
David, Felicien - Lalla Roukh
Exotistisches Opernkonzert
Label/Verlag: Naxos
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Félicien Davids 'Lalla Roukh', ein Rarissimum der Opernbühne, bringt Naxos in einer sängerisch und orchestral ansprechenden Produktion heraus. Nur leider fehlen auch hier einmal mehr die Dialoge.
Zu Lebzeiten war Félicien David (1810-1876) nicht zuletzt bekannt für seine seinerzeit als spektakulär geltende Chorsinfonie 'Le désert' (1844). Das ist lange her, selbst Davids Nachruhm ist heute stark verblasst, obschon vor zwei Jahren beim Label Laborie einige Kammermusikwerke auf CD vorgelegt wurden. Was überall hier auffällt, ist eine Klangsprache, die eine ausgesprochen aparte ist, die aber auf modernen Instrumenten heute nicht selten eher unverständlich gerät. Seine besonderen Texturen, die die instrumentatorischen Feinheiten seiner Zeit benutzen, gleichzeitig als ausgesprochen französisch bezeichnet dürfen, bedürfen im besten Sinne eines ‚Klangmagiers‘, um voll und ganz zu überzeugen.
Davids Opéra comique 'Lalla Roukh' nach einem Kapitel aus dem berühmten gleichnamigen Epos von Thomas Moore ist im Grunde ein Nachzügler – besonders in Mode war Moores Dichtung in den 1820er- bis 1840er-Jahren, als Robert Schumann und andere Oratorien und Tondichtungen schufen, die auf Teilen des Epos beruhten. Die Mode exotistischer Werke, die den vorderen Orient musikalisch in die europäischen Konzertsäle zu holen bestrebt war, hielt sich jedoch – unter sich verändernden Vorzeichen – bis mindestens zum Ersten Weltkrieg. Davids Oper ist ungefähr in der Mitte dieser Epoche anzusiedeln, in den 1860er-Jahren, in jener Zeit, in der auch Bizets 'Les pêcheurs de perles' und 'Djamileh' entstanden. Während 'Djamileh' aber nur noch eine kurze gesprochene Passage aufweist und 'Les pêcheurs de perles' überhaupt keine, ist 'Lalla Roukh' im Grunde eine weitaus typischere Opéra comique, mit ausführlichem Dialog, der hier aber leider nicht mit eingespielt wurde (was zu Punktabzug führen muss; auf den beiden CDs wären mehr als 40 Minuten Platz für zumindest eine gekürzte Dialogfassung vorhanden gewesen). Musikalisch ist die Komposition ganz ein Werk seiner Zeit, die Ouvertüre führt zurück in die Klangwelt Boieldieus, Hérolds oder Adams und ist gleichzeitig ein Vorecho Massenets. Die einzelnen Gesangsnummern sind weniger progressiv im Stil als Bizets oder Delibes‘ (mit einem Duett für Sopran und Mezzosopran, an dem sich Delibes in 'Lakmé' orientiert haben mag), doch mit eingängiger Melodik und umfangreichem Gebrauch des Chores im ersten Akt.
Die Handlung der Oper ist nicht ganz unähnlich Peter Cornelius‘ ebenfalls zeitnah entstandener komischen Oper 'Der Barbier von Bagdad' (deren Held den gleichen Namen trägt wie in 'Lalla Roukh'): Eine unmögliche Liebe einer Prinzessin zu einem Unbekannten (in diesem Fall dem König von Bukhara in der Verkleidung eines reisenden Sängers) wird nach allerhand Fährnissen glücklich erfüllt. Sechs Solopartien benötigt David – neben dem jugendlichen Liebespaar Lalla Roukh/‚Noureddin‘ Lalla Roukhs Zofe Mirza, ‚Noureddins‘ Botschafter Baskir sowie zwei kleinere unterstützende Rollen, Bakbara und Kaboul.
Die Kanadierin Marianne Fiset leiht der Lalla Roukh einen warmen, blühenden Sopran, der gerade noch die Jugendlichkeit der Prinzessin transportieren kann, aber in Koloraturpassagen etwas zu langsam einschwingt; in lyrischen Passagen hingegen ist sie makellos und voller Innigkeit. Sehr gut auch ist der Schweizer lyrische Tenor Emiliano Gonzalez Toro, dessen Stimme insgesamt aber eher monochrom ist, auch wenn er äußerst sorgsam phrasiert und dynamisiert. Der französische Bassbariton Bernard Deletré (der bei der Produktion auch Regie führte) hat nicht die Raffinesse der besten Fachvertreter, ist immer wieder nicht exakt auf den Punkt, oft in der Klangfarbe eher vulgär denn nobel.
Die Mezzosopranistin Nathalie Paulin überzeugt im Gegenteil durch klangliche Wärme, gute Koloraturfähigkeit und raffinierte dynamische Gestaltung. Chor und Orchester der amerikanischen Opera Lafayette (die, man glaubt es kaum, historisch informiert musiziert) gelingt das Kunststück, das den Chören und Orchestern großer französischer Häuser seit langem nicht möglich scheint – ihr Einsatz für die Musik kommt offenkundig von Herzen, ist äußerst kultiviert, leicht, bestens ausbalanciert. Hier haben wir endlich Chor und Orchester für Operninterpretationen französischer Opern des 19. Jahrhunderts, um die sich die EMI in den 1960er- bis -80er-Jahren nicht verdient gemacht hatte. Einzig scheint der Chor gelegentlich etwas zu klein, die Aufnahmetechnik gelegentlich etwas zu unmittelbar, ohne Weiträumigkeit, so dass sich zwar Intimität ergibt, aber nicht genügend dramatische Spannung.
Dies ist nicht zuletzt der Entscheidung anzulasten, wieder einmal die Dialoge wegzulassen, ohne die die Nummern ihrer dramatischen Kohäsion beraubt werden. Da Libretto und eine umfangreichere Inhaltsangabe fehlen, bleibt es so beim schön klingenden, klanglich durch die Entscheidung für historische Instrumente ausgesprochen attraktiven Opernkonzert, wo man sich doch vielmehr eine echte Opernaufführung gewünscht hätte. Dennoch ist die Produktion insgesamt natürlich sehr zu begrüßen, und vielleicht wird sich die Opera Lafayette in Zukunft ja eben gerade solcher Werke annehmen, auf deren angemessene Darbietung wir seit Jahrzehnten warten – nicht zuletzt der Grand Opéras Meyerbeers und Halévys, vielleicht aber auch der Opéra-comiques Grétrys, Boieldieus und Aubers.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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David, Felicien: Lalla Roukh |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Naxos 2 31.03.2014 |
Medium:
EAN: |
CD
730099033879 |
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Naxos Als der Unternehmer Klaus Heymann 1982 für seine Frau, die Geigerin Takako Nishizaki in Hongkong das Plattenlabel Marco Polo gründete, war dies der Beginn einer beispiellosen Erfolgsgeschichte. Fünf Jahre später rief Heymann das Label NAXOS ins Leben, das in der Klassikwelt längst zur festen Größe geworden ist und es bis heute versteht, hohe Qualität zu günstigen Preisen anzubieten. Der einzigartige und sich ständig erweiternde Katalog des Labels umfasst mittlerweile über 8.000 CDs mit mehr als 130.000 Titeln - von Kostbarkeiten der Alten Musik über sämtliche berühmten "Klassiker" bis hin zu Schlüsselwerken des 21. Jahrhunderts. Dabei wird der Klassik-Neuling ebenso fündig wie der Klassikliebhaber oder -sammler. International bekannte Künstler wie das Kodály Quartet, die Geigerin Tianwa Yang, der Pianist Eldar Nebolsin und die Dirigenten Marin Alsop, Antoni Wit, Leonard Slatkin und Jun Märkl werden von NAXOS betreut. Darüber hinaus setzt NAXOS modernste Aufnahmetechniken ein, um höchste Klangqualität bei seinen Produktionen zu erreichen und ist Vorreiter in der Produktion von hochauflösenden Blu-ray Audios - Grund genug für das renommierte britische Fachmagazin "Gramophone", NAXOS zum "Label of the Year" 2005 zu küren. Auch im digitalen Bereich nimmt NAXOS eine Vorreiterrolle ein: Bereits seit 2004 bietet das Label mit der NAXOS MUSIC LIBRARY ein eigenes Streamingportal mit inzwischen über 1 Million Titel an und unterhält mit ClassicsOnline zudem einen eigenen Download-Shop. Mehr Info... |
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