
Burgmüller, Norbert - Klavierkonzert op. 1
Geniestreich
Label/Verlag: Carus
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Carus beendet die Veröffentlichung der Orchesterwerke Burgmüllers mit dem erstaunlichen Klavierkonzert.
Über Norbert Burgmüller (1810-1836) hieß es angesichts seines viel zu frühen Tods im Kurbad in Aachen recht schnell: Was hätte aus ihm werden können? Aufgrund der Wertschätzung der gleichaltrigen Kollegen Mendelssohn und Schumann, ja selbst später noch des sonst mit Kritik nicht zurückhaltenden Brahms ist man geneigt, posthum eine Position zumindest gleichberechtigt unter den Genannten für wahrscheinlich zu halten. Indes, es wird Spekulation bleiben. Mit der vorliegenden Einspielung seines einzigen Klavierkonzerts, flankiert von der Ouvertüre zum Opernfragment 'Dionys' und vier Entr’actes beschließt das Label Carus die diskographische Erschließung der Orchesterwerke Burgmüllers – und heizt damit die Spekulationen weiter an.
Für das Projekt sind in Sachen Burgmüller erfahrene Experten am Werk: Die Hofkapelle Stuttgart unter der Leitung von Frieder Bernius, die bereits mit den beiden Sinfonien des Düsseldorfers Beachtenswertes geleistet haben und Tobias Koch am Klavier, der ebenfalls vor einigen Jahren eine Platte mit Werken der Gebrüder Burgmüller herausbrachte. Sowohl Bernius als auch Koch sind an einem historisch möglichst korrekten Klangbild interessiert, was besonders in der Wahl des Flügels zu einem interessanten Ergebnis geführt hat.
Koch spielt auf einem Instrument des Hauses Bösendorfer aus dem Jahr 1849, der in seinem Gesamtszustand erstaunlich gut erhalten ist und praktisch keinerlei Eingriffe späterer Zeit aufweist. Damit lässt sich ein Eindruck der Klangästhetik jener Zeit wiedergewinnen, der aber für das Konzert Burgmüllers nicht durchweg überzeugen kann. Wie Koch im Booklet selbst schreibt, ist das Instrument ungewohnt zurückhaltend und klangtransparent, im Ergebnis hört es sich bisweilen an wie ein im Ambitus erweitertes Instrument der Mozart-Zeit. Damit passt es zwar wunderbar zu Burgmüllers zwischen Klassik und Romantik changierendem Konzert, manche musikalische Struktur bleibt damit klanglich aber nebulös. Insbesondere den Mittelstimmen fehlt es bisweilen an Kontur, im Zusammenspiel mit dem Orchester kann man sie oft nur erahnen.
Dennoch stellen Koch und Bernius klar heraus, was für ein Geniestreich das Konzert eines 18jährigen ist, das trotz aller wahrnehmbaren Nähe zu großen Vorbildern eine erkennbar eigene Handschrift trägt. Allein die Tonart fis-Moll und das mit Posaunen verstärkte Orchester lassen auf einen eigenen Gestaltungswillen schließen, der sich auch in der Handhabung der Form und der Themenbildung und -verarbeitung niederschlägt. Es handelt sich nicht um ein Virtuosenkonzert; Klavier und Orchester sind gleichermaßen am musikalischen Geschehen beteiligt.
Bernius arbeitet die Instrumentationskunst Burgmüllers gekonnt heraus, die besonders die Holzbläser ins rechte Licht setzt. Koch spielt die Stärken seines Instruments insbesondere im zweiten Satz aus, in dem sich die genannten Klangeigenschaften wunderschön mit dem Solo-Cello und gedämpften Streichern mischen. Im Finale zeigt sich Burgmüllers ganzes Talent, wo er eingängige Themen mal komplett, mal zerstückelt, mal verwandelt durch alle Teile des Orchesters und des Klaviers wandern lässt und dabei mit großer Farbigkeit ein rundes Ganzes erzeugt. Koch und Bernius spielen sich hier in bester Laune die Bälle zu.
Die genaue Bestimmung der vier Entr’actes op. 17 ist bis heute ungeklärt; vermutlich dienten sie – wie es der Name schon sagt – zur Unterhaltung der Zuschauer während der Pausen in einer (Musik?-)Theateraufführung. Bernius holt das Maximum an Feinheiten aus diesen musikalischen Miniaturen heraus, ohne sie in ihrer Bedeutung überfrachten zu wollen. So entstehen dank des prägnanten Spiels der Stuttgarter Hofkapelle kurze, aber stimmungsvolle Bilder.
Die Ouvertüre f-Moll op. 5 zur Oper 'Dionys' ist vermutlich aus einer früher komponierten Konzertouvertüre entstanden, wie ein Vermerk des Komponisten nahelegt. Der Rest der Oper blieb wegen eines mangelhaften Librettos unvollendet. Das groß besetzte Werk gibt wiederum der Hofkapelle Stuttgart die Gelegenheit, sich als ebenso kompakter wie differenzierender Klangkörper zu präsentieren. Wenn auch im Detail fein ausgearbeitet, so handelt es sich hier um eines der weniger bemerkenswerten Werke Burgmüllers.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Burgmüller, Norbert: Klavierkonzert op. 1 |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Carus 1 01.09.2013 |
Medium:
EAN: |
CD
4009350832978 |
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Carus Der Name Carus steht weltweit als ein Synonym für höchsten Anspruch und Qualität auf dem Gebiet geistlicher Chormusik. Dies betrifft nicht nur unsere zuverlässigen Noteneditionen vieler zu Unrecht in Vergessenheit geratener Werke. Es ist uns ein besonderes Anliegen, gerade diese Werke - oft als Weltersteinspielungen - auch in exemplarischen Interpretationen durch hochrangige Interpreten und Ensembles auf CD vorzulegen. Der weltweite Erfolg unseres Labels führte zur Erweiterung unseres Katalogs: Neben der Chormusik, die weiterhin den Schwerpunkt des Labels bildet, haben gerade in den letzten Jahren einige Aufnahmen barocker Instrumentalwerke internationale Beachtung gefunden. Unsere Zusammenarbeit mit erstklassigen Interpreten führte zu einer hohen Klangkultur, die mit der Verleihung vieler internationaler Preise honoriert wurde (Diapason d'Or, Preis der Deutschen Schallplattenkritik, Gramophone - Editor's choice). Mehr Info... |
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