
Staatskapelle Dresden spielt - Werke von Busoni, Pfitzner & Reger
Wunschehe
Label/Verlag: Profil - Edition Günter Hänssler
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Mitschnitte von Konzerten aus der Zeit, als Thielemann noch nicht Chefdirigent der Dresdener Staatskapelle war, zeigen ein Musizieren auf höchstem Niveau, das im Hinblick auf Regers 'Romantische Suite' eine moderne Referenz zeitigt.
Die Verbindung Christian Thielemanns mit der Staatskapelle Dresden darf getrost als Wunschehe bezeichnet werden. Schon bevor er offiziell die Leitung des traditionsreichen Orchesters übernahm, profilierte er sich mit den hier vorgelegten Interpretationen aus dem Jahre 2011, wie sie viele andere bestens aufeinander eingespielte Chefdirigenten und ihre Orchester selbst nach langer intensiver gemeinsamer Arbeit manchmal nicht erreichen. Schon der am frühesten zu datierende Mitschnitt, Max Regers Romantische Suite op. 125, wird in einer Referenzinterpretation vorgelegt, die in dieser Qualität nur ein einziges Mal zuvor auf Tonträger vorgelegt wurde (vor weit mehr als fünfzig Jahren durch Willem van Otterloo). Die orchestrale Brillanz, die klangliche Wärme der Streicher der ‚Wunderharfe‘, alle Fähigkeiten des Orchesters nutzt Christian Thielemann zu einer hochdifferenzierten, in seiner dynamischen Abstufung exemplarischen Interpretation. Bekanntlich hat Reger seine Partituren mit einer extremen Vielzahl an dynamischen Angaben versehen, von vielen Interpreten als Überzeichnung angesehen, von Wolfgang Rihm einmal als ‚Übermöblierung‘ bezeichnet. Dass dem nicht so ist, erweist die vorliegende Aufführung vom 1. Juni 2011: Hier erlangen die Unterscheidungen zwischen dreifachem Piano bis dreifachem Forte eine bezwingende logische Begründung, die gerne als Regers Hommage an Debussy verstandenem Werk eine durchaus eigene, unfranzösische Aura verleiht. Diese Raffinesse hat nur einen winzigen Nachteil: Thielemann kann nicht exakt Regers Tempovorschriften folgen. Dennoch erleben wir hier eine rare Sternstunde der Regerinterpretation, die den Geist der Komposition und das kompositorische Konzept zutiefst durchdringt.
Doch nicht nur in Sachen Reger leisten die Staatskapelle Dresden und Christian Thielemann Vorbildliches: das 'Nocturne symphonique' op. 43 zeigt hier in Ferruccio Busoni einen Komponisten, der weitaus mehr zur Musik des 20. Jahrhunderts beigesteuert hat als gemeinhin bekannt, der trotz eines eher überschaubaren Gesamtœuvres immer noch teilweise verkannt wird. Die Bedeutung feinster Klangschattierungen wird unter Thielemanns Händen nahezu physisch greifbar, Verbindungen zwischen Mahler, Schönberg und Hindemith werden offenbar, darüber hinaus aber auch die internationale Bedeutung Busonis, sein Einfluss auf ganze Komponistengenerationen des 20. und 21. Jahrhunderts.
Seit langem führt Hans Pfitzners Musik ein Schattendasein, nicht zuletzt wegen vieler problematischer Äußerungen des streitbaren Komponisten, seiner Verbundenheit einer ‚deutschen Kunst‘ gegenüber, die ihn zu Lebzeiten in unleugbare Nähe zum Nationalsozialismus brachten. Sein vielfach als unspielbar bezeichnetes Klavierkonzert Es-Dur op. 31 ist in letzter Zeit etwas häufiger zu hören. Wir erleben hier eine facettenreiche, ausgesprochen vitale Interpretation des viersätzigen Werkes, das wie Regers 'Romantische Suite' durch die Dresdner Staatskapelle uraufgeführt worden war (der Pfitzner durch Fritz Busch, der Reger durch Ernst von Schuch). Man versteht Thielemanns Begeisterung über seinen Solisten Tzimon Barto, der die große Geste des Werks ebenso beherrscht wie die diffizilen Pianostellen. Ein paar winzige Fehlerchen im Eifer des hitzigsten Gefechts stören keineswegs den großen Eindruck, den Barto, Thielemann und die Dresdner hinterlassen; wir haben hier keinesfalls ein Werk der zweiten Reihe, sondern einen zentralen Beitrag zum Klavierkonzert im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, in einer außerordentlichen Darbietung, mit starkem Charakter und offenkundiger Aura.
Es wird nicht überraschen, dass die MDR-Aufnahmequalität in allerbester Weise den Werken dient; ebenso überrascht nicht, dass das Begleitbooklet (von 64 Seiten Umfang), wie in der Reihe Edition Staatskapelle Dresden üblich, äußerst generös in der Gestaltung wie im Inhalt ist. Hierbei beschränkt sich Dramaturg Tobias Niederschlag nicht auf die reinen werkbezogenen Daten, sondern gibt auch Einblicke in die Perspektive der Interpreten, die das Ganze überzeugend abrunden. Eine außerordentlich erfreuliche, nahezu rundum empfehlenswerte Produktion (bei der man höchstens fragen kann, warum die 80‘51“ Gesamtdauer nicht wie heute durchaus möglich auf eine CD gebracht wurden).
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Staatskapelle Dresden spielt: Werke von Busoni, Pfitzner & Reger |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Profil - Edition Günter Hänssler 2 23.09.2013 |
Medium:
EAN: |
CD
881488120165 |
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Profil - Edition Günter Hänssler Profil - The fine art of classical music
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