
Martinu, Bihuslav - Cellosonaten 1 - 3
Lustige Vögel und anderes
Label/Verlag: BIS Records
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Steven Isserlis widmet sich den Cellosonaten von Bohuslav Martinu zum zweiten Mal. Dieser Relektüre ist eindeutig der Vorzug zu geben, nicht zuletzt wegen Olli Mustonens detailscharfem Klavierspiel.
1988 hat Steven Isserlis erstmals die Cellosonaten von Bohuslav Martinu eingespielt – damals für das Label Hyperion und mit dem schottischen Pianisten Peter Evans. Fünfundzwanzig Jahre später ist Isserlis nun noch einmal mit den drei Werken ins Studio gegangen, diesmal für das Label BIS und mit dem international renommierten Finnen Olli Mustonen. Wie Isserlis in seinen ausgesprochen persönlichen Begleitnotizen zur SACD schreibt, kennen sich die beiden Musiker bereits seit 1983. Die enge künstlerische und menschliche Freundschaft wurde zementiert, als Mustonen bei Isserlis logierte und der Cellist das Gästebett mit Plastikinsekten präparierte; beim Abschied war Mustonen freundlich wie zuvor, doch auf dem Bett war säuberlich mit den Insekten das Wort „HA!!!“ gelegt worden.
Diese persönliche warmherzige Beziehung spürt man in jedem Takt der Einspielung der drei, 1939, 1941 und 1952 (nicht wie im Booklettext 1951) entstandenen Cellosonaten Martinus. Gleichzeitig fällt auf, dass Mustonens Spiel im Vergleich zu Evans‘ von deutlich größerer Klarheit und Brillanz ist und auch Isserlis‘ Spiel deutlich virtuoser und emotionaler ist als in der früheren Produktion, die vor allem auch aufnahmetechnisch viel weniger unmittelbar und in der Wiedergabe der Raumakustik deutlich weniger gelungen wirkt. Auch wenn die BIS-SACD-Aufnahmetechnik wohltuend unaufdringlich bleibt und sich den Interpretationen unterordnet, ist doch klar, dass wir es hier mit der deutlich vorzuziehenden Einspielung zu tun haben. Die Ecksätze der jeweils dreisätzigen Sonaten sind voller Energie und Leidenschaft, die Mittelsätze nicht überzogen langsam (jeweils rund eine Minute schneller als in den früheren Einspielungen), dennoch voller enigmatischer Tiefe und lyrischer Wärme. Obschon als Memorialkomposition für Hans Kindler, einen Cellisten und Dirigenten in Washington geschrieben, ist auch die dritte Sonate jedoch insgesamt fern von Weltschmerz und Depression – entsprechend dem Wesen des Verstorbenen haben wir hier eine zwar durchaus gedankentiefe, jedoch insgesamt optimistische Komposition, die Martinus Hauptschaffen für Cello und Klavier (neben den drei Sonaten schuf er mehrere kleinere Kompositionen für diese Besetzung) auf einer positiven Note abschließt.
Ergänzt werden die drei Sonaten durch zwei finnische Kompositionen, die im Abstand von mehr als hundert Jahren entstanden. Jean Sibelius‘ einziges substanzielles Werk für Cello und Klavier, die 1900 entstandene 'Malinconia' op. 20 ist ein emotionaler Gegenpol zu den Martinu-Sonaten. Isserlis kann hier seinen herrlichen warmen Ton, seine Fähigkeit zu feinsten agogischen und dynamischen Abstufungen voll in den Dienst der Musik stellen. Auch hier ist der insgesamt dramatische Zugriff auf die Komposition auffallend; im Vergleich zu Truls Mørk und Jean-Yves Thibaudet (Virgin) benötigen Isserlis und Mustonen rund zwei Minuten weniger, spielen deutlich drängender, leidenschaftlicher. Ihre Melancholie ist nicht nur nach innen gerichtet, sondern hat auch eine nach außen gewandte, verzweifelte Note (die eindeutig in die Musik einkomponiert ist). Olli Mustonens Cellosonate wurde 2006 uraufgeführt und scheint hier ihre CD-Premiere zu erleben. Die Klangsprache dieses viersätzigen Werks ist zeitgemäß post-tonal, im Mittelsatz nicht überfrachtet melancholisch, im Scherzo mit offenkundiger Reverenz an Komponisten der Vergangenheit, in den Ecksätzen von eher introvertierter Natur. Insgesamt eine außerordentlich gelungene Zusammenstellung. Zusammen mit dem (fast) makellosen Booklet und der exzeptionellen Aufnahmetechnik ein rundum empfehlenswertes Gesamtpaket.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Martinu, Bihuslav: Cellosonaten 1 - 3 |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
BIS Records 1 05.03.2014 |
Medium:
EAN: |
SACD
7318599920429 |
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BIS Records Most record labels begin with a need to fill a niche. When Robert von Bahr founded BIS in 1973, he seems to have found any number of musical niches to fill. The first year's releases included music from the renaissance, Telemann on period instruments, Birgit Nilsson singing Sibelius and works by 29 living composers - Ligeti and Britten as well as Rautavaara and Sallinen - next to Purcell, Mussorgsky and Richard Strauss. A musical chameleon was born, a label that meant different things to different - and usually passionate - devotees. Mehr Info... |
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