> > > Gerhard, Roberto: Leo
Samstag, 30. September 2023

Gerhard, Roberto - Leo

Freuden des Zwölftons


Label/Verlag: Neos
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Die Musiker des Collegium Novum Zürich erfüllen die Musik von Roberto Gerhard mit vielfältigen Farben.

Es wäre verkürzend, würde man Roberto Gerhard (1896-1970) als Schönberg-Schüler bezeichnen, ebenso wie es verkürzend wäre, würde man ihn schlicht als spanischen Komponisten oder naturalisierten Briten (er starb in Cambridge, wo sich auch sein musikalischer Nachlass befindet) bezeichnen. So sind die auf der vorliegenden CD versammelten Werke nur teilweise durch das britische Musikleben geprägt. Das Concerto for 8 wurde durch die B.B.C. uraufgeführt, gewidmet ist es jedoch Freunden aus Barcelona. Die drei Tierkreis-Stücke 'Leo' (Löwe), 'Libra' (Waage) und 'Gemini' (Zwillinge) entstanden ebenfalls in den 1960er-Jahren.

Das Concerto for 8 (1962) ist weit entfernt von traditionellen Oktett-Kompositionen. Die Besetzung Flöte, Klarinette, Schlagzeug, Akkordeon, Mandoline, Gitarre, Violine und Kontrabass wie auch die kompositorischen Mittel stehen vielmehr den kosmopolitischen dodekaphonischen Traditionen nahe, mit starken rhythmischen und polymetrischen Akzenten. Weit davon entfernt, elitär oder akademisch zu wirken, ist Gerhards Komposition von großer Spielfreude erfüllt und hier kongenial dargeboten durch das Collegium Novum Zürich, das 1993 zur Pflege zeitgenössischer Musik gegründet wurde. Peter Hirsch ist ein äußerst umsichtiger Leiter, der die vielfältigen Klangvaleurs sorgfältig abwägt, aber die Spontaneität nicht zu kurz kommen lässt.

'Gemini' (1966) für Violine und Klavier trägt den Untertitel 'Duo Concertante'. Wir haben es hier mit einer Komposition in einer Art Reihungsform zu tun, die durch starke Kontrastwirkungen den Hörer in steter Aufmerksamkeit hält. Rahel Kunz und Christoph Keller (letzterer der einzige Interpret, der in allen vier Werken auf der CD mitwirkt) finden für das unruhige, strukturell und musikalisch komplexe Werk genau den richtigen Ton; man hat kaum den Eindruck, es hier tatsächlich nur mit zwei Musikern zu tun zu haben.

'Libra' für Flöte, Klarinette, Schlagzeug, Gitarre, Klavier und Violine aus dem Jahre 1968 ist abermals in acht Abschnitte gegliedert. Ähnlich Henzes 'Ode an eine Äolsharfe' (1985-86) fügt die Gitarre dem Klangerlebnis ein ganz eigene Farbe bei, und obwohl alle sechs Instrumente durchaus eigene Soli haben, wirkt das Werk kaum im eigentlichen Sinne kammermusikalisch, sondern vielmehr als hätten wir es mit einen veritablen Kammerensemble zu tun – die raffinierten Klangfarben und Klangfarbenmischungen sind ein ausgesprochenes Erlebnis. Ein wenig drängt sich dem Rezensenten hier aber auch der Eindruck auf, Michael Tippetts Oper 'King Priam' könnte für die Komposition von gewissem Einfluss gewesen sein.

'Leo' für Instrumentalensemble entstand 1969 und wurde in New Hampshire uraufgeführt. Das wie das Concerto einsätzige, aber aus mehreren Abschnitten bestehende Werk. Die farblich reiche, stärker in Richtung Schlagzeug und Bläser denn Saiteninstrumente ausgerichtete Komposition für zehn Instrumentalisten bietet gleichermaßen lyrische wie dramatische Momente, ist aber vielleicht nicht ganz so kompakt in der Struktur wie das Concerto (es ist das umfangreichste Werk auf der CD). Auch hier überzeugt das Collegium Novum Zürich durch Frische und Präzision, durch fein abgestimmte Balance. Die Aufnahmetechnik unterstützt diesen positiven akustischen Eindruck auf das Beste. Einzig das Booklet enttäuscht insgesamt etwas, weil es trotz seines Umfanges und viersprachigen Begleittexten viel zu oberflächlich bleibt. Bei einem Komponisten wie Gerhard, den man noch viel zu wenig kennt, eine deutliche Beeinträchtigung.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!

Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel

Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.



Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



Cover vergrößern

    Gerhard, Roberto: Leo

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Neos
1
14.02.2014
Medium:
EAN:

CD
4260063111105


Cover vergössern

Neos

NEOS ­ das neue Label für Zeitgenössische Musik, das seit Mitte Mai 2007 auf dem deutschen, seit Oktober 2007 auch auf dem internationalen Markt präsent ist. Im Zentrum der Neuveröffentlichungen stehen Kompositionen des  20. und 21. Jahrhunderts - die Betonung liegt dabei auf Welt-Ersteinspielungen.

Insofern setzt Wulf Weinmann den bei seinem früheren Label col legno eingeschlagenen Weg konsequent fort. Langjährige frühere Partner wie  das Internationale Musikinstitut Darmstadt (IMD), die Donaueschinger Musiktage des SWR, die musica viva des Bayerischen Rundfunks oder die Salzburger Festspiele haben die Zusammenarbeit mit Weinmann auch für die Zukunft vereinbart.

Inzwischen weitet sich NEOS programmatisch aus: Vier Produktlinen entwickeln sich im Kontext Neuer Musik in Zusammenarbeit mit Komponisten und Interpreten, die über ein weit gespanntes Repertoire verfügen: Aufnahmen, die Tradition und Moderne verbinden, Werke früherer Meister in bisher nie oder selten gehörten Interpretationen meist originaler Bearbeitungen sowie eine Jazzlinie mit Musikern, die man eher aus der zeitgenössischen Musikszene kennt, wie Olga Neuwirth oder Mike Svoboda.

NEOS veröffentlicht pro Jahr ca. 40 CDs, SACDs und DVDs, die weltweit (z.B. in Deutschland über helikon harmonia mundi) vertrieben werden. Hohe technische Qualität der Aufnahmen ist selbstverständlich. Auch Design und ansprechende Verpackung sind zentrales Anliegen: Alle Produktionenerscheinen in Digipacks mit ausführlichen Textinformationen und Illustrationen.


Mehr Info...


Cover vergössern
Jetzt kaufen bei...
Titel bei JPC kaufen


Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Neos:

  • Zur Kritik... Kunst als Erfahrungssuche an den Grenzen: Der Schweizer Komponist René Wohlhauser, der auch Gedicht verfasst, beschäftigt sich in seinen Kompositionen oft mit den existentiellen Fragen des Daseins. Weiter...
    (Michael Pitz-Grewenig, )
  • Zur Kritik... Expressiv vokal: Wertvolle Kelterborn-Würdigung aus Winterthur. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Ästhetisch rigoros: Ernst Helmuth Flammers anspruchsvolle Orchestermusik in vorbildlichen Wiedergaben. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
blättern

Alle Kritiken von Neos...

Weitere CD-Besprechungen von Dr. Jürgen Schaarwächter:

  • Zur Kritik... Klangprächtig: Ein äußerst ansprechendes Plädoyer für die Musik Friedrich Gernsheims. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Mehr Männer: Drei Countertenöre, ein Sopranist und ein Tenor gegen zwei Soprane. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Es dreht sich nur um einen: Der Klaviertriokomponist Camille Saint-Saëns als Schöpfer und Nachschöpfer. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
blättern

Alle Kritiken von Dr. Jürgen Schaarwächter...

Weitere Kritiken interessanter Labels:

  • Zur Kritik... Kollaboratives Komponieren: Das Label Kairos präsentiert facettenreiche Ensemblemusik des schwedischen Komponisten Jesper Nordin. Weiter...
    (Dr. Kai Marius Schabram, )
  • Zur Kritik... Klangprächtig: Ein äußerst ansprechendes Plädoyer für die Musik Friedrich Gernsheims. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Hoher Abstraktionsgrad: Marco Fusi beeindruckt mit Violin-'Werken' Giacinto Scelsis. Weiter...
    (Dr. Kai Marius Schabram, )
blättern

Alle CD-Kritiken...

Magazine zum Downloaden

NOTE 1 - Mitteilungen (3/2023) herunterladen (4400 KByte)

Anzeige

Jetzt im klassik.com Radio

Francoise Choveaux: Poem op.269

CD kaufen


Empfehlungen der Redaktion

Die Empfehlungen der klassik.com Redaktion...

Diese Einspielungen sollten in keiner Plattensammlung fehlen

weiter...


Portrait

Roger Morelló über seine neue CD, die dem katalanischen Cellisten Pau Casals gewidmet ist.

"Casals kämpfte für den Frieden."
Roger Morelló über seine neue CD, die dem katalanischen Cellisten Pau Casals gewidmet ist.

weiter...
Alle Interviews...


Sponsored Links

Hinweis:

Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Die Bewertung der klassik.com-Autoren:

Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich