
Mahler, Gustav - Sinfonie Nr.7 e-moll
Was ist nur das Geheimnis dieses Klangmagiers?
Label/Verlag: Berlin Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Das Gewandhausorchester zeigt sich von seiner besten Seite.
Kurt Masur ist einen langen Weg gegangen. Von seiner Lehre als Elektriker in Schlesien, über die Landesmusikschule in Breslau führte er ihn zum Leipziger Konservatorium, wo er Klavier, Komposition und Orchesterleitung studierte. Erste Engagements hatte er als Solorepetitor und Kapellmeister in Halle, dann in Erfurt und Leipzig. Er war in Schwerin Generalmusikdirektor, Chefdirigent der Dresdener Philharmonie, als Gastdirigent international erfolgreich. Ein wichtiger Abschnitt begann 1970 mit seiner Tätigkeit am Leipziger Gewandhaus, wo er gemäß der Tradition von Felix Mendelssohn-Bartholdy, Arthur Nikisch, Wilhelm Furtwängler und Hermann Abendroth arbeitete. Bis zu seinem Abschied beim Sylvester-Konzert 1996 gab er herausragende Aufführungen vom Standardrepertoire, mit ihm wurden 42 Werke uraufgeführt. Sein Weg führte ihn weiter nach New York, London und Paris, aber die Leipziger Zeit hat bedeutende Spuren hinterlassen.
Aus dieser Zeit, 1982, stammt die Aufführung der Sinfonie Nr. 7 e-moll ‘Lied der Nacht’ von Gustav Mahler, die Kurt Masur mit dem Gewandhausorchester Leipzig einspielte. Damals noch unter der VEB Deutsche Schallplatten Berlin, wurde dieses wichtige Zeugnis von edel Classics überarbeitet und 2003 herausgebracht. Hätte man sich im zweisprachigen Booklet neben den gut recherchierten Informationen über die Entstehung und Grundstruktur des Werkes auch Informationen über den Dirigenten und das Orchester gewünscht, die Aufmachung erscheint doch recht bieder, so entschädigt die Musik schon beim ersten Hören für dieses vermeintliche Manko. Und man kommt ins Grübeln darüber, wie Kurt Masur diesen unverwechselbaren Klang hervorzaubert. Denn anders als Abbado oder älteren Aufnahmen unter Karajan zeigt diese Einspielung nicht nur technische Perfektion, sondern eine fast mystisch erscheinende Dramatik und innere Spannung.
Jeder Dirigent prägt mit seiner eigenen Persönlichkeit das Spiel des jeweiligen Orchesters, gibt ihm seine Sicht der Dinge mit auf den Weg. Und bei Kurt Masur ist dies neben aller Klangschönheit ein innerer Spannungsgehalt, der sich auf den Hörer überträgt. Nun ist die 7. Symphonie nicht unbedingt ein Publikumsliebling. Sie wird relativ selten im Konzert gespielt, ihr Gehalt erschließt sich nicht beim ersten Hören. Wer hier die beliebten Klischees vom großen Tragiker Gustav Mahler erwartet, der sollte zu den anderen Symphonien wechseln. Denn diese 7. Symphonie ist geprägt von vorwiegend heiterem, humoristischem Inhalt. Sie hat eine Fülle von ungehemmter Vitalität, kontraproduktiv angelegt zur ansonsten oft problematischen, leidenden und innerlich zerrissenen Musik von Gustav Mahler. Und vielleicht liegt gerade hier das Geheimnis dieser Einspielung. Mögen sich andere Dirigenten nicht von dem Bild lösen können, das in unzähligen anderen Werken prägnant ist, so geht Kurt Masur quasi vorurteilsfrei an diese Musik heran. Den scharfen, extremen Ausdruckskontrasten zwischen den einzelnen Sätzen lässt er genügend Raum, dem Wechsel zwischen den dunkel verschatteten und hell, fast grellen Klangszenen verhilft er mit großem dynamischen Spektrum zum Leben, lässt er den Zuhörer vom ersten Ton an nicht mehr los. Da müssen die Allegri im ersten und letzten Satz natürlich schrill und überzogen erklingen, leicht chaotisch und dennoch strukturiert. Dramatische Entwicklungen werden sehr plastisch zu Gehör gebracht, mit einem unverwechselbaren Klang. Auch die Nachtmusiken 1 und 2 lassen in ihrem lyrischen Gehalt keine Wünsche offen. Kurt Masur interpretiert sie mit einer Sensibilität, die Ausdruck findet in einem warmen, homogenen Orchesterklang, der sämtlichen artikulatorischen Raffinessen nachkommt.
Es gibt bestimmt keinen perfekten Mahler. Viele Dirigenten haben bei der Wiedergabe seiner Musik ein großes Interpretationsspektrum bewiesen. Aber es gibt den Mahler unter Kurt Masur, der eine Bereicherung für den Zuhörer bietet, erlebt er hier doch einen unheimlich reifen Dirigenten, der sich ganz in den Dienst der Musik stellt, der ‘sein’ Orchester zu einer großen Interpretation führt. Das Gewandhausorchester hat schon mit vielen Einspielungen geglänzt, hier zeigt es sich von seiner besten Seite.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Mahler, Gustav: Sinfonie Nr.7 e-moll |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: Aufnahmejahr: Veröffentlichung: |
Berlin Classics 1 01.01.2003 73:31 1982 2003 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
0782124324322 0032432BC |
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Mahler, Gustav |
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Berlin Classics Berlin Classics (BC) ist das Klassik-Label der Edel Germany GmbH. Es ist das Forum für zahlreiche bedeutende historische Aufnahmen, wichtige Beiträge der musikalischen Zentren Leipzig, Dresden und Berlin sowie maßgebliche Neuproduktionen mit etablierten und aufstrebenden jungen Klassik-Künstlern. Dazu zählen etablierte Stars, wie z.B. die Klarinettistin Sharon Kam, die Pianisten Ragna Schirmer, Sebastian Knauer, Matthias Kirschnereit, Anna Gourari und Lars Vogt, die Sopranistin Christiane Karg oder auch die Ensembles Concerto Köln, Pera Ensemble, sowie der Dresdner Kreuzchor und das Vocal Concert Dresden. Mehrfach wurden Produktionen mit einem Echo-Preis ausgezeichnet. Im Katalog von Berlin Classics befinden sich Aufnahmen mit Kurt Masur, Herbert Blomstedt, Kurt Sanderling, Franz Konwitschny, Hermann Abendroth, Günther Ramin, Peter Schreier, Ludwig Güttler, Dietrich Fischer-Dieskau, die Staatskapellen Dresden und Berlin, das Gewandhausorchester Leipzig, die Dresdner Philharmonie, die Rundfunkchöre Leipzig und Berlin, der Dresdner Kreuzchor und der Thomanerchor Leipzig. Sukzesssive wird dieses historische Repertoire für den interessierten Hörer auf CD wieder zugänglich gemacht, wobei die künstlerisch hochrangigen Analogaufnamen mit größter Sorgfalt unter Anwendung der Sonic Solutions NoNoise-Technik bearbeitet werden, um sie an digitalen Klangstandard anzugleichen. Mehr Info... |
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