
Reznicek, Emil Nikolaus von - Symphonien Nr. 3 & 4
Mit leichter Hand
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Auf eine Referenzeinspielung der Sinfonien Emil Nikolaus von Rezniceks müssen wir weiterhin warten, auch wenn diese Aufnahme der Dritten und Vierten Sinfonie vor allem klangfarblich einiges zu bieten hat.
Nachdem cpo zahlreiche Weltersteinspielungen aus dem vielfältigen Schaffen Emil Nikolaus von Rezniceks vorgelegt hat, nun also die fünf Sinfonien, hier die Sinfonien Nr. 3 und 4. Beide Werke (im September 2010 eingespielt) wurden bereits 1985 gemeinsam auf CD vorgelegt – damals durch die mittlerweile lang aufgelöste Philharmonia Hungarica unter Gordon Wright (Koch Schwann). Die nun vorliegende Neueinspielung leitet Frank Beermann, der ebenfalls 2010 die Uraufführung von Rezniceks Oper 'Benzin' leitete.
Reznicek versucht in seinen beiden 1918/9 entstandenen Werken einen anderen Weg als Strauss oder Reger zu finden. Die dritte Sinfonie D-Dur bietet ein paar musikalische Scherze auf, die in Richtung Siegfried Wagner oder Engelbert Humperdinck weisen. Das Thema selbst ist eine Volksweise aus dem 15. Jahrhundert – hier will Reznicek also eindeutig eine ‚volkstümliche’ Sinfonie schreiben (er schreibt an Stelle eines Scherzos eine Art Menuett mit ‚atonalen’ Einschlägen) und schreckt auch nicht vor allerhand Anlehnungen an Komponisten der Gegenwart oder jüngeren Vergangenheit zurück. Immer wieder gerät die Musik nachgerade bühnendramatisch – der Kopfsatz hätte auch als Opernouvertüre genutzt werden können. Das auf Schumann aufbauende 'Allegro ma non troppo' des Satzes gerät in Beermanns Interpretation – nicht zuletzt durch die Musik selbst – zunächst etwas ‚four-square’, zu stark abgezirkelt, auch wenn Beermanns Sinn für Klangfarben immer wieder durchscheint (eine gewisse Verwandtschaft Rezniceks etwa zu Ermanno Wolf-Ferrari ist beispielsweise auffallend).
Das große Plus der Neueinspielung sind zumeist die Bläser der Robert-Schumann-Philharmonie (hiervon profitiert vor allem der langsame Satz). Die Streicher verfügen schlicht nicht über das Finish, das man von einem echten A-Orchester fordern darf und muss; immer wieder klingen besonders die Violinen dünn und fast ‚zwirnsfädern’. Ein direkter Vergleich mit der fünfundzwanzig Jahre älteren Einspielung erweist, dass Beermann insgesamt die leichtere Hand hat (auch wenn er für den 'Andante' vorgeschriebenen gar nicht so langsamen Satz etwas länger braucht), Wright (einstmals der führende Kopf der amerikanischen Reznicek Society) aber die Musik leichter als absolute Musik wirken lassen kann.
Die heikle Eröffnung der Sinfonie Nr. 4 f-Moll – eine Unisono-Bewegung, die aus den tiefen Streichern hervorsteigt und so das ganze sinfonische Treiben in Gang setzt – gelingt Beermann deutlich pointierter und damit überzeugender als Wright, auch wenn die Violinen schon bald das Vergnügen wieder etwas trüben. Hier bemüht Reznicek teilweise andere Komponisten als Paten seiner Kompositionskunst, bleibt aber auch hier Eklektiker. Der langsame Satz, mit der Überschrift 'Trauermarsch auf den Tod eines Komödianten', ist wohl der originellste Satz der ganzen Komposition, nicht zuletzt der programmatischen Konnotationen wegen, die Rezniceks Naturell offenbar entgegenkommen. Das pompöse Finale besteht aus sieben Variationen, inklusive einem Fugato, mit dem Reznicek auch akademische Fähigkeiten demonstriert.
Insgesamt überzeugende Aufnahmetechnik und Eckhardt van den Hoogens inspirierter Booklettext komplettieren dies leider denn doch nicht ganz überzeugende Paket. Da auch Gordon Wrights Einspielung keineswegs völlig makellos war, dürfen wir auf die echte Referenzeinspielung der Reznicek-Sinfonien noch warten.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Reznicek, Emil Nikolaus von: Symphonien Nr. 3 & 4 |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
cpo 1 23.07.2014 |
Medium:
EAN: |
CD
761203763726 |
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Reznicek, Emil Nikolaus von |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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