> > > Holbrooke, Josef: Kammermusik für Klarinette
Donnerstag, 28. September 2023

Holbrooke, Josef - Kammermusik für Klarinette

Englische Nachromantik


Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Josef Holbrookes mehrfach überarbeitetes Klarinettenquintett ist bei den Interpreten vorliegender Aufnahme in den besten Händen. Sie nähern sich dem Werk mit emotionaler Wärme und spieltechnischer Perfektion.

Das Klarinettenquintett op. 27 ist die bekannteste Kammermusikkomposition Josef Holbrookes (1878–1958), eines Komponisten, der schon nach dem Ersten Weltkrieg aus der Mode geriet, aber sehr viel länger als Arnold Bax oder Granville Bantock auf seine Wiederentdeckung hat warten müssen. Das Klarinettenquintett hat eine verschlungene, über rund fünfzig Jahre sich hinziehende Werkgenese, und es würde zu weit führen, würde man die einzelnen Schritte der Werkentstehung hier darstellen wollen. Es reicht zu wissen, dass es im Grunde kurz nach 1900 entstand und bis zum Tode des Komponisten zahlreichen extensiven Revisionen unterworfen war, so dass die unterschiedlichen Werkformen und Varianten nun deutlich mehr als zwei Drittel der vorliegenden CD ausmachen. Dies wäre von den früheren Einspielungen her nicht zu erwarten gewesen, darunter einer unter dem Widmungsträger der Spätversion, Reginald Kell, seines Zeichens Schwiegersohn des Komponisten und einer der bedeutendsten Klarinettisten Großbritanniens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dass die Quellenlage bei Holbrooke, der viele seiner Kompositionen immer und immer wieder überarbeitete und umdatierte, hochkomplex ist, ist mittlerweile hinreichend bekannt, doch bedarf nahezu jede einzelne Komposition der intensiven Recherche, ehe man mit einiger Sicherheit über sie schreiben kann. Dies ist im Booklet mit großer Akribie gelungen, ohne dass musikhistorische Akkuratesse zu trockener Wissenschaftlichkeit geraten wäre.

Kern der CD ist das Quintett selbst, in seiner bekannten dreisätzigen Form mit einer 'Canzonet' als Binnensatz. Ergänzt wird dies durch einen zur Urform gehörenden Variationensatz, der früher den Binnensatz bildete, einen weiteren alternativen langsamen Satz 'Eilean Shona' (Glückliche Insel) und ein alternatives Finale. Robert Plane (Klarinette), Lucy Gould, Mia Cooper (Violine), David Adams (Viola) und Alice Neary (Violoncello) bieten lebhafte, stimmungsvolle Interpretationen. Sie alle sind ausgewiesene verdiente Kammermusiker, die dem eigentümlichen Stil Holbrookes durchaus eigene Farben abgewinnen können. Sie spielen den rhythmischen Reichtum der Komposition voll aus, spielen das thematische Material einander spielfreudig zu, verleihen der Musik wo erforderlich die nötige Dramatik – wenn man etwas bekritteln könnte, dann höchstens, dass die Interpretation vielleicht etwas zu brillant, oder andersherum gesagt mit etwas zu wenig innerer Wärme gerät. Ich erinnere mich gut an eine Unterhaltung, die ich wohl 1998 mit Holbrookes Sohn Gwydion Brooke führen durfte und in der dieser allerhöchste Maßstäbe an die Interpretation der Musik seines Vaters anlegen mochte (er hatte einige Jahre zuvor eine eigene Einspielung des Klarinettenquintetts mit John McCaw und dem Delmé Quartet produziert).

Komplettiert wird die CD durch drei weitere Kompositionen – zwei kurze Stücke für Klarinette und Klavier, die die griechische Mythenwelt bemühen und in den 1920er- und 1930er-Jahren entstanden ('Phryne' und 'Cyrene'), sowie das Nocturne 'Fairyland' op. 57 Nr. 1 für Viola, Klarinette und Klavier. In den beiden Duokompositionen kommen Holbrookes impressionistische Fähigkeiten auf das Beste zur Geltung, während in 'Fairyland' die ‚legendary moods’ bemüht, die auch John Ireland und Arnold Bax so liebten. Mit der Pianistin Sarah Rahman und dem Bratschisten Scott Dickinson gelingen Plane hier atmosphärisch dichte, auch emotional warme Interpretationen, die keinerlei Wünsche offen lassen und Plane in die Traditionslinie großer britischer Klarinettisten von Frederick Thurston bis Michael Collins treten lassen.

Michael Ponder hat als Produzent im legendären Champs Hill Music Room wieder einmal eine exemplarische Leistung vorgelegt – ohne Frage gehört er heute zu den besten Aufnahmetechnikern für klassische Musik in ganz Großbritannien. Insgesamt, auch wegen des inspirierten Booklets, eine insgesamt rundum empfehlenswerte Produktion.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:






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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Holbrooke, Josef: Kammermusik für Klarinette

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
cpo
1
17.10.2014
Medium:
EAN:

CD
761203773121


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Holbrooke, Josef
 - Clarinet Quintet op. 27 - I. Maestoso - Molto allegro
 - Clarinet Quintet op. 27 - II. Canzonet. Andante affetuoso
 - Clarinet Quintet op. 27 - III. Poco vivace
 - Cyrene op. 88b - Larghetto e espressivo
 - Phryne op. 98b - Poco Lento sostenuto
 - Variations -
 - Fairyland. Nocturne op. 57 no. 1 -
 - Eilean Shona op. 74 - Andante Sostenuto
 - Clarinet Quintet alternative finale - Poco Vivace


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Interpret(en):Rahmann, Sophia
Plane, Robert
Gould, Lucy
Cooper, Mia
Dickinson, Scott
Neary, Alice
Adams, David


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cpo

Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
Besonders stolz macht uns dabei, daß cpo - 1986 gegründet - in Rekordzeit in die Spitze vorgestoßen ist. Das Geheimnis dieses Erfolges ist einfach erklärt, wenn auch schwierig umzusetzen: cpo sucht niemals den Kampf mit den Branchenriesen, sondern füllt mit Geschick die Nischen, die von den Großen nicht besetzt werden, weil sie dort keine Geschäfte wittern. Und aus mancher Nische wurde nach einhelliger Ansicht der Fachwelt mittlerweile ein wahres Schmuckkästchen.
Am Anfang einer Repertoire-Entscheidung steht bei uns noch ganz altmodisch das Partituren-lesen, denn nicht alles, was noch unentdeckt ist, muß auch auf die Silberscheibe gebannt werden. Andererseits gibt es - von der Renaissance bis zur Moderne - noch sehr viele wahre musikalische Schätze zu heben, die oft näher liegen, als man meint. Unsere großen Werk-Editionen von Pfitzner, Korngold, Hindemith oder Pettersson sind nicht umsonst gerühmt worden. In diesem Sinne werden wir fortfahren.
Letztendlich ist unser künstlerisches Credo ganz einfach: Wir machen die CDs, die wir schon immer selbst haben wollten. Seien Sie herzlich zu dieser abenteuerlichen Entdeckungsfahrt eingeladen!


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