
Rameau, Jean-Philippe - Les Surprises de l'Amour
Von Liebe und Lust
Label/Verlag: Glossa
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Jean-Philippe Rameaus Opéra-ballet 'Les Surprises de l'Amour' wird hier von den meisten Sängern idiomatisch sicher und ausdrucksvoll vorgestellt.
Nachdem Jean-Philippe Rameaus zentrale Opern in den letzten dreißig Jahren hinreichend erkundet wurden, wenden sich Spezialensembles mittlerweile immer gerne auch den Repertoirerandwerken zu. Das mit insgesamt über sechzig Aufführungen durchaus erfolgreiche Opéra-ballet 'Les Surprises de l‘Amour' entstand 1748 und wurde 1757 und 1758 überarbeitet. Die Fassung letzter Hand ist hier auf CD vorgelegt. Wir haben hier eine Art Episodenoper, die in den ersten beiden Akten die Polarität zwischen dionysischer und apollinischer Haltung erkundet (im ersten Akt buhlen Diane und Vénus um den unerfahrenen Adonis, im zweiten lässt sich Linus, gegen den Rat der Muse Uranie, von der Sirene Parthénope verführen), während im dritten Akt Anacréon zwischen Wein und Liebe entscheiden soll. Einige Arien mag der Hörer aus 'Hippolyte et Aricie' oder 'Castor et Polux' wiedererkennen.
Die Sopranistin Amel Brahim-Djelloul bietet für den Adonis die rechte Portion jugendliche Unschuld auf, doch geraten ihr Triller nicht ganz so natürlich wie man es sich vielleicht hätte wünschen können; andere Verzierungen, auch Piano-Kadenzen gelingen dafür ausgesprochen raffiniert und erfreulich. Die Sopranistin Virginie Pochon ist für den Amour (im Adonis-Akt) vielleicht zu fraulich, doch immerhin virtuos genug; als Parthénope ist ihr Vibrato an mancher Stelle einen Hauch zu stark, doch ist sie insgesamt für den Part klug besetzt; leider ist ihr Timbre auch hier gelegentlich vielleicht etwas zu scharf, die Stimme nicht ganz so gerundet und charaktervoll wie die ihrer beiden Sopran-Kolleginnen. Caroline Mutel als Vénus ähnelt Pochon von der Klangfarbe her vielleicht zu sehr (doch ist dies durch die Verwandtschaft nachvollziehbar und akzeptabel), und es fällt ihr so klanglich naturgemäß leicht, im Anacréon-Akt die Partie des Amour zu übernehmen, ohne dass der Hörer eine Inkonsistenz wahrnähme (außer eben dass Mutels Stimme etwas gerundeter ist als jene Pochons).
Der Tenor Anders Dahlin profiliert sich als Mercure und Linus sowie in der winzigen Rolle des Agathocle als guter, wenn auch nicht epochaler lyrischer Tenor französischer Schule; er nutzt eine gute voix mixte (eine Mischung aus Kopf- und Bruststimme), was der Musik einen ganz eigenen Charakter verleiht. Besonders aber überzeugt die Mezzosopranistin Karine Deshayes als Diane, Uranie und Grande Prêtesse de Bacchus – im Gegensatz zu de Sopranistinnen hat ihre Stimme stärkeren Charakter und offenkundige dramatische Gestaltungskraft (höchstens ist der Übergang zum Brustregister nicht ganz überzeugend); hier wird die Musik regelrecht lebendig und bleibt nicht in musikalischer Galanterie stecken. Hier haben wir eine Sängerin, die in eine Klasse mit den derzeit Größten der französischen Oper zu nennen ist.
Ähnlich erfreulich ist der Bariton Jean-Sébastien Bou, der als Anacréon herrliche Phrasierungsbögen aufbieten kann, auch gelingt ihm das schwierige Changieren zwischen seiner Neigung zum Wein und zur Liebe ('Nouvelle Hébé' gerät zur veritablen Liebeserklärung an seine Geliebte Lycoris). Die anspruchsvolle Rollengestaltung (von seiner Intensität erinnert er etwas an den legendären Philippe Huttenlocher) bietet einen rundum erfolgreichen Abschluss des Dreiakters.
Etwas grobkörniger klingt der Bariton Pierre-Yves Pruvot als Apollon im Parténope/Uranie-Akt – das Feine, das dem Charakter anhängen sollte, das ‚Göttliche‘ lässt sich durch seine Stimme nicht transportieren. Es scheint, als sei Pruvot im Barockgesang kaum zu Hause, als sei er nicht genügend mit der Ästhetik vertraut, oder als könne er diese nicht musikalisch umsetzen (obwohl er ja schon u.a. mit Jean-Claude Malgoire und Didier Talpain gearbeitet hat). Auch die Chorsolistin Magali Perol-Dumora als Nymphe im Adonis-Akt ist etwas unsicherer als ihre Kolleginnen (Haltetöne sind bisweilen etwas unstet), doch ist dies bei einer Comprimaria-Rolle verzeihlich; allerdings scheint dies ein durchgängiges Problem des Chores zu sein, der hinter den Leistungen des Orchesters zurückbleibt. Les Nouveux Caractères unter seinem Chefdirigenten und Cembalisten Sébastien d‘Hérin bieten einen dramatisch-durchpulsten, gegebenenfalls zurückhaltend-innigen, musikalisch frischen und farbenreichen Orchesterklang, der eine optimale Folie für die Singstimmen bietet.
Aufnahmetechnik und CD-Booklet sind nahezu exemplarisch (in letzterem fehlen höchstens Informationen, wer auf den Fotos von den Aufnahmesitzungen zu sehen ist) – insgesamt eine würdige Ergänzung der Rameau-Diskografie.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Rameau, Jean-Philippe: Les Surprises de l'Amour |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Glossa 3 04.10.2013 |
Medium:
EAN: |
CD
8424562227019 |
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Glossa Spaniens renommiertestes Klassiklabel wurde 1992 von Carlos Céster und den Brüdern José Miguel und Emilio Moreno gegründet. Sein "Hauptquartier" hat es in San Lorenzo del Escorial in den Bergen nahe Madrid. Zahlreiche herausragende Künstler und Ensembles aus dem Bereich der Alten Musik (z.B. Frans Brüggen und das Orchestra of the 18th Century, La Venexiana, Paolo Pandolfo, Hervé Niquet und sein Concert Spirituel u.v.a.) finden sich im Katalog des Labels. Doch machte GLOSSA von Anfang an auch wegen der innovativen Gestaltung und Produktionsverfahren von sich reden. Zu nennen wären hier die Einführung des Digipacks auf dem Klassikmarkt und dessen konsequente Verwendung, der Einsatz von Multimedia Tracks oder die Platinum-Serie mit ihrem avantgardistischen Design. Innerhalb der vergangenen knapp zwei Jahrzehnte konnte GLOSSA so zu einem der interessantesten Klassiklabels auf dem Markt avancieren. Zu verdanken ist dies nicht zuletzt auch dem Spiritus rector und Gesicht des Labels, Carlos Céster. Mehr Info... |
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