
Gerhard, Roberto - Leo
Freuden des Zwölftons
Label/Verlag: Neos
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Die Musiker des Collegium Novum Zürich erfüllen die Musik von Roberto Gerhard mit vielfältigen Farben.
Es wäre verkürzend, würde man Roberto Gerhard (1896-1970) als Schönberg-Schüler bezeichnen, ebenso wie es verkürzend wäre, würde man ihn schlicht als spanischen Komponisten oder naturalisierten Briten (er starb in Cambridge, wo sich auch sein musikalischer Nachlass befindet) bezeichnen. So sind die auf der vorliegenden CD versammelten Werke nur teilweise durch das britische Musikleben geprägt. Das Concerto for 8 wurde durch die B.B.C. uraufgeführt, gewidmet ist es jedoch Freunden aus Barcelona. Die drei Tierkreis-Stücke 'Leo' (Löwe), 'Libra' (Waage) und 'Gemini' (Zwillinge) entstanden ebenfalls in den 1960er-Jahren.
Das Concerto for 8 (1962) ist weit entfernt von traditionellen Oktett-Kompositionen. Die Besetzung Flöte, Klarinette, Schlagzeug, Akkordeon, Mandoline, Gitarre, Violine und Kontrabass wie auch die kompositorischen Mittel stehen vielmehr den kosmopolitischen dodekaphonischen Traditionen nahe, mit starken rhythmischen und polymetrischen Akzenten. Weit davon entfernt, elitär oder akademisch zu wirken, ist Gerhards Komposition von großer Spielfreude erfüllt und hier kongenial dargeboten durch das Collegium Novum Zürich, das 1993 zur Pflege zeitgenössischer Musik gegründet wurde. Peter Hirsch ist ein äußerst umsichtiger Leiter, der die vielfältigen Klangvaleurs sorgfältig abwägt, aber die Spontaneität nicht zu kurz kommen lässt.
'Gemini' (1966) für Violine und Klavier trägt den Untertitel 'Duo Concertante'. Wir haben es hier mit einer Komposition in einer Art Reihungsform zu tun, die durch starke Kontrastwirkungen den Hörer in steter Aufmerksamkeit hält. Rahel Kunz und Christoph Keller (letzterer der einzige Interpret, der in allen vier Werken auf der CD mitwirkt) finden für das unruhige, strukturell und musikalisch komplexe Werk genau den richtigen Ton; man hat kaum den Eindruck, es hier tatsächlich nur mit zwei Musikern zu tun zu haben.
'Libra' für Flöte, Klarinette, Schlagzeug, Gitarre, Klavier und Violine aus dem Jahre 1968 ist abermals in acht Abschnitte gegliedert. Ähnlich Henzes 'Ode an eine Äolsharfe' (1985-86) fügt die Gitarre dem Klangerlebnis ein ganz eigene Farbe bei, und obwohl alle sechs Instrumente durchaus eigene Soli haben, wirkt das Werk kaum im eigentlichen Sinne kammermusikalisch, sondern vielmehr als hätten wir es mit einen veritablen Kammerensemble zu tun – die raffinierten Klangfarben und Klangfarbenmischungen sind ein ausgesprochenes Erlebnis. Ein wenig drängt sich dem Rezensenten hier aber auch der Eindruck auf, Michael Tippetts Oper 'King Priam' könnte für die Komposition von gewissem Einfluss gewesen sein.
'Leo' für Instrumentalensemble entstand 1969 und wurde in New Hampshire uraufgeführt. Das wie das Concerto einsätzige, aber aus mehreren Abschnitten bestehende Werk. Die farblich reiche, stärker in Richtung Schlagzeug und Bläser denn Saiteninstrumente ausgerichtete Komposition für zehn Instrumentalisten bietet gleichermaßen lyrische wie dramatische Momente, ist aber vielleicht nicht ganz so kompakt in der Struktur wie das Concerto (es ist das umfangreichste Werk auf der CD). Auch hier überzeugt das Collegium Novum Zürich durch Frische und Präzision, durch fein abgestimmte Balance. Die Aufnahmetechnik unterstützt diesen positiven akustischen Eindruck auf das Beste. Einzig das Booklet enttäuscht insgesamt etwas, weil es trotz seines Umfanges und viersprachigen Begleittexten viel zu oberflächlich bleibt. Bei einem Komponisten wie Gerhard, den man noch viel zu wenig kennt, eine deutliche Beeinträchtigung.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Gerhard, Roberto: Leo |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Neos 1 14.02.2014 |
Medium:
EAN: |
CD
4260063111105 |
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