
Stravinsky, Igor - The Rake's Progress
Referenz-Theater
Label/Verlag: Arthaus Musik
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Der Mitschnitt vom Glyndebourne-Festival aus dem Jahr 1977 dokumentiert die bis heute wohl berühmteste Inszenierung von Strawinskys 'Rake's Progress'.
Dies liegt keinesfalls an der handwerklich soliden, hochprofessionellen Inszenierung von John Cox. Er beherrscht das Arrangement der Sänger im Raum und hat die Fähigkeit, Impulse der Musik aufzunehmen und für die Personenführung produktiv zu machen. Und er erzählt die Handlung des Stückes klar, interpretiert sie aber nicht im engeren Sinne, lässt etwas das bärtige Fragezeichen ‚Baba the Turk‘ einfach so mitlaufen, sieht in der merkwürdig ausgedachten Figur keinen Erklärungsnotstand.
Ihre Einzigartigkeit erhält die Inszenierung von 1975, die übrigens vor wenigen Jahren wieder aufgenommen wurde, durch ein fantastisches Sängerensemble – und vor allem durch die Ausstattung von David Hockney, die ein echter Augenschmaus ist. Der berühmte Maler orientiert sich deutlich an den Kupferstichen von Hogarth, die Strawinsky seinerzeit zu dem Werk inspiriert hatten. Seine Ausstattung ist elegant und benutzt das Historische in oft satirischer Verzerrung zu satirischer Zuspitzung. Unzählige parallele Linien auf Bühnenbildteilen und Kostümen geben der Optik Künstlichkeit und Unruhe. Die setzt sich bis in die reizvollen ‚Period Costumes‘. Erst auf den zweiten Blick bemerkt man hier die modernen, reflektierenden Details, die Perücken aus Wollfäden, die – auch hier – streng graphischen Muster auf den Kostümen. Fast einen sozialkritischen Aspekt hat die letzte Szene. Da ist das Bühnenbild ein am Boden liegender Setzkasten, erscheinen die Irren dekorativ gelagert wie Antiken-Nippes.
Einmalig ist auch die Besetzung. Leo Goeke (Rakewell) ist einer jener Tenöre, die es verstehen zu rühren, obwohl ihnen keine wirklich schönen Stimmfarben zur Verfügung stehen. Die technisch perfekt beherrschte Stimme, die große Musikalität des Sängers und sein intelligentes, hochengagiertes Spiel verbinden sich zu einer wohl unvergesslichen Darstellung. Felicity Lott als Anne und Samuel Ramey als Shadow bekommen von Stück und Inszenierung weniger Raum, werden eher statisch geführt. Beide punkten aber musikalisch in außergewöhnlicher Weise, spinnen sogar da ausufernde Gesangslinien, wo kaum Melodie erkennbar ist. Lott mit ihrem reinen, aber springlebendigem Sopran, Ramey mit seinem eigentümlich klaren Bass, dem im oberen Register wie von Zauberhand sowohl Energie als auch Wohlklang zuzufließen scheinen. Dazu der nobel gestaltende Richard van Allan (Trulove) und die hochenergetische, umwerfend charmante Rosalind Elias (Baba). Wie gesagt: einmalig.
Auch Bernard Haitink ist in absoluter Bestform zu hören. Die Strenge, die ihm oft nachgesagt wird, bekommt Strawinskys eigentümlich statischer Partitur hervorragend. Sehr lebendig modelliert Haitink mit dem brillanten London Philharmonic die Kleinteiligkeit dieser Musik heraus, suhlt sich fröhlich in ihren Dissonanzen, winkt die vielen ostinaten Stellen cool mit der linken Hand durch und bringt die witzigen und absurden Momente lustvoll zur Explosion. Es ist schade, dass man ihn selbst beim Schlussapplaus nicht zu sehen bekommt. Als Einstiegsdroge in Strawinskys Theaterschaffen ist dieser 'Rake' ein echtes Muss – trotz der etwas knalligen Akustik.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: Regie: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Stravinsky, Igor: The Rake's Progress |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Arthaus Musik 1 20.01.2014 |
Medium:
EAN: |
DVD
807280231496 |
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Arthaus Musik Arthaus Musik wurde im März 2000 in München gegründet und hat seit 2007 seinen Firmensitz in Halle (Saale), der Geburtsstadt Georg Friedrich Händels. Zahlreiche Veröffentlichungen des Labels wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der Oscar-prämierte Animationsfilm ?Peter & der Wolf? von Suzie Templeton, die aufwändig produzierte ?Walter-Felsenstein-Edition? und die von Sasha Waltz choreographierte Oper ?Dido und Aeneas?, die beide den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhielten. Mit dem Midem Classical Award wurden u. a. die Dokumentationen ?Herbert von Karajan ? Maestro for the Screen? von Georg Wübbolt und ?Celibidache ? You don?t do anything, you let it evolve? von Jan Schmidt-Garre ausgezeichnet. Die Dokumentation ?Carlos Kleiber ? Traces to nowhere? von Eric Schulz erhielt den ECHO Klassik 2011. Mit der Tochterfirma Monarda Arts besitzt Arthaus Musik eine ca. 900 Produktionen umfassende Rechtebibliothek zur DVD-, TV- und Onlineauswertung. Seit 2007 entwickelt das Unternehmen kontinuierlich die Sparte Eigenproduktion mit der Aufzeichnung von Opern, Konzerten, Balletten und der Produktion von Kunst- und Musikdokumentationen weiter. Arthaus Musik DVDs und Blu-ray Discs werden über ein leistungsfähiges Vertriebsnetz, u.a. in Kooperation mit Naxos Global Distribution in ca. 70 Ländern der Welt aktiv vertrieben. Darüber hinaus veröffentlicht und vertreibt Arthaus Musik die 3sat-DVD-Edition und betreut für den Buchhandel u.a. die Buch- und DVD-Edition über Pina Bausch von LArche Editeur, Preisträger des Prix de lAcadémie de Berlin 2010. Mehr Info... |
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