
Strauss, Richard - Ariadne auf Naxos
Ein Schönes war
Label/Verlag: Monarda Music
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Dieser Mitschnitt der 'Ariadne auf Naxos' von Richard Strauss bietet einen im Gegensatz zu den Deutungsansätzen von Karajan und Kempe viel stärker aufs Theater zugeschnitten Zugang. Auch die Sänger sind vortrefflich.
Es gibt Tonträgerproduktionen, denen es, hat die Kritik erst einmal ihr Urteil gefällt, schwer gelingt, von späteren Generationen unvoreingenommen rezipiert zu werden; zumeist bleiben die Äußerungen der Kritik der Vergangenheit unterschwellig präsent. So scheint es mit Hildegard Hillebrecht als Richard Strauss‘ Ariadne zu stehen. So harsch ging die Kritik seinerzeit mit Karl Böhms 1969er-LP-Studioproduktion der 'Ariadne auf Naxos' auf Deutsche Grammophon um, dass diese Produktion der Oper zugunsten verschiedener Live-Mitschnitte aus dem Katalog verschwand und nie auf CD vorgelegt wurde.
Dabei wurde Karl Böhm, einer der wichtigsten und ‚authentischsten‘ Strauss-Dirigenten, durch die Galaaufführung zu Strauss‘ 80. Geburtstag quasi zum optimalen Exponenten der Partitur geadelt; dennoch blieb er bis heute im Schatten der Studioproduktionen unter Herbert von Karajan (EMI England) bzw. Rudolf Kempe (EMI Electrola/VEB Deutsche Schallplatten) mit Elisabeth Schwarzkopf bzw. Gundula Janowitz. Janowitz sang die Ariadne 1978 auch in dem Studio-Soundtrack einer Verfilmung einer Inszenierung von Filippo Sanjust, die die Kritik heute als prätentiös ansieht, doch als ebenso prätentiös könnte man Elisabeth Schwarzkopfs Ariadne bezeichnen (es ist immer eine Frage der Perspektive).
Mitte der 1960er-Jahre jedenfalls war Karl Böhms Perspektive auf die Partitur ganz anders als Karajans oder Kempes; er wählte Interpreten, die den Text nicht liebkosten (wie Schwarzkopf) oder die musikalische Linie über die Verständlichkeit stellten (wie Janowitz) – Hildegard Hillebrecht und Jess Thomas, letzterer ein Interpret, dem die Kritik wegen seiner psychoanalytischen Ausbildung gerne unterstellte, den Text zu analysieren statt ihn zu singen. Nun ist Thomas bekanntlich einer der legendärsten Lohengrin-Interpreten, und die vorliegende 'Ariadne' zeigt ihn durchaus als angemessenen Exponenten des Bacchus. Der Salzburger Mitschnitt entstand am 21. August 1965, damit rund vier Jahre vor der Münchner Rundfunk-Studioproduktion, die Besetzung ist, wie damals in Salzburg üblich, bis in die kleinsten Partien hochkarätig.
Da haben wir Hillebrecht und Thomas, wie in der Studioproduktion – ein im Grunde ‚heroischeres‘ Paar als sowohl bei Karajan als auch bei Kempe. Hillebrecht versuchte damals, in die Fußstapfen Leonie Rysaneks zu treten, sie hat eine Ausdrucksstärke und -unmittelbarkeit, der es Schwarzkopf wie Janowitz mangelt. Ja, diverse Töne sind nicht immer schön, doch liegt die Schönheit ihrer Interpretation eben gerade in der Wahrhaftigkeit und nicht der Äußerlichkeit; hierin ähnelt Böhms Zugang nicht zuletzt jenem Erich Leinsdorfs rund sieben Jahre zuvor (damals mit Rysanek und Jan Peerce) – eine Einspielung, an der die Kritik ebenfalls kaum ein gutes Haar ließ. Vergleicht man heute diese interpretatorischen Zugriffe, so sind Leinsdorf und Böhm ‚theatral‘, Karajan und Kempe ‚konzertant‘.
Wie Ingrid Bjoner blieb Hillebrecht eine eher unbekannte Strauss-Sängerin. Doch wer Birgit Nilsson als Elektra und Salome schätzt, der kann auch an Hillebrecht als Ariadne nicht vorbei. Hillebrecht (hier als Einspringerin für Christa Ludwig) gestaltet (wie auch etwa Anna Tomowa-Sintow) die Ariadne in der Tat nicht als Rokokofigur, sondern als regelrechte Tragödin, die aber einer ‚Erlösung‘ teilhaftig wird. In Jess Thomas hat sie einen angemessenen Partner, auch er kein Leichtgewicht, sondern ein Held, von Stimme wie Ausstrahlung ein ‚Gott‘, wenn auch bar allzu großer Jugend. Sein Piano ist makellos, seine Phrasierung exemplarisch. Auch die drei Nymphen sind nicht ganz so frisch, wie man sie anderswo kennt, wenngleich sie mit Lotte Schädle, Claudia Hellmann und Lisa Otto prominent besetzt sind. Vielmehr sind sie hier musikalisch wie darstellerisch geradezu heroisiert – auch ein interessanter Interpretationszugang.
Reri Grist galt in jener Zeit als eine der weltbesten Zerbinetten. Ohne den visuellen Eindruck kann ihre Stimme gelegentlich ‚quietscheentig‘ klingen; dass Grist aber eine vollendete Künstlerin war, kann man hier erleben. Ihre Bühnenpräsenz, ihre Spielwitz, ihr musikalischer und dramatischer Charme wurden auch durch Edita Gruberová nicht übertroffen. Grist hat ein hochkarätiges Commedia dell’Arte-Quartett um sich: Gerd Feldhoff von der Berliner Oper als Harlekin, der in Berlin und München regelmäßig zu hörende David Thaw als Scaramuccio, Georg Stern von der Frankfurter Oper als Truffaldin und den vielseitigen Gerhard Unger als Brighella.
Auch die Mitwirkenden des ‚Vorspiels auf dem Theater‘ sind für ihre Rollen bestens geeignet: Paul Schöffler wunderbar skurril ausgespielt in der Altersrolle des Musiklehrers, Sena Jurinac mit großer Frische (wenn auch nicht mehr so frisch wie 1958 unter Leinsdorf, aber musikalisch immer noch hinreißend – wo findet man heute gleichwertige Interpreten der Partie?) als junger Komponist, Kammerschauspieler Erik Frey vom Theater in der Josefstadt als Haushofmeister, Herbert Lackner äußerst wienerisch-charmant als Lakai, John van Kesteren als Tanzmeister, Kurt Equiluz (Scaramuccio unter Leinsdorf und 1977 unter Solti) als Offizier, Walter Raninger als Perückenmacher.
Dass Karl Böhm die Partitur mit links beherrscht, ist zu erwarten. Dass aber die Wiener Philharmoniker keineswegs durchgängig makellos musizieren, muss hier ausdrücklich vermerkt werden. Günther Rennerts Inszenierung wirkt in manchem Detail heute altbacken. Bacchus‘ Auftritt etwa ist nicht im geringsten geglückt, und auch die Buffoszenen sind nicht ganz so spritzig wie man es sich wünschen könnte. Dass Libretto und Partitur hingegen, anders als heute üblich, ernst genommen werden und die Partitur teilweise ausgesprochen choreographisch inspiriert umgesetzt wird, sind unzweifelhafte Pluspunkte der in etwas verwaschener TV-Bildqualität, aber gutem Monoton dargebotenen Produktion, die aber möglicherweise, weil es sich nicht mehr um die Premiereneinstudierung handelte, sondern um jene ein Jahr später (gerne leiden Inszenierungen dadurch, wenn sie in der Folgesaison nicht sorgfältig aufgearbeitet werden). Erich Neuberg hat Rennerts Inszenierung ohne Mätzchen, vielleicht ein wenig zu bodenständig umgesetzt, doch war das in damaliger Zeit durchaus noch üblich und kann daher kein zentraler Kritikpunkt sein. Viel problematischer sind die inakzeptablen falschen Namensschreibungen im Booklet. Dass im Booklettext aus der vorherigen TDK-Veröffentlichung nicht einmal die Bezugnahme auf diese vorherige Veröffentlichung aktualisiert wurde, zeigt, wie wenig liebevoll Arthaus Musik mit seinen Produkten umgeht.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: Features: Regie: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Strauss, Richard: Ariadne auf Naxos |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Monarda Music 1 20.01.2014 |
Medium:
EAN: |
DVD
807280725599 |
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Monarda Music Arthaus Musik wurde im März 2000 in München gegründet und hat seit 2007 seinen Firmensitz in Halle (Saale), der Geburtsstadt Georg Friedrich Händels. Zahlreiche Veröffentlichungen des Labels wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der Oscar-prämierte Animationsfilm ?Peter & der Wolf? von Suzie Templeton, die aufwändig produzierte ?Walter-Felsenstein-Edition? und die von Sasha Waltz choreographierte Oper ?Dido und Aeneas?, die beide den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhielten. Mit dem Midem Classical Award wurden u. a. die Dokumentationen ?Herbert von Karajan ? Maestro for the Screen? von Georg Wübbolt und ?Celibidache ? You don?t do anything, you let it evolve? von Jan Schmidt-Garre ausgezeichnet. Die Dokumentation ?Carlos Kleiber ? Traces to nowhere? von Eric Schulz erhielt den ECHO Klassik 2011. Mit der Tochterfirma Monarda Arts besitzt Arthaus Musik eine ca. 900 Produktionen umfassende Rechtebibliothek zur DVD-, TV- und Onlineauswertung. Seit 2007 entwickelt das Unternehmen kontinuierlich die Sparte Eigenproduktion mit der Aufzeichnung von Opern, Konzerten, Balletten und der Produktion von Kunst- und Musikdokumentationen weiter. Arthaus Musik DVDs und Blu-ray Discs werden über ein leistungsfähiges Vertriebsnetz, u.a. in Kooperation mit Naxos Global Distribution in ca. 70 Ländern der Welt aktiv vertrieben. Darüber hinaus veröffentlicht und vertreibt Arthaus Musik die 3sat-DVD-Edition und betreut für den Buchhandel u.a. die Buch- und DVD-Edition über Pina Bausch von LArche Editeur, Preisträger des Prix de lAcadémie de Berlin 2010. Mehr Info... |
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