
Britische Musik für Cello und Klavier - Werke von Busch, Leighton, Wordswoth u. a.
Vereinsarbeit
Label/Verlag: Naxos
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Bei Naxos werden Einspielungen wiederaufgelegt, die im Rahmen der verdienstvollen Arbeit der British Music Society entstanden sind und sich weitgehend unbekannten Werken von der Insel widmen. Hier sind es Cellowerke, die ansprechend interpretiert werden.
1979 wurde die British Music Society gegründet, die es sich zum Ziel gesetzt hat, vergessene Komponisten vor allem der vergangenen hundert Jahre wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken. Nachdem zunächst Musikkassetten etwa die Ergebnisse von Wettbewerben dokumentierten, aber auch Eigenproduktionen unbekanntes Repertoire präsentierten (etwa eine umfassende Werkschau des Klavierschaffens Bernard von Dierens, auf die der geneigte Hörer bis heute auf CD warten muss), ging man später dazu über, auf CD zu produzieren. Um Kosten zu sparen, stellten sich nicht selten Vorstandsmitglieder oder zumindest enge Freunde von diesen in den Dienst der Sache. Der vornehmlich in Großbritannien bekannte Pianist und Pädagoge Raphael Terroni (1945–2012) war 1983-6 2000-6 Vorstandsvorsitzender des Vereins und legte auf dem hauseigenen Label insgesamt vier CDs vor, der international überaus erfolgreiche Cellist Raphael Wallfisch, Vizepräsident der British Music Society, ebenfalls vier. Eine dieser CDs ist mittlerweile nicht mehr lieferbar und auch die anderen CDs wurden in geringen Auflagen produziert, so dass der Schritt zu Naxos ein ausgesprochen kluger ist. Wie sonst als durch ein möglichst großes Publikum kann man Musik aus einem Land, das laut einem immer noch verbreiteten, mittlerweile mehr als hundert Jahre alten Diktum ein Land ohne Musik ist, verbreiten?
Die vorliegende CD enthält vier Werke von drei der zuvor bei der British Music Society erschienenen CDs. Ich persönlich bedauere diese Entscheidung, denn so wird keine dieser älteren CDs für den Sammler obsolet. Keiner der Komponistennamen ist selbst dem interessierten Hörer wirklich geläufig – am ehesten vielleicht Arnold Cooke (1906–2005), dem man eine gewisse Nähe zu Hindemith nachsagt.
William Busch (1901–1945) war Sohn naturalisierter deutscher Eltern (nicht verwandt und verschwägert mit der berühmten deutschen Musikerfamilie Busch); in London war er Kompositionsschüler von Bernard van Dieren, John Ireland und Alan Bush und erhielt Klavierunterricht von Wilhelm Backhaus und Egon Petri. Buschs kompositorisches Schaffen ist überschaubar (er starb während der Evakuierung nach Devon an einer Hirnblutung), mehrere Werke gelten als besonders bedeutend – sein Lied 'Rest' war in der Einspielung durch Janet Baker lange seine nahezu einzige international bekannte Komposition. Die 1943 entstandene Suite für Cello und Klavier zeigt sich ganz auf der Höhe des kompositorischen Geschmacks seiner Zeit (wie dieser Geschmack in England war, mit gemäßigter freier Tonalität und klarer Formgebung), durch Wallfisch und Terroni erlangt das Werk hier eine leidenschaftliche Wiedergabe. Wallfischs expressiver Ton mag manchem nicht ganz passen, doch durchdringt er unzweifelhaft jede äußerliche Hülle bloßer Klangschönheit und dringt so zum Kern der Musik vor.
Kenneth Leighton (1929–1988) hat in England selbst einen außerordentlichen Ruf als einer der wichtigsten britischen Komponisten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der dem Kontinentaleuropäer nicht gleich verständlich ist; erst wenn man sich intensiv mit seinem Schaffen auseinandersetzt, wird dieses Renommee verständlich. Leighton, der Kompositionsschüler Goffredo Petrassis war, griff immer wieder auf hochtraditionelle Formen zurück. Seine Partita op. 35 aus dem Jahre 1959 nutzt in ihren drei Sätzen 'Elegy', 'Scherzo' und 'Theme and Variations' eine große Vielfalt an Stimmungen. Wie Buschs Komposition ist das Werk von großem Ernst, ebenfalls tonal frei, mit äußerst reizvollen harmonischen Wendungen. Wallfisch und Terroni übermitteln bestens die Intensität dieses Werkes, das Brittens Sonate aus dem Jahre 1960 klar in eine Traditionslinie stellt, die Britten selbst gerne ignoriert hätte.
Ebenfalls 1959 entstand die zweite Cellosonate g-Moll op. 66 von William Wordsworth (1908–1988), einem Komponisten, der durchaus unter der Namensgleichheit mit dem berühmten Dichter zu leiden hatte. Die British Music Society hatte 1985 die Ersteinspielung der Sonate aus dem Jahre 1965 wiederveröffentlicht. Ein direkter Vergleich zwischen der 2008 gemachten Neueinspielung und der früheren Produktion mit William Pleeth und Margaret Good fällt allerdings sehr zugunsten von Pleeth und Good aus: Wo Wallfisch klanglich durch überstarkes Vibrato teilweise regelrecht die melodische Linie verbiegt, bietet Pleeth mit noblem, verinnerlichtem und im Forte expressiven (aber nicht überexpressiven) Ton eine ganz andere, noch deutlich intensivere Interpretation. Die insgesamt verhalteneren Tempi tragen überdies dazu bei, dass die Komposition ganz eigenen Charakter erhält; selbst die altmodischere Aufnahmetechnik beeinträchtigt nicht den Referenzcharakter der älteren Einspielung.
Die Einspielung von Arnold Cookes (1906–2005) zweiter Cellosonate erschien 2006 erstmals auf einer ‚Three String Sonatas’ betitelten CD, die einen wichtigen Beitrag zur Werkschau des Komponisten leistete (die beiden anderen Sonaten sind für Violine bzw. Viola – diese CD ist mittlerweile auch bei Naxos wiederveröffentlicht). Die 1980 entstandene Cellosonate zeigt viele von Cookes typischen Stilspezifika – im konventionellen Rahmen bietet er musikalisch ausgesprochen attraktive Musik, wenn man bereit ist, sich auf retrospektive Musik einzulassen; im Grunde führt Cooke mit seiner Sonate die Tradition Wordsworths und Leightons fort, doch auf einer etwas weniger stark emotionalen Ebene.
Das Remastering der vier aus – wie gesagt – unterschiedlichen Quellen stammenden Einspielungen ist rundum gelungen, und außer dass ich eine unveränderte Wiederveröffentlichung der Leighton-CD vorgezogen hätte, kann man von einer insgesamt rundum gelungenen Leistung sprechen. Mich jedenfalls hat die CD gleich wieder auf Erkundungsgang gehen lassen, was es da sonst noch alles zu entdecken gibt in der britischen Musikgeschichte.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Britische Musik für Cello und Klavier: Werke von Busch, Leighton, Wordswoth u. a. |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Naxos 1 30.06.2014 |
Medium:
EAN: |
CD
747313135271 |
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Naxos Als der Unternehmer Klaus Heymann 1982 für seine Frau, die Geigerin Takako Nishizaki in Hongkong das Plattenlabel Marco Polo gründete, war dies der Beginn einer beispiellosen Erfolgsgeschichte. Fünf Jahre später rief Heymann das Label NAXOS ins Leben, das in der Klassikwelt längst zur festen Größe geworden ist und es bis heute versteht, hohe Qualität zu günstigen Preisen anzubieten. Der einzigartige und sich ständig erweiternde Katalog des Labels umfasst mittlerweile über 8.000 CDs mit mehr als 130.000 Titeln - von Kostbarkeiten der Alten Musik über sämtliche berühmten "Klassiker" bis hin zu Schlüsselwerken des 21. Jahrhunderts. Dabei wird der Klassik-Neuling ebenso fündig wie der Klassikliebhaber oder -sammler. International bekannte Künstler wie das Kodály Quartet, die Geigerin Tianwa Yang, der Pianist Eldar Nebolsin und die Dirigenten Marin Alsop, Antoni Wit, Leonard Slatkin und Jun Märkl werden von NAXOS betreut. Darüber hinaus setzt NAXOS modernste Aufnahmetechniken ein, um höchste Klangqualität bei seinen Produktionen zu erreichen und ist Vorreiter in der Produktion von hochauflösenden Blu-ray Audios - Grund genug für das renommierte britische Fachmagazin "Gramophone", NAXOS zum "Label of the Year" 2005 zu küren. Auch im digitalen Bereich nimmt NAXOS eine Vorreiterrolle ein: Bereits seit 2004 bietet das Label mit der NAXOS MUSIC LIBRARY ein eigenes Streamingportal mit inzwischen über 1 Million Titel an und unterhält mit ClassicsOnline zudem einen eigenen Download-Shop. Mehr Info... |
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