
Bach, Carl Philipp Emanuel - 6 Hamburg Sinfonien
Radikal und innovativ
Label/Verlag: Es-Dur
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Mit markerschütternder Intensität entfacht das Ensemble Resonanz die schroffen Kontraste der Streichersinfonien C.P.E. Bachs. Das Ergebnis ist an schierer Ausdruckskraft nur schwer zu überbieten.
Die sechs Streichersinfonien Carl Philipp Emanuel Bachs, die während seiner Tätigkeit in Hamburg entstanden, sind lange nicht so bekannt wie das restliche sinfonische Schaffen des zweitältesten Bach-Sohnes. Der Komponist selbst verzeichnete zwar die sechs Sinfonien in seinem eigens erstellten Werkverzeichnis unter den gedruckten Werken, tatsächlich aber wurden sie bis hinein in das 20. Jahrhundert nie veröffentlicht. Die innovative, unkonventionelle Form der Streichsinfonien und ihr fast durchweg dramatisch-turbulenter Ausdruck werden die an den galanten Stil der Frühklassik gewohnten Zeitgenossen C.P.E. Bachs musikalisch überfordert haben und auch gegenwärtig ist die immense Ausdruckskraft dieser Kompositionen beinahe singulär in der Musikgeschichte des 18. Jahrhunderts.
Bemerkenswert ist, dass sich das vor allem für hochrangige Interpretationen auf dem Gebiet der Neuen Musik bekannte Ensemble Resonanz unter der Leitung von Ricardo Minasi an die Aufnahme der spektakulären Werke gewagt hat. Der Dirigent selbst zählt Bachs Sinfonien zu den schwierigsten Werken des Repertoires für Streichorchester. C.P.E. Bach schneide in diesen Werken nicht die Verbindung zur musikalischen Vergangenheit ab, sondern er spiele mit der Tradition. Das klangliche Ergebnis dieser Aufnahme ist verblüffend: Kraftvoll und volumenreich ist der Klang der auf moderne Instrumente zurückgreifenden Streicher, aufbrausend und schnittig die scharfen Phrasierungen vor allem in den Violinen.
Die Gegensätzlichkeit der Abschnitte und die schroffe Dramatik bringt das Ensemble hervorragend zur Geltung, wenn auch die tiefen Streicher im zweiten Satz der Sinfonia G-Dur letzte Präzision vermissen lassen, was insgesamt eine kleine Schwachstelle der vorliegenden Aufnahme bleibt. Charakteristisch für die gewissermaßen kompromisslose Interpretation des Ensembles sind die auffallend scharfen, harten Strichbewegungen und die daraus folgende Artikulation der Instrumentalisten (etwa im 'Presto' der Sinfonia h-Moll), welche die kurzzeitigen Momente musikalischen Schwelgens und der Ruhe immer wieder mit plötzlicher Heftigkeit unterbrechen. Dies macht die Aufnahme zu einem einzigartigen, nicht unbedingt ‚einfachen’ und leicht bekömmlichen, aber in jedem Fall tiefen Eindruck hinterlassenden Klangerlebnis.
Stürmisch und angriffslustig werden die schnellen Sinfoniesätze angegangen. Virtuosität und Radikalität der Interpretation lassen an kaum einer Stelle nach. Wer Klangschönheit und weit ausgreifende musikalische Bögen erwartet, kann bei dieser Aufnahme lange suchen. Überraschend und spontan, aber in jeder Hinsicht interessant wirken die raschen, manchmal pausenlosen Satzübergänge beispielsweise vom zweiten zum dritten Satz der Sinfonia B-Dur, wo das Gefühl von Atemlosigkeit jede sichere, bequeme Distanz zum musikalischen Werk aufbricht.
Der auch klangtechnisch fesselnde, überwältigende Höreindruck ist Resultat dieses offensiven, riskanten Zugangs zu den sechs Streichersinfonien durch ein Ensemble, das unvoreingenommen, mit spürbarem Ehrgeiz und hoch engagiert an die Kompositionen herangeht.
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Bach, Carl Philipp Emanuel: 6 Hamburg Sinfonien |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Es-Dur 1 19.09.2014 |
Medium:
EAN: |
CD
4015372820534 |
![]() Cover vergössern |
Es-Dur ES-DUR ist ein Label für klassische und zeitgenössische Musik mit Sitz in Hamburg. Das Label wurde 1992 zusammen mit dem Label CHARADE vom Tonmeister Eberhard Schnellen gegründet und erwarb sich aufgrund der herausragenden künstlerischen und technischen Qualität der mittlerweile rund 50 Veröffentlichungen schnell einen sehr guten Ruf. Im Frühjahr 2011 übergab Eberhard Schnellen die Führung des Labels in die Hände seiner langjährigen Mitarbeiter Karola Parry und Udo Potratz, beide ebenfalls Tonmeister. ES-DUR bietet sorgfältig produzierte Editionen wie die Kammermusikreihe mit David Geringas und Tatjana Schatz. Im Rahmen dieser Reihe legte David Geringas im November 2011 mit GERINGAS PLAYS BACH PLUS eine außergewöhnliche Einspielung der Cello-Suiten von J.S.Bach vor, die in der Presse überaus positiv aufgenommen wurde. Die Reihe MUSIK AM GOTHAER HOF mit der Thüringen Philharmonie Gotha unter Herrman Breuer und bekannten Solisten wie Antje Weithaas, Jens Peter Maintz oder Michael Sanderling reflektiert das reiche musikalische Schaffen der Komponisten vom Gothaer Hof wie Louis Spohr, Georg Anton Benda und Andreas Romberg und wurde in der Fachpresse mit höchstem Lob bedacht. Der ES-DUR-Katalog repräsentiert den Reichtum und die Vielfalt der Musikgeschichte und Gattungen, großen Raum finden aber auch die spannenden musikalischen Entwicklungen der Gegenwart - der Klang unserer Zeit. Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei...![]() |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Es-Dur:
-
Beredte Dialoge: David und Tatjana Geringas servieren romantische Cello-Feinkost. Weiter...
(Thomas Gehrig, )
-
Beide Schumanns und mehr: Eine schöne Schumann-Chorplatte, Robert und Clara mit Bemerkenswertem. Dazu Killmeyer als romantischer Kommentar gemäßigter Moderne. Der NDR Chor ist eine agile Formation, die Philipp Ahmann in seiner Hamburger Zeit in die Repertoire-Breite geführt hat. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
-
Vielschichtige Duos: Linda Leine und Daria Marshinina überzeugen auf 'Piano duo' mit Werken von Schubert, Strawinsky und Vasks. Weiter...
(Michaela Schabel, )
Weitere CD-Besprechungen von Marion Beyer:
-
Inspiration und Prävention: Dieses Grundlagenwerk richtet sich an alle, die praktisch mit Musik zu tun haben. Trotz des breit adressierten Zielpublikums geht es in angemessener Weise in die Tiefe. Der Abschnitt mit praktischen Übungen könnte allerdings umfangreicher sein. Weiter...
(Marion Beyer, )
-
Wiederbelebte Gattung der Opernfantasie: Die vorliegende Aufnahme ist ein schöner Beitrag zur immer mehr vergessen Gattung der Opernfantasie, deren Zweck als Erinnerung an Opern und ihre Melodien in Zeiten der ständigen Abrufbarkeit von Medien hinfällig ist. Weiter...
(Marion Beyer, )
-
Mädchenhaftes Sein und Fühlen: Packende, mitreißende Interpretationen von Liedern Hugo Wolfs und Richard Strauss' und seltenes Repertoire mit Kompositionen von Ludwig Thuille sorgen für ein genussvolles, spannendes Hörerlebnis. Weiter...
(Marion Beyer, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Federleicht wie Träume: Aufbruch in die Klangwelten Salvatore Sciarrinos. Weiter...
(Michael Pitz-Grewenig, )
-
Transzendentales Spiel: Manuel Cini meistert Liszts große Etüden (mit kleinen Abstrichen). Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Zeitlose Klavierkunst : Wilhelm Backhaus spielt Beethoven und Brahms in Aufnahmen von 1927–1939, Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
Portrait

"Auf der Klarinette den Sänger spielen, das ist einfach cool!"
Der Klarinettist Nicolai Pfeffer im Gespräch mit klassik.com.
Sponsored Links
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich