
Förtsch, Johann Philipp - Kantaten
Vielseitig begabt
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Geistliche Musik des Gottorfer Kapellmeisters Johann Philipp Förtsch, auf künstlerischer Augenhöhe gesungen und gespielt von Weser-Renaissance Bremen und Manfred Cordes.
Johann Philipp Förtsch (1652-1732) ist ein exzellentes Beispiel für die Vielseitigkeit, mit der Musiker in der Vergangenheit gebildet sein konnten – auch ein Beispiel für die Flexibilität ihrer Dienst- und Einsatzmöglichkeiten: Während seine musikalische Ausbildung nicht detailliert dokumentiert ist, wissen wir von juristischen und medizinischen Studien. Und so kann es nur in heutiger Perspektive – von den Idealen des romantischen Blicks auf den Künstler ebenso bestimmt wie von den Überzeugungen der Gegenwart – überraschen, dass Förtsch ebenso als Musiker am Gottorfer Hof wie in späteren Jahren als Leibarzt oder Diplomat in diesem Umfeld reüssierte. Ein Mensch mitten im Leben seiner Zeit, vielseitig begabt und erfolgreich.
Dass er kompositorisch alles andere als ein Dilettant ist, will Manfred Cordes mit der zweiten Folge seiner Reihe mit Musik für Schloss Gottorf unterstreichen – mit einem schönen Programm von Kantaten und Geistlichen Konzerten. Zunächst ist ein affektstarker Komponist zu erleben, dessen Zeit an der Hamburger Oper am Gänsemarkt deutliche Spuren hinterlassen hatte: Förtsch setzt die Vielzahl der rhetorischen Mittel gekonnt ein, findet zu intensiv durchgestalteten Szenen, die sich einem bemerkenswert variantenreichen Satz verdanken. Die Arbeiten wirken immer gut proportioniert, in den Formen und Linien prägnant, sind insgesamt deutlich oberhalb bloßer technischer Bemühungen positioniert.
Die Geistlichen Konzerte und Kantaten – die formalen Übergänge sind noch fließend, klare Gliederung von Sätzen ist noch die Ausnahme – sind spürbar inspiriert. Ein Eindruck, der sich auch wegen des bemerkenswert eigenständigen und ideenreichen Einsatzes der Instrumente noch verstärkt. Förtschs Musik ist künstlerisch kaum weniger interessant als die der heute prominenteren, um eine Generation älteren Schütz-Schüler Matthias Weckmann oder Christoph Bernhard.
Subtile Deutung und angemessene Würdigung
Manfred Cordes scheint mit seinem vielfach erprobten Ensemble Weser-Renaissance Bremen ein gleichsam natürlicher Anwalt dieser Musik. Und die Besetzung der vorliegenden Einspielung unterstreicht das deutlich: Vokal ist das Ensemble mit den sechs überwiegend deutlich profilierten Akteuren sehr idiomatisch besetzt, von den beiden Sopranen Magdalena Podkoscielna und Andrea Lauren Brown, über den Altus David Erler, die Tenöre Hans Jörg Mammel und Mirko Ludwig bis zum edlen Bassfundament, das Harry van der Kamp mit bekannter Noblesse liefert. Besonders positiv fallen in den verschieden besetzten Kompositionen die oft besetzten Mammel, Ludwig und van der Kamp ins Gewicht, auch durch eine sehr natürliche Diktion. Letzter Aspekt ist bei den beiden Sopranistinnen nicht in ganz gleicher Qualität präsent. Doch überzeugen auch sie mit stilistischer Eleganz, tragen sie ebenso wie David Erler zur mehr als nur angemessenen Verlebendigung der Musik bei, in homogener künstlerischer Geste.
Das setzt sich im hervorragend besetzten Instrumentalensemble nahtlos fort, unter anderem mit Veronika Skuplik und Irina Kisselova an den Violinen, mit Frauke Hess, Marthe Perl und Christian Heim an den Gamben oder mit Joachim Held am Chitarrone. Alle nutzen den erheblichen Entfaltungsraum, den ihnen Förtsch eröffnet, ganz entschieden aus. Besondere Erwähnung verdient das ausgewogen schön klingender Gambenensemble, auch der klar und strukturbetonend gespielte Basso continuo.
Manfred Cordes leitet das Geschehen in frischen Tempi an, entfaltet die Klangmöglichkeiten von den repräsentativ mit zwei Trompeten besetzten Werken bis zu den intimen Arbeiten höchst differenziert, stets an feinen Nuancen interessiert. Natürlich ist viel gestisch behände Aktivität zu hören, doch kommt auch die Entfaltung der schönen Linien – zum Beispiel im Lamento ‚Weh denen, die auf Erden wohnen‘ – voll zu ihrem Recht. Das Klangbild ist insgesamt gut, angenehm in der Darstellung der Räumlichkeit, auch strukturell überzeugend, mit einem kleinen Nachteil für den Instrumentalbass.
Förtsch ist eine wirklich interessante Figur der Musikgeschichte, das war schon zuvor bekannt. Er kann aber auch rein musikalisch überzeugen, seine Kompositionen sind künstlerisch relevant, inspiriert und erfrischend. Manfred Cordes setzt das mit seinem sehr gut disponierten Ensemble Weser-Renaissance Bremen auf Augenhöhe mit Förtsch um. Eine wirklich schöne Platte.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Förtsch, Johann Philipp: Kantaten |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
cpo 1 23.04.2014 |
Medium:
EAN: |
CD
761203786022 |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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