
Moussa, Samy - Cyclus
Schematisierter Schönklang
Label/Verlag: col legno
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Das Label col legno porträtiert den Komponisten Samy Moussa als einen der vier Siemens-Förderpreisträger 2014.
Musik, so heißt es im namentlich nicht gezeichneten Bookletbeitrag zur vorliegenden, bei col legno erschienenen Porträt-CD, sei für den 1984 geborenen Komponisten Samy Moussa ‚persönlicher Ausdruck und direkte körperliche Erfahrung’, was sich ganz ‚unverstellt’ in der ‚physische[n] Dimension seiner Kompositionen’ abzeichne. In der Tat zeugen die Werke des Siemens-Preisträgers zunächst einmal von einem enormen Klangsinn, der sich bisweilen mit physisch wahrnehmbaren Verdichtungszuständen vereinigt. Exemplarisch hierfür sind die differenziert ausgeloteten harmonischen Prozesse in den '4 Études' für großes Orchester (2008–09): Die ersten beiden dieser Stücke bilden mit ihrer profilierten Darstellung durch das ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter Leitung des Komponisten eine gelungene Eröffnungsstrecke für die Produktion, weil sie direkt ins Herz von Moussas musikalischer Sprache führen. Seine an der spektralen Musik geschulten Techniken der klanglichen und harmonischen Differenzierung werden hier tatsächlich im Titel gebenden Sinn eingesetzt – in Gestalt von ‚Übungen’, die sich als eine Erkundung orchestraler Möglichkeiten verstehen. Die letzten beiden 'Études' wiederum, diesmal vom Deutschen Symphonie-Orchester Berlin unter Kent Nagano eingespielt, runden diesen Eindruck am Ende der CD ab.
Innerhalb dieses Rahmens sind fünf weitere Kompositionen aus dem vergangenen Jahrzehnt angeordnet, die Auskunft über unterschiedliche Stoßrichtungen von Moussas Komponieren geben: Da finden sich, gleichfalls vom ORF Radio-Symphonieorchester unter Moussas Stabführung interpretiert, das »Prélude« für Kammerorchester zur Oper »L’autre frère« (2009–10) sowie das irisierende Kammerkonzert (2006, revidiert 2008), da ist der abermals von Nagano fein gezeichnete »Cyclus« für Orchester (2007). Und da sind schließlich als kammermusikalische, mit den groß besetzten Werken kontrastierende Beiträge einerseits das arabesk-figurhafte Klavierstück »À l’assaut des jardins« (2011), vom Pianisten Emanuele Torquati im Wechsel von zarter Diktion und kräftiger modellierten Passagen dargeboten, andererseits das den Flageolettbereich auslotende Streichquartett (2012), dessen klangliche Verästelungen sich bei den Mitgliedern des Armida Quartetts in besten Händen befinden.
Dass die CD trotz hochklassiger Interpretationen nicht so recht zu überzeugen vermag, liegt daran, dass Moussas Arbeiten sich nicht durch besonders großen Ideenreichtum auszeichnen und auf dem einmal gefundenen Schema beharren: Die jeweils in Gang gebrachten musikalischen Prozesse ähneln sich hinsichtlich ihrer harmonischen Verläufe und verhalten sich daher weitgehend vorhersagbar. Darüber hinaus liegen nicht nur allen Stücken ähnliche harmonische Situationen zugrunde, sondern auch die etablierten Strukturmodelle mit ihren Verdichtungs-, Auflösungs- und Verzweigungsprozessen werden, unabhängig von den wechselnden Besetzungen oder Gattungszugehörigkeiten, immer wieder verwendet. Das mag man für zwei oder drei Werke noch hinnehmen, auf die Dauer jedoch wirkt es reichlich einfallslos, so dass nach 60 Minuten der Eindruck eines weitgehend schematisch gehandhabten Schönklangs zurückbleibt.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Moussa, Samy: Cyclus |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
col legno 1 17.10.2014 |
Medium:
EAN: |
CD
9120031341079 |
![]() Cover vergössern |
col legno Welche Produktion von col legno Sie auch vor sich haben, eines ist gewiss: bunt wird sie sein und außergewöhnlich. Wir widmen uns herausragender Musik der Gegenwart und den Visionen ihrer Protagonisten. col legno bedeutet "mit dem Holz". Jeder Streicher weiß, was zu tun ist, wenn er diese Spielanweisung in seinen Noten liest: Er nimmt den Bogen, dreht ihn um und schlägt mit dem Holz auf die Saiten. Einst unerhört! Heute noch überraschend. Mit dieser spielerischen Offenheit dem Instrument gegenüber wurde die Klangvielfalt erweitert. Dieselbe Offenheit widmet col legno der Musik. col legno veröffentlicht Neue Musik - umfassend und zeitgemäß. Das Label steht für die Vielseitigkeit der Gegenwart und aufregende Interpretationen von Musik der Vergangenheit. Unsere Hörer haben viel mit uns gemein: Sie heißen Neues willkommen, wechseln Perspektiven, genießen eine Prise Humor und lieben das Kribbeln beim Genuss kreativer Inspiration. col legno nutzt die jeweils für die Produktionen optimalen Tonträger und Formate - von der CD über Multichannel Medien bis hin zu gänzlich neuen Entwicklungen. Dabei bieten wir unseren Hörern immer "state-of-the-art" Technik und beste Audioqualität. Die künstlerische Leitung des Labels wurde 2005 von Andreas Schett und Gustav Kuhn übernommen. Unter ihrer Führung hat sich der Katalog kontinuierlich und in klaren Zügen erweitert. Seit 2015 ist Andreas Schett alleiniger Inhaber des Labels. col legno - new colors of music
Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei...![]() |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag col legno:
-
Trauermarschheiterkeit: Das Ensemble Franui setzt sich mit der Musik Franz Schuberts auseinander. Weiter...
(Christiane Franke, )
-
Er-Hörung vor dem Beethoven-Jahr: Wolfgang Mitterer gießt Alltagsgeräusche in Kunst. Dann schneiden Holzarbeiter streng nach einer Partitur und Hackbrettspieler klettern mitten in eine Sägemaschine. In 'Nine In One' bringt er auf seine unorthodoxe Weise Beethoven zum Klingen. Weiter...
(Christiane Franke, )
-
Intensiv: Das Alea Saxophone Quartet versammelt erstmals alle Werke Arvo Pärts dieser Quartett-Besetzung auf einer CD, raumgreifend und mit viel Verständnis für dessen einzigartige musikalische Sprache. Weiter...
(Maxi Einenkel, )
Weitere CD-Besprechungen von Prof. Dr. Stefan Drees:
-
John Bull und andere: Im sechsten Teil seiner Gesamteinspielung des 'Fitzwilliam Virginal Book' kombiniert der Cembalist Pieter-Jan Belder Stücke von John Bull mit einzelnen Kompositionen unbekannterer Tonsetzer. Weiter...
(Prof. Dr. Stefan Drees, )
-
Arbeit an klanglichen Feinheiten: Die zweite DVD der Reihe 'Lachenmann Perspektiven' widmet sich der Komposition 'Air'. Weiter...
(Prof. Dr. Stefan Drees, )
-
Blick in die Interpretationswerkstatt: Eine neue DVD-Reihe vermittelt unschätzbare Einblicke in die musikalischen und technischen Problemstellungen von Helmut Lachenmanns Musik. Weiter...
(Prof. Dr. Stefan Drees, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Seltene Cello-Werke: Bartosz Koziak spielt Musik von Bohuslav Martinu. Weiter...
(Dr. Jan Kampmeier, )
-
Auftakt zu einer Trilogie: 'Christus das Kind' ist eine interessante Ausgrabung, die das Umfeld frühromantischer Oratorienliteratur verdeutlicht bzw. erst ins Blickfeld rückt. Ein 'Aha!'-Effekt stellt sich aber nicht ein. Weiter...
(Benjamin Künzel, )
-
Suggestive Trauergesänge: Glagolitische Riten beeindruckten Igor Kuljerić seit seiner Jugend. In seiner Totenmesse sprengt er damit den Rahmen. Weiter...
(Christiane Franke, )
Jetzt im klassik.com Radio


Portrait

"Bei der großen Musik ist es eine Frage auf Leben und Tod."
Der Pianist Herbert Schuch im Gespräch mit klassik.com.
Sponsored Links
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich