
Borodin Quartett spielt - Werke von Brahms, Schostakowitsch & Ravel
Alter Schatz des Borodin-Quartetts
Label/Verlag: ORFEO
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Nach und nach veröffentlicht Orfeo alte Live-Aufnahmen bedeutender Konzerte der Salzburger Festspiele. Eines der besonderen Art war der Auftritt des Borodin-Quartetts 1961. Kein Hochglanz-Sound, aber umso beeindruckender gespielt.
Es war der erste Auftritt des sowjetischen Quartetts bei den Salzburger Festspielen, der gleich zum großen Erfolg und zu einem wichtigen Schritt der Karriere im Westen führte. Die vier Musiker, von einigen hochangesehenen sowjetischen Musikern ausgebildet (unter den Lehrern war unter anderen David Oistrach), verband eine enge Freundschaft mit Dmitri Schostakowitsch, dessen Werke sie hoch schätzten und in einzigartiger Weise zur Aufführung brachten. 1961 brachten die Musiker das zentrale Werk im Streichquartett-Schaffen Schostakowitschs, das Achte Streichquartett in c-Moll op. 110, erstmals in die westliche Welt.
In kaum zu übertreffender Spannung und Dichte bringen die vier Musiker sowohl die elegisch ruhigen als auch die dramatisch rasanten Passagen zum Klingen. Klirrende Violinen, austachierte Pausenzeiten und wunderbar abgestimmte Tempowechsel machen die Live-Aufnahme zum spannenden Abenteuer. Natürlich muss man bei einer solch alten Aufnahme Abstriche in der Klangqualität hinnehmen. Dafür entschädigen jedoch das hochkarätige Spiel und die ungeschönt-direkte Atmosphäre einer Live-Aufnahme. Im typischen Borodin-Quartett-Stil fließen vier eigenständig geführte Stimmen zu einem musikalischen Kunstwerk zusammen. Vier Individualisten versinken in ihren Partien, manchmal mit einem Hauch zu viel Individualismus und zu wenig Sinn für die weiteren Stimmen, doch immer mit großem Klangeffekt. Denn gerade in den Schostakowitsch-Quartetten brechen die Stimmen übereinander zusammen. Mit einem ineinander greifenden Fluss der Stimmen beginnen sie das Achte Streichquartett und setzten mit ihrer Deutung sofort hohe Maßstäbe in der Interpretation der Quartette Schostakowitschs. Schneidende Violinen und ein rasselndes Violoncello bringen die Gegensätze des Werkes zum klingenden Vorschein. Dabei reizen die Musiker die Oppositionen im Ausdruck nie bis zum Äußersten aus. Wohl werden rasche, laute und auch aufreibende Dissonanzen ausgespielt, doch lassen sich die Musiker nicht zu übermäßigen Ausbrüchen oder Formlosigkeit hinreisen. Die leicht brummig matte Aufnahme lässt zwar an Präsenz und Klarheit zu wünschen übrig, doch bleiben alle Stimmen sauber durchhörbar. Positiv fällt das Publikum auf, das vielleicht so gefesselt war, dass es ganz vergaß zu husten oder sonstige Geräusche von sich zu geben.
Mit recht vibratoarmem und unprätentiösem Spiel gelingt ein kraftvoller Schostakowitsch ebenso wie ein berauschender Ravel. Dessen einziges Streichquartett in F-Dur op. 35 gelingt dem Quartett schlank, ganz frei von überladenen Romantisierungen. Hier zeigt sich feine Spielkultur am deutlichsten und das gekonnte Maß an Zurücknahme der einzelnen Spieler, um den anderen Stimmen zu dienen. Ihr Ravel geht wellenartig auf und ab, bewegt sich an manchen Stellen kaum mehr spürbar, steht aber nie still. Auf der Suche nach größtmöglichem Klangvolumen, nicht in der Lautstärke, aber im Gestus, lassen sie den Hörer den Klang geradezu suchen. Keine großen Effekte, aber kleine Besonderheiten entstehen in dem Quartett.
Zu Beginn ist das a-Moll-Streichquartett op. 51 Nr. 2von Johannes Brahms zu hören. Ein starker Auftakt, voller Spannung in großen wie kleinen Gesten. Dem Borodin-Quartett gelingt eine elegante Ausgewogenheit zwischen schwungvollen, akzentreichen Passagen und den ruhigen romantischen Melodien.
Im Booklet in Deutsch und Englisch erfährt man leider nicht viel über die Werke. Hier wird vor allem das herausragende Ereignis dieses Konzertes und der Salzburger Festspiele an sich gelobt. Interessant sind Auszüge der Rezensionen, die seinerzeit zu diesem Konzert 1961 erschienen sind.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Borodin Quartett spielt: Werke von Brahms, Schostakowitsch & Ravel |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
ORFEO 1 05.09.2014 |
Medium:
EAN: |
CD
4011790893129 |
![]() Cover vergössern |
ORFEO Erschienen die ersten Aufnahmen des 1979 in München gegründeten Labels noch in Lizenz bei RCA und EMI, produziert und vertreibt ORFEO seit 1982 unter eigenem Namen. Durch konsequente Repertoire- und Künstlerpolitik konnte sich das Label seit seinem aufsehenerregenden Auftritt am Anfang der Digital-Ära dauerhafte Präsenz auf dem Markt verschaffen. Nicht nur bekannte Werke, sondern auch weniger gängige Musikliteratur und interessante Raritäten - davon viele in Ersteinspielungen - wurden dem Publikum in herausragenden Interpretationen zugänglich gemacht. Dabei ist es unser Bestreben, auch mit Überraschungen Treue zu klassischer Qualität zu beweisen.
Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei...![]() |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag ORFEO:
-
Deutsche Violinsolosonaten der Goldenen Zwanziger: Baiba Skride erkundet die große Freiheit der Soloviolinmusik in der Nachfolge Regers. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Ein Kuss auf die Stirn: Eine liebevolle Wiederbelebung einer komischen Oper von Johann Strauss. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Mächtige Stimme mit glutvollem Kern: George Gagnidze präsentiert mit acht Jahren Verspätung sein eindrückliches Debüt-Album mit Giuseppe Verdis großen Bariton-Partien als Kernrepertoire. Weiter...
(Benjamin Künzel, )
Weitere CD-Besprechungen von David Buschmann:
-
Der depressive Kaufmann von Bregenz: Die einzige Oper des polnischen Komponisten André Tschaikowsky 'Der Kaufmann von Venedig' wurde zu seinen Lebzeiten nie aufgeführt. Die Bregenzer Festspiele nahmen 2013 die Uraufführung vor. Diese ist nun auf DVD erhältlich. Weiter...
(David Buschmann, )
-
Die Eleganz des Klavierspiels: Alexandra Sostmann durchmisst auf ihrer CD "Bach & Contemporary Music" die Bach-Nachfolge bis ins 21. Jahrhundert. Dabei bietet sie klangvolle Momente, von barocken Fugen bis zur Minimal Music. Weiter...
(David Buschmann, )
-
Zu Ehren von Krzysztof Penderecki: Um den 80. Geburtstag Pendereckis gebürtig zu feiern, führten Freunde und Bekannte des polnischen Komponisten vier Werke seines uvres in der Nationaloper in Warschau auf. Weiter...
(David Buschmann, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Dem Geiger Ivry Gitlis zum 100. Geburtstag: Ein eigenwilliger Protagonist der Violinwelt, der fast ein ganzes Jahrhundert durchlebte, spielt die großen 'Schlachtrösser' der Violinliteratur. Weiter...
(Manuel Stangorra, )
-
Alter Mann und 'wilde Hummel': Dieser 'Pimpinone' ist nicht nur stimmlich und instrumental eindrucksvoll besetzt, sondern ist obendrein eine wichtige Ergänzung zur mehr als nur übersichtlichen Diskographie des Werks. Weiter...
(Benjamin Künzel, )
-
Brahms der späten Jahre: Wach und feingliedrig, strukturklar und klangsensibel: Herbert Blomstedt kennt seinen Brahms und gibt ihm im Zusammenspiel mit dem Gewandhausorchester Leipzig Raum zum Atmen. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
Portrait

Das Klavierduo Silver-Garburg über Leben und Konzertieren im Hier und Heute und eine neue CD mit Werken von Johannes Brahms
Sponsored Links
- Opernreisen und Musikreisen bei klassikreisen.de
- Konzertpublikum
- Musikunterricht
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich