
L' Univers de Marin Marais - Werke von Marais, Demachy, Forqueray u. a.
Gambenuniversum
Label/Verlag: TYXart
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Eine Blütenlese überwiegend seltener Gambenliteratur des französischen Barock legt der österreichische Gambist Jakob Davis Rattinger gemeinsam mit Rosario Conte und Ralf Waldner vor. Hörenswert – und hervorragend musiziert.
‚Verteidigung der Baßgambe gegen die Angriffe der Geige und die Anmaßungen des Violoncellos‘ – diesen etwas skurril anmutenden Titel trägt ein Pamphlet des französischen Abbé Hubert Le Blanc, das im Jahr 1740 erschien. Im Rückblick wirkt Le Blancs Schrift angesichts den umfangreichen und wirkmächtigen Geigenœvres eines Corelli oder Vivaldi, die zu dieser Zeit ganz Europa erobert hatten, wie ein Rückzugsgefecht für ein Instrument, das dabei war, in der musikgeschichtlichen Versenkung zu verschwinden. Tatsächlich jedoch trieb die lange und reiche Tradition französischer Gambenmusik, für die Namen wie Marin Marais, Antoine Forqueray oder der des M. de Sainte-Colombe stehen, zu dieser Zeit durchaus noch späte Blüten.
Eine Reise durch dieses veritable Paralleluniversum neben der weithin dominanten italienischen Musikkultur jener Tage unternimmt der österreichische Gambist Jakob David Rattinger auf einer 2008 beim österreichischen Label Spektral erschienenen CD. Erfreulicherweise beschränkt er sich dabei nicht auf jenes oft gehörte Best-of aus den Werken Marais’ und Forquerays, das den Inhalt vieler CDs mit französischer Gambenmusik oft vorhersehbar macht. Zwar erweist Rattinger auch diesen ‚kanonisierten‘ Stücke seine Reverenz, in dem er etwa die Maraisschen 'Couplets de Folies' (also Folia-Variatonen) oder die 'Voix humaines' in seine Auswahl aufnimmt. Gerade an diesen Stücken aber zeigt sich auch der frische und originelle Zugang Rattingers und seiner Mitstreiter Rosario Conte (Theorbe) und Ralf Waldner (Cembalo).
Das dokumentiert sich schon äußerlich, wenn das Trio nicht alle 32 (!) Variationen des Folia-Themas einspielt, sondern eine dramatisch folgerichtige Auswahl (die Kennern des Films ‚Die siebte Saite‘ bekannt vorkommen wird). Vor allem aber erweist sich die Eigenständigkeit der Interpretation im geistreich, mitunter eigenwillig aufgefassten Detail: So bekommt das Folia-Thema hier tänzerischen, fast burlesken Schwung. Das Thema des Rondeau 'Le Troilleur' (eines der weniger bekannten Stücke der CD) nehmen Rattinger und Mitstreiter derart spielfreudig, daß man sich an der typisch Marais’scher Mischung aus schmissiger Rhythmik und eingängiger Melodik gar nicht satthören mag.
Gamben-Gedröhn
Das nach alten Plänen gebaute Instrument Rattingers hat dabei einen sehr präsenten, fast harten Ton. Vielleicht kein Wohlfühlgambenklang (wie er sonst oft zu hören ist), doch eben darum einer, der den musikalischen Absichten der Ausführenden entgegenkommt: Lebendigkeit und Aussagekraft geht vor Schönklang. In den 'Voix humaines' verzichtet Rattinger darauf, sich vom Tiefsinn des Stücks zu allzu breitem Ausspielen der kleinen Gesten hinreißen zu lassen. Abgeklärt, fast flüchtig wirkt manches Detail dadurch. Dafür unterschlägt er nicht, was man die Materialität des Gambenklanges nennen könnte: Passagenweise hört man das Instrument zu den sperrigen Akkorden mitdröhnen und -rauschen. In der eingespielten Solo-Suite des M. Demachy läßt Rattinger die tiefen Saiten des Instrumentes schnarren und knarren, ein sehr weitschwingendes Vibrato sorgt für geradezu geisterhafte Wirkungen.
Überhaupt ist dieses Stück eine der Raritäten, die die Einspielung aufzuweisen hat, ähnlich den beiden Stücken des M. de Sainte Colombe. In dessen eigenartig ziellos mäandernder 'Chaconne' darf das Instrument kratzen, sein Ton flackert und raucht – passend zum geradezu archaischen Eindruck, den diese Musik erweckt, wenn man sie den galanten Gesten eines Roland Marais oder Louis de Caix d’Hervelois geradezu archaisch wirkt. Beide Letztgenannte übrigens gleichfalls aus der Riege der selten zu Hörenden, und beide hier durch eine Suite vertreten – mit allem verspielten Charme und warmem Timbre der Zeit eines Ludwigs XV. lässt Rattinger diese Stücke lebendig werden. Hier wie sonst souverän und stilecht begleitet von Conte und Waldner, die sich übrigens ebenfalls als Solisten auf ihrem jeweiligen Instrument hören lassen. Auch sie bringen dabei manch seltene Miniatur zutage – hörenswerte Musik, tadellos interpretiert.
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
L' Univers de Marin Marais: Werke von Marais, Demachy, Forqueray u. a. |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: |
TYXart 1 08.11.2013 66:35 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
4250702800262 TXA13026 |
![]() Cover vergössern |
""L'UNIVERS DE MARIN MARAIS" |
![]() Cover vergössern |
Fono Forum: "Musik und Klang: 4 Sterne!" RBB Kulturradio: "[...] In Rattingers Produktion faszinieren vor allem die langsamen Stücke, die der Gambist ausdrucksstark, klangschön und mit viel Liebe zum Detail wiedergibt. Ein besonderer Höhepunkt ist dabei zweifellos das Tombeau [...]" Thüringische Landeszeitung: "[...] In den schnellen Werken zeigt Rattinger mit seinem kraftvollen Spiel die virtuosen und vielstimmigen Möglichkeiten des Instrumentes auf. [...] Man muss kein Fan der Gambe oder Spezialist für Alte Musik sein, um sich von dieser Musik berühren zu lassen. Dem Hörer wird ein repräsentativer Eindruck von Gambenmusik und eine musikalische Zeitreise ins 17. Jahrhundert mit neuen Hörerlebnissen Alter Musik offeriert. Ein Komponist ist zu entdecken!" |
![]() Cover vergössern |
TYXart TYXart - the musicART label TYXart ist es ein besonderes Anliegen, die emotionalen, geistigen und intellektuellen Anforderungen von Musikliebhabern mit hochwertigen künstlerischen Einspielungen zu erfreuen - und dass Tiefsinn, Humor, Stille, Kraft, Nachdenklichkeit, aber auch Lebensfreude, Jubel oder Trauer, also alles, was die musikalischen Befindlichkeiten des Menschen erhebt und befriedigt, in unseren Veröffentlichungen enthalten ist. Es geht uns dabei nicht in erster Linie nur um "Berühmtheit" oder "Perfektionismus", sondern ums Humane, Originelle, Individuelle und um die begeisternden und begeisterten Interpretationen ungewöhnlicher Musiker, auch der ganz jungen. Jede CD ein Unikat! Das soll unser Motto sein. Dass sich unserem Konzept bereits mehrere außergewöhnliche und berühmte Künstler spontan anschließen, beruht auf deren Überzeugung von der Richtigkeit unseres Anspruchs. Herausragende Musiker und Ensembles der Veröffentlichungen: Giora Feidman (Klarinette), Elena Denisova (Violine), Yojo (Klavier), Liana Issakadze (Violine), Alexander Suleiman (Violoncello), Corinne Chapelle (Violine), Carmen Piazzini (Klavier), Franz Grundheber (Bariton), Matthias Veit (Klavier), Nathalia Prishepenko (Violine), Alexandra Sostmann (Klavier), Franz Hummel (Komponist), Masako Sakai (Klavier), Ensemble del Arte (Kammerorchester), Vardan Mamikonian (Klavier), Jakob David Rattinger (Viola da Gamba), Werner Schneyder (Musik-Kabarett), TRIO ZERO, Sojka Quartett, Deutsches Saxophon Ensemble, Moscow Symphony Orchestra ... Wir stellen zusammen mit unseren Künstlern in Serien wie z.B. "Modern Classics", "Rising Stars" oder "Crazy Edition" Aufsehen erregende Musikaufnahmen unserer Zeit ungewöhnlichen Interpretationen aus mehreren Epochen gegenüber, um ein breites Publikum auf die Lebendigkeit, Schönheit und Kühnheit neuer Kompositionen im Fokus radikaler oder besonders individueller Interpretationen traditioneller Werke aufmerksam zu machen. Lassen Sie sich auch jenseits von Mainstream-Bewegungen begeistern von den sensationellen Einspielungen der Künstler bei TYXart! Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei...![]() |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag TYXart:
-
Mehr Fanny als Felix: Eine verdienstvolle Doppel-CD stellt das Liedschaffen der Schwester Mendelssohn in den Vordergrund. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Rhythmisch bewegt: Die Gesamteinspielung von Émile Jaques-Dalcrozes Œuvre für Violoncello und Klavier wartet mit einigen Überraschungen auf. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Versäumnisse: Mit Max Regers Klaviertranskriptionen von Liedern Richard Strauss' wird hier wenig verständnisvoll umgegangen. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Weitere CD-Besprechungen von Gero Schreier:
-
Charaktervoll, mit Reibungsflächen: Der Geiger Giuliano Carmignola ist vor allem als Vivaldi-Interpret hervorgetreten, aber seine Lesarten der Musik von Bach haben nicht alle Hörer überzeugt. Jetzt hat er Bachs Sonaten und Partien für Geige allein eingespielt. Weiter...
(Gero Schreier, )
-
Explosiv, dissonant, introvertiert: Das Arcadia-Quartett hat Béla Bartóks Streichquartette eingespielt. Frühere Aufnahmen des Ensembles weckten hohe Erwartungen. Weiter...
(Gero Schreier, )
-
Über die Liebe: Einen Erkundungsgang ins musikalische Mittelalter bietet das Ensemble Trobar e Cantar. Die Liebe ist das verbindende Thema. Weiter...
(Gero Schreier, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Handzahm: Seit über sechzig Jahren ringen die Interpreten mit Mahlers 10. Sinfonie. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Hommage an einen unbekannten Musiker: Zwischen Barock und Sturm und Drang komponierten viele Musiker hörenswerte Musik, die nicht zum Kanon der Großmeister gehört. Georg Zeike und Bernadett Mészáros, entreißen den Magdeburger Komponisten Johann Friedrich Ruhe der Vergessenheit. Weiter...
(Diederich Lüken, )
-
Routiniert: Weder von der Aufnahmetechnik noch von der Wiedergabe wird diese Einspielung zwei Klaviertriowerken Carl Reineckes gerecht. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Jetzt im klassik.com Radio


Portrait

"Auf der Klarinette den Sänger spielen, das ist einfach cool!"
Der Klarinettist Nicolai Pfeffer im Gespräch mit klassik.com.
Sponsored Links
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich