
Verdi, Giuseppe - Aida
Jungbrunnen
Label/Verlag: Monarda Music
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Eine gute Produktion von Verdis 'Aida' aus der italienischen Provinz, mit leider nur teilweise herausragenden Einzelleistungen.
Am 27. Januar 2001 wurde Giuseppe Verdis 100. Todestag in der Geburtsstadt des Komponisten mit einer Neuproduktion der Oper 'Aida' begangen. Mehrere Träger, darunter die Fondazione Arturo Toscanini, das Teatro Comunale di Modena und das Teatro Alighieri di Ravenna hatten kaum Kosten und Mühen gescheut – nein, nicht um eine stargespickte Produktion auf die Bretter des intimen Teatro Giuseppe Verdi zu bringen, sondern eine dem Detail verpflichtete, gleichzeitig den musikalischen Nachwuchs fördernde Produktion. Zur Einstudierung der Solopartien stand der legendäre Carlo Bergonzi zur Verfügung und als Regisseur hatte man den nicht minder legendären Franco Zeffirelli gewinnen können. Trotz einer Zuschauerkapazität von nur 300 Plätzen hatte man also ‚schweres Geschütz‘ aufgeboten, und die RAI schnitt das opulente Ereignis auf der winzigen Bühne mit, die in den Triumphszenen hoffnungslos überfüllt ist.
Für Zeffirelli und Bergonzi wird die Arbeit mit den jungen Musikern unter dem Dirigat von Massimiliano Stefanelli ein wahrer Jungbrunnen gewesen sein – das 45-minütige Making-of bietet spannende Einblicke in die Produktionsvorbereitung. Zeffirelli selbst führt durch dieses Making-of und vermittelt viel von der Magie sowohl des Ortes Busseto als auch der Vorbereitung dieser sehr speziellen Produktion, die von Anfang an auf die Nachwuchsförderung ausgerichtet war. Dass, wenn man ganz auf Jugend setzt, nicht alles am Ende perfekt wird, war wohl mit eingeplant und trifft auch auf das Making-of selbst zu, das im Schnitt wie in der Tongestaltung nicht rundum professionell umgesetzt ist (da diese DVD nach zwölf Jahren ein zweites Mal vorgelegt wird, hätte man von Arthaus etwas editorischen Nacharbeitungsaufwand erwarten dürfen).
Eine winzige Bühne (wie Zeffirelli scherzt: ‚ohne Elefanten‘), in der Chöre gekürzt werden und aufs Ballett verzichtet wird, eine Bühne, in der die Triumphszene quasi hinter die Szene verlegt werden muss, eine Bühne, die die Oper nahezu automatisch zum Kammerspiel umdeutet. Das ist nicht im Sinne der Komposition, ist aber hier in Busseto nicht zu vermeiden. Auch nicht zu vermeiden ist ein brutal reduziertes Orchester, offenbar zumeist nur zur Hälfte besetzt (ich habe nur vier Celli im Orchestergraben sehen können) und zumeist kaum mehr als mittleres Provinzniveau (im negativen Sinne) bietend, so dass viele Bläserstellen dünn und in der Tonhöhe bedenklich approximativ, viele Streicherpassagen grob klingen. Der Namenspatron des Orchesters, Arturo Toscanini, hätte diese Musiker zu stundenlanger Strafarbeit verdonnert. Massimiliano Stefanelli kann kaum mehr tun, als Bühne und Orchestergraben solide zusammenzuhalten; von einer musikalischen Interpretation im eigentlichen Sinne kann leider kaum die Rede sein. Der Chor der Fondazione Arturo Toscanini ist klein, aber bewältigt seinen Part beachtlich.
Wie bei Zeffirelli üblich, bietet die Produktion opulente, farblich reiche, dem Stil der Uraufführung angemessene Ausstattung (die Nennung des Bühnenbildners – Zeffirellis selbst – fehlt im Booklet). Er will nicht die Handlung äußerlich modernisieren, aber realistische Figuren auf die Bühne bringen, die in ihrer Ambivalenz, ihren Problemen durchaus heutig sind. Dies gelingt nur teilweise, gerade jene Figuren, die (Alters-)Reife ausstrahlen sollten, geraten wenig überzeugend. Enrico Giuseppe Iori (Ramfis) verlässt sich etwas zu sehr auf seine sonore Stimme und interpretiert (gerade vokal) seinen Part noch kaum, ist aber in jeder Hinsicht Paolo Pecchioli als König überlegen, der nicht nur physisch unsicher auf den Beinen wirkt, sondern auch rein vokal viel zu dünnstimmig ist, darstellerisch viel zu geringe Ausstrahlung hat (selbst der Bote Stefano Pisani überzeugt mehr) und teilweise fast wie der jüngere Bruder von Amneris wirkt. Auch Kate Aldrich als Amneris ist noch weit von einer vertieften, wirklich verständigen Interpretation ihrer Rolle entfernt. Es gelingt ihr nicht, den Wandel der Königstochter vom verliebten unschuldigen Mädchen zur reifen, Größe zeigenden Frau adäquat umzusetzen (‚Die Amneris ist keine Thais‘, hat ihr Zeffirelli gesagt, doch Aldrich gelingt es nicht, diesen Rat zu beherzigen). Auch vokal ist sie immer wieder unsicher, in der Tiefe flach und darstellerisch nicht selten übertrieben, im ersten Akt gar eher ungelenk bis hin zur peinlichen Lachhaftigkeit. Vokal (aber auch hier noch nicht darstellerisch) richtig überzeugen kann sie erst im Schlussakt.
Scott Piper als Radamès ist da in einer ganz anderen Liga einzuordnen – er hat seinen Part sorgsam studiert, hat vom Unterricht bei Bergonzi hörbar profitiert (herrlich sein Piano zu Beginn der Schlussszene), hat das Selbstbewusstsein und die Stamina, bis zum Schlussterzett die Inszenierung durchzustehen. Doch wie das in Italien immer wieder gerne so ist – Momenten der darstellerischen Typisierung entgeht auch er nicht ganz, auch wenn gerade seine vokalen Leistungen jenen etwa Vincenzo La Scolas deutlich überlegen sind (mittlerweile singt Piper international Cavaradossi, Manrico, Calaf oder Don José).
Darstellerisch am stärksten ist Adina Aaron in der Titelrolle – selbst wenn sie in den Proben eher noch markiert, ist ihre Bühnenpräsenz selbst hier schon, während der Proben mit mehreren alternativen Besetzungen, weit stärker als jene aller ihrer Partner. Ihre Körperspannung allein reicht nicht selten schon aus, um die Bühne zu beherrschen. Giuseppe Garra als Amonasro wirkt als alles andere denn Aidas Vater, doch hat er eines mit Aaron gemein – stimmliche Präsenz, der aber leider nicht seine darstellerischen Leistungen entsprechen. Zusammen mit Piper und Aaron bietet er vokal die besten solistischen Leistungen der Produktion, doch da er darstellerisch nicht ganz konsistent ist, geraten zum Höhepunkt der Aufführung die Arien Radamès und Aidas im ersten Akt sowie die zutiefst bewegende Schlussszene.
Die RAI-Fernsehumsetzung (Bildregie Fausto Dall’Olio) ist gut bis sehr gut, doch gelingt es nicht, die äußerlichen Beeinträchtigungen (vor allem durch das reduzierte Orchester) voll aufzuwiegen. Eine gute Produktion aus der italienischen Provinz, mit leider nur teilweise herausragenden Einzelleistungen.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: Features: Regie: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Verdi, Giuseppe: Aida |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Monarda Music 2 20.01.2014 |
Medium:
EAN: |
DVD
807280708899 |
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Monarda Music Arthaus Musik wurde im März 2000 in München gegründet und hat seit 2007 seinen Firmensitz in Halle (Saale), der Geburtsstadt Georg Friedrich Händels. Zahlreiche Veröffentlichungen des Labels wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der Oscar-prämierte Animationsfilm ?Peter & der Wolf? von Suzie Templeton, die aufwändig produzierte ?Walter-Felsenstein-Edition? und die von Sasha Waltz choreographierte Oper ?Dido und Aeneas?, die beide den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhielten. Mit dem Midem Classical Award wurden u. a. die Dokumentationen ?Herbert von Karajan ? Maestro for the Screen? von Georg Wübbolt und ?Celibidache ? You don?t do anything, you let it evolve? von Jan Schmidt-Garre ausgezeichnet. Die Dokumentation ?Carlos Kleiber ? Traces to nowhere? von Eric Schulz erhielt den ECHO Klassik 2011. Mit der Tochterfirma Monarda Arts besitzt Arthaus Musik eine ca. 900 Produktionen umfassende Rechtebibliothek zur DVD-, TV- und Onlineauswertung. Seit 2007 entwickelt das Unternehmen kontinuierlich die Sparte Eigenproduktion mit der Aufzeichnung von Opern, Konzerten, Balletten und der Produktion von Kunst- und Musikdokumentationen weiter. Arthaus Musik DVDs und Blu-ray Discs werden über ein leistungsfähiges Vertriebsnetz, u.a. in Kooperation mit Naxos Global Distribution in ca. 70 Ländern der Welt aktiv vertrieben. Darüber hinaus veröffentlicht und vertreibt Arthaus Musik die 3sat-DVD-Edition und betreut für den Buchhandel u.a. die Buch- und DVD-Edition über Pina Bausch von LArche Editeur, Preisträger des Prix de lAcadémie de Berlin 2010. Mehr Info... |
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