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Sonntag, 4. Juni 2023

Hello - Solistenensemble Kaleidoskop

Eine etwas andere Vorstellung


Label/Verlag: ARS Produktion
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Mit seiner ersten CD "Hello I'm Solistenensemble Kaleidoskop" stellt sich das junge Berliner Ensemble auf dem Tonträgermarkt vor und überrascht mit einem stilistisch äußerst breit gefächerten Programm.

2006 gründete sich das Solistenensemble Kaleidoskop und begeisterte schon kurz darauf durch die charakteristische Verbindung von musikalischer Umsetzung und szenischer Inszenierung. Die jungen Musiker scheinen stets auf der Suche nach neuen Herangehensweisen für ihr Programm und dessen Performance, weshalb sie sich mittlerweile eher als Künstlergruppe denn als klassisches Ensemble bezeichnen.

Die szenische Ebene musste das Ensemble für ihr bei Ars Produktion erschienenes Debütalbum leider vernachlässigen. Dessen ungeachtet ist dem Ensemble damit eine spannende Einführung gelungen. Die CD enthält mit Claude Viviers 'Zipangu', Georg Friedrich Haas’ Sextett von 1982 und Iannis Xenakis 'Aroura' drei Werke zeitgenössischer Musik und wird abgerundet von Joseph Haydns Sinfonie Nr. 64 in A-Dur (Hob. 58).

Die ausgewählten Stücke gehören zum Kernrepertoire des Ensembles und demonstrieren, wie souverän es sich zwischen den musikalischen Stilen bewegen kann. Zwar handelt es sich bei diesem Album nicht um die allererste Platte des Ensembles Kaleidoskop, denn es hat seit 2008 bereits mehrere Solisten bei Einspielungen von Joseph Haydn, Johann Sebastian Bach und Giovanni Sollima begleitet. Doch nun steht die Gruppe erstmals selbst im Mittelpunkt und stellt das Können jedes ihrer Mitglieder unter Beweis. Für Haydns Sinfonie wird das Ensemble von Gastmusikern an Oboe und Horn unterstützt, kommt ansonsten jedoch mit seiner aus 15 Streichern bestehenden Kernbesetzung aus.

Musikalisch zeigt sich das Solistenensemble Kaleidoskop von seiner besten Seite – oder besser: von seinen besten Seiten, bedenkt man die höchst unterschiedlichen Stile der Werke. Claude Viviers 'Zipangu' aus dem Jahr 1980 kommt geheimnisvoll, beinahe mystisch daher. Der Titel bezieht sich auf Marco Polos Bezeichnung für Japan, die von Vivier als Symbol für den inneren Reichtum des Menschen aufgefasst wird. Genauso vielfältig sind auch die angewandten Gestaltungsmittel: Mal wird die Ruhe der Melodielinie von hektischen Tremoli gestört, mal fallen Glissandi wie verglühende Sternschnuppen. Durch das Knarren der mit großem Druck gespielten Geigenbögen, Triller und starke Crescendo-Decrescendo-Wechsel erzeugen die Musiker für den Hörer einen plastischen Eindruck des musikalischen Geschehens. Das klare, ausdrucksstarke Violinensolo wirkt neben dem bewusst starren Orchester nur umso lebendiger, und wenn gegen Ende nochmals vom gesamten Orchester die Ausgangsmelodie aufgegriffen wird, schafft es das Ensemble hier, ihr noch mehr Tiefe zu verleihen als bereits zu Beginn.

Das zweite Stück der Platte, Haas’ Sextett für drei Violen und drei Violoncelli, ist eine musikalische Rarität. Außer vom Solistenensemble Kaleidoskop wurde es bisher lediglich vom Klangforum Wien aufgeführt. Obwohl Haas’ Musik oft auf mikrotonalen Elementen basiert, hat sie dennoch traditionelle Einflüsse, die das Ensemble auch hörbar macht. Die ruhige Grundstimmung des Stücks wird von den Musikern in einem fast nebulösen Klang ausgedrückt. Daraus erheben sich einzelne Klang-Lichter, ertönt gehaucht eine Viola, werden wuchtige Staccatos eingeworfen. Vor allem bei den präzise ausgeführten Pizzicato-Stellen bringen die Musiker Präsenz in das Stück. Immer wieder scheinen sich die Stimmen im Nebel zu suchen und kurzzeitig auch zu finden, um sich dann wieder zu verlieren. Dass dabei kein Durcheinander entsteht, liegt an den bestens aufeinander abgestimmten Musikern.

Im Kontrast dazu beginnt Xenakis’ 'Aroura' laut, wuchtig und erdrückend, worauf jedoch gleich leise, tröpfelnde Pizzicato-Passagen folgen. Solche Kontraste und die alles durchbrechenden Pausen sind Kernelemente des Stücks, das von den Musikern des Solistenensembles Kaleidoskop impulsiv umgesetzt wird. ‚Prägend für die Musiksprache des Komponisten und Architekten Xenakis sind das Herausarbeiten architektonischer Strukturen sowie der Einfluss von Gesetzmäßigkeiten aus Natur und Mathematik. Dieses Raumempfinden, in dem sich die verschiedenen Stimmen bewegen, entsteht vor allem durch die starken dynamischen Kontraste. Das Ensemble lässt die Glissandi geradezu durch den musikalischen Raum schwirren, so dass sie manchmal ganz nah scheinen und gleich darauf wieder in einer weit entfernten Ecke tönen. Die erweiterten Instrumentaltechniken der Komposition stellen eine weitere Herausforderung dar, die die Musiker jedoch ohne Probleme meistern. Spätestens hier wird der Name des Ensembles zum Programm und es zeigen sich die solistischen Fähigkeiten der Mitglieder, denn auch in der komplexen Satzanlage von Xenakis scheint jede Stimme exakt auf die anderen abgestimmt.

Nach diesen eindringlichen, fordernden Höreindrücken ist Haydns Sinfonie Nr. 64 eine willkommene Abwechslung und eine weitere Möglichkeit des Solistenensembles Kaleidoskop, seine Wandlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Mit Leichtigkeit und einem frischen Ansatz präsentiert es eine gelungene Deutung dieses eher selten aufgeführten Werks von Joseph Haydn mit dem Untertitel ‚Tempora mutantur’ (Die Zeiten ändern sich). Trotz aller Natürlichkeit des Zugangs legt das Ensemble viel Wert auf Details und Ausdruckskraft. Die kontrastierende Dynamik des exzentrischen zweiten Satzes wird wunderbar umgesetzt und auch in den fortwährend den musikalischen Puls unterbrechenden Pausen fällt die Spannung nicht ab. Das unbeschwerte Menuett des dritten Satzes mit den sauber ausgeführten Intervallsprüngen und Trillerfiguren ist ebenso gelungen wie der vierte Satz mit seinen unvermittelten thematischen Kontrasten, die das Ensemble dennoch harmonisch zusammenfügt.

Zuletzt soll auf das ungewöhnliche Booklet hingewiesen werden – wenn es denn als solches bezeichnet werden kann. Auseinandergefaltet ergibt sich auf der einen Seite ein Poster des Solistenensembles Kaleidoskop, auf der Rückseite finden sich einige Informationen zum Ensemble sowie avantgardistische Gedichte statt Texte zu den auf der CD enthaltenen Werken. Auch wenn man sich gerade zu den ersten drei Titeln etwas mehr Informationen wünschen würde, ist diese Präsentation doch so ausgefallen wie das Ensemble selbst.

Mit seiner sympathischen und erfrischend anderen Einführung gibt das Solistenensemble Kaleidoskop einen ersten Geschmack seines musikalischen Könnens und hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Man darf gespannt sein auf mehr.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:






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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Hello: Solistenensemble Kaleidoskop

Label:
Anzahl Medien:
ARS Produktion
1
Medium:

CD


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Haas, Georg Friedrich
 - Sextett -
Haydn, Joseph
 - Sinfonie Nr. 64, A-Dur, Hob. 58 Tempora Mutantur - Allegro con Spirito
 - Sinfonie Nr. 64, A-Dur, Hob. 58 Tempora Mutantur - Largo
 - Sinfonie Nr. 64, A-Dur, Hob. 58 Tempora Mutantur - Menuet e Trio, Allegro
 - Sinfonie Nr. 64, A-Dur, Hob. 58 Tempora Mutantur - Finale, Presto
Vivier, Claude
 - Zipangu -
Xenakis, Yannis
 - Aroura -


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Dirigent(en):Lee, Tammin Julian


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ARS Produktion

Das exquisite Klassiklabel ARS Produktion wurde 1987 von Annette Schumacher mit dem Ziel gegründet, jungen, aufstrebenden Künstlern und interessanten Programmen gleichermaßen eine individuelle musikalische Heimat und entsprechende Marktchancen, u.a. durch internationalen Vertrieb und Vermarktung zu geben. Die bei Paul Meisen ausgebildete Konzertflötistin hat sich damit nach langer aktiver Musikerlaufbahn einen geschäftlichen Traum erfüllt.
Für die hervorragende Aufnahmequalität der zahlreichen ARS Produktionen ist Manfred Schumacher, Tonmeister und Aufnahmeleiter, verantwortlich.
Spezifisch für das Label und die Haltung seiner Macher/in: stets wird u.a. den klanglichen Erfordernissen der jeweiligen Werke, Musikepochen und Instrumente in größtmöglicher Weise Rechnung getragen sowie im Übrigen die neueste, beste Technik eingesetzt.
Annette und Manfred Schumacher sind ?Überzeugungstäter?. Zwei Individualisten, die Kunst, Kommerz und Können geschickt vereinbaren.
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