusammenarbeitet. Schließlich muss das fertige Produkt an möglichst vielen Orten der Welt erhältlich sein. Dafür haben wir in vielen Ländern in Europa, Asien und Nordamerika Partner vor Ort, die ihren Markt genau kennen. Sie werden laufend mit Neuheiten, Informationsmaterial und Rezensionen aus der Presse versorgt ? auch wenn die Produktion eigentlich fertig ist, macht sie uns noch viel Arbeit.


Mehr Info...


Cover vergössern
Jetzt kaufen bei...
Titel bei JPC kaufen


Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Coviello Classics:

  • Zur Kritik... Nicht recht überzeugend: Einzig die Sängerin der Hauptrolle und zwei Nebenfiguren retten eine etwas schwache Keiser-Aufführung. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Noch immer avanciert: Das Chorwerk Ruhr und die Bochumer Symphoniker präsentieren Musik von Stockhausen und Kagel mit Überzeugung und Vermögen – als noch immer relevante Positionen und kennenswerte Etappen musikalischer Entwicklung. Weiter...
    (Dr. Matthias Lange, )
  • Zur Kritik... Bodenschätze: Chorwerk Ruhr und Capella de la Torre bringen üppige kompositorische Qualität weit über die großen Namen hinaus zu aufregendem Funkeln. Weiter...
    (Dr. Matthias Lange, )
blättern

Alle Kritiken von Coviello Classics...

Weitere CD-Besprechungen von Dr. Jürgen Schaarwächter:

  • Zur Kritik... Es dreht sich nur um einen: Der Klaviertriokomponist Camille Saint-Saëns als Schöpfer und Nachschöpfer. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Kein überzeugendes Plädoyer: Dem Constanze Quartett mangelt es an rhetorischer Überzeugungskraft, um drei Streichquartette Emilie Mayers zu einem besonderen Erlebnis zu machen. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Pionierleistungen: Bedeutsame Dokumente der Havergal-Brian-Diskografie. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
blättern

Alle Kritiken von Dr. Jürgen Schaarwächter...

Weitere Kritiken interessanter Labels:

blättern

Alle CD-Kritiken...

Magazine zum Downloaden

NOTE 1 - Mitteilungen (3/2023) herunterladen (4400 KByte)

Anzeige

Jetzt im klassik.com Radio

Georges Bizet: Jeux d'enfants op.22

CD kaufen


Empfehlungen der Redaktion

Die Empfehlungen der klassik.com Redaktion...

Diese Einspielungen sollten in keiner Plattensammlung fehlen

weiter...


Portrait

Der Pianist und Organist Aurel Davidiuk im Gespräch mit klassik.com.

"Man muss das Ziel kennen, bevor man zur ersten Probe erscheint."
Der Pianist und Organist Aurel Davidiuk im Gespräch mit klassik.com.

weiter...
Alle Interviews...


Hinweis:

Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Die Bewertung der klassik.com-Autoren:

Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich