
Ponce, Manuel - Ferial. Divertimento sinfonico
Mexikanischer Vater
Label/Verlag: Sterling
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Sieht man einmal von dem Booklet ab, ist diese Produktion mit Werken des mexikanischen "Nationalkomponisten" Manuel Maria Ponce eine Bereicherung.
Was zuallererst bei dieser CD mit den Klavierkonzerten des mexikanischen Komponisten Manuel María Ponce (1882–1948) auffällt, ist das opulente Booklet. Leider schon auf den zweiten Blick fällt auf, dass dieses Booklet in unerträglich minderer Qualität ediert worden ist. Nicht nur, dass man es aufgrund seines Umfangs schlecht aus dem Jewelcase der CD entnehmen kann, ein deutscher Begleittext fehlt vollständig und die englische Textfassung ist in einem Kauderwelsch, das ans Unzumutbare grenzt. Ich war versucht, einzig für diesen CD-Booklettext einen Kurs in Spanisch zu belegen, um nachvollziehen zu können, was gemeint war. Es scheint jedoch darüber hinaus, dass die Bookleteinlassungen, verfasst durch den Pianisten der Aufnahme, bei allem Bemühen nicht jene Qualität haben, die man von einem Booklettext mit unbekannten Werken einfordern muss. Mir zumindest ist immer noch nicht klar, woran man erkennen kann, wo Ponces Schülerin Ruth Schönthal (nicht Schonthal, wie im Booklet angegeben) mit der Vollendung des zweiten Klavierkonzerts hat ansetzen müssen. Das Booklet ist also gelinde gesagt verbesserungsfähig.
Nicht so die Interpretationen. Die Dirigentin Zaeth Ritter, der Pianist Rodolfo Ritter (verwandt oder verschwägert?) fühlen sich ebenso wie das Sinfonieorchester San Luis Potosí in dem musikalischen Idiom von Mexikos ‚Nationalkomponist’ hörbar zu Hause, glänzen durch Spielfreude, wenn auch nicht unbedingt allerhöchste Klangkultur. Das ist aber auch gar nicht nötig – Ponces Musik verträgt diesen etwas hemdsärmeligen Zugriff bestens. Rodolfo Ritter verfügt über den virtuosen Zugriff, der den Kompositionen gut ansteht, und das Orchester kann auch die elegischen Passagen adäquat umsetzen; schlussendlich fehlt höchstens das letzte Quäntchen Brillanz einerseits und symphonische Raffinesse andererseits. Dies mag aber auch dem Live-Erlebnis geschuldet sein (die CD wurde am 14. Dezember im Konzert mitgeschnitten).
Das eröffnende symphonische Divertimento 'Ferial' aus dem Jahr 1940 verstrahlt nicht nur nationales Idiom, sondern bietet auch – quasi nebenbei – interessante Einblicke in den Zeitstil; Ravel, Medtner, Puccini, selbst Schulhoff oder Schreker scheinen in kurzen Momenten durch. Das soll nicht bedeuten, dass es Ponces Musik an Individualität mangelt – vielmehr verleugnet er aber nicht die Musik seiner Zeit, sondern ordnet sich dieser vielmehr zu. Im Idiom verwandt, aber doch viel stärker der Musik der Nachkriegszeit verbunden ist das unvollendet gebliebene, 1947 begonnene Zweite Klavierkonzert, das von Ponces Schülerin Ruth Schönthal zumindest zu einer Aufführungsfassung komplettiert wurde (leider fehlt der Finalsatz). Stilistisch etwa der englischen Tradition der sogenannten 'Cheltenham Symphony' nahe, in der Polytonalität in Verbindung mit traditioneller Formgestaltung zu nichtavantgardistischen und dennoch musikalisch zeitgemäßen Lösungen führen sollte, ist die Musik denkbar weit entfernt vom eklektisch-nachromantischen Stil des Ersten Klavierkonzerts aus den Jahren 1910-11, das auch zehn Jahre früher hätte entstanden sein können. Auch hier verbindet Ponce Eigenart mit musikalischem Zeitstil, teilweise in großer Geste à la Tschaikowsky, Liszt oder Rachmaninoff, teilweise in akademischer Manier à la Reinecke, Stanford oder Saint-Saëns. Das ist nicht wertend gemeint – zur Zeit der Entstehung der Komposition existierte so etwas wie ein mexikanischer Nationalstil noch nicht; hier trifft dann allerdings der CD-Reihentitel ‚Mexican Romantics’.
Komplettiert wird die CD durch zwei Solokompositionen – den vier 'Preludios encadenados' von 1927 und den 'Cuatro danzas mexicanas' von 1941. Bei den vier Preludios, in denen Ponce durchaus eigene Wege zur Erkundung des Klavierklanges geht, die aber etwa der nahezu zeitgleich entstandenen Klaviermusik Alfredo Casellas gleichzeitig nicht fernstehen, offenbart sich der Live-Charakter der Einspielung vielleicht am stärksten – immer wieder ist unüberhörbar, wenn Ritter neben die Tasten greift. Dies beeinträchtigt weder die Dichte seiner Interpretation noch die Aussagekraft der Kompositionen selbst. Die 'Cuatro danzas mexicanas' schließlich bringen die CD zu einem weniger tiefgründigen, aber musikalisch dennoch durchaus reizvollen Ende. Die Aufnahmetechnik ist tadellos, das Klavier wie die Orchestermusiker sind in angemessener Balance und Raumweite eingefangen, ohne den Solostücken ihre Intimität zu nehmen. Insgesamt ein überzeugendes Plädoyer für einen musikalisch attraktiven, musikhistorisch wichtigen Komponisten.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Ponce, Manuel: Ferial. Divertimento sinfonico |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Sterling 1 10.11.2014 |
Medium:
EAN: |
CD
7393338110224 |
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Sterling Sterling is a record label specialising in orchestral music from the Romantic era, founded by Bo Hyttner. Most of the CDs released by Sterling contain previously unrecorded works. After setting out with Swedish romantics, Sterling is now spreading out towards the musical heritage of other European countries. In Sweden, the label is represented through CDA.
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