
Prokofiev, Sergei Sergejewitsch - Sämtliche Violinwerke
Seidiger Glanz
Label/Verlag: Chandos
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Die Gesamteinspielung von Prokofjews Violinwerken mit dem Geiger James Ehnes überzeugt größtenteils.
Eine Gesamtaufnahme der Violinwerke von Sergei Prokofjew hat jetzt das englische Label Chandos vorgelegt. Hauptakteur ist der kanadische Geiger James Ehnes. Dieser, hierzulande anscheinend weniger bekannt, ist Absolvent der Juilliard School – geigerisch also keineswegs von geringen Gnaden. Ehnes’ Tonbildung ist fein und durchdringend, technisch ist er stupend versiert. Im Ganzen hinterlassen seine Darbietungen den Eindruck nobler Eleganz. Ehnes erscheint als einer, der darauf verzichtet, sich in den Vordergrund zu drängen, dafür umso solidere, eindringlichere Arbeit an den Fundamenten der musikalischen Darstellung leistet.
Eleganz, Akkuratesse, getragen von technischer Souveränität: Insofern mag man sich in der Tat an die Kunst eines Jascha Heifetz erinnert fühlen, mit dem Ehnes von der Kritik verglichen wurde. Die Remineszenz mag indes auch in anderer Hinsicht gelten. Wie man Heifetz’ Spiel Glätte, ja Kälte vorwarf, so könnte man von Ehnes sagen, dass seine Interpretationen etwas im Unprofilierten verbleiben, was Charakter, Aussagefreudigkeit und -kraft anbelangt. Das zeigt sich, wenn man die Interpretation z.B. des Zweiten Violinkonzertes (g-Moll) durch den 1976 Geborenen mit denen anderer Geiger seiner Generation vergleicht. So wirken etwa die Deutungen von Maxim Vengerov (geb. 1974) und Janine Jansen (geb. 1978) ungleich rhapsodischer, auch zupackender. Prokofjew Spiel mit unvermittelten Kontrasten, mit parodistischen und grotesken Elementen kommt so eher zu seinem Recht. Bei Ehnes werden derlei Momente registriert und technisch sauber exekutiert, der darüber hinaus gehende gestalterische Ehrgeiz hält sich jedoch in Grenzen. Nicht, dass Ehnes nicht auch über Spritzigkeit verfügte – etwa die hier zu hörende Einspielung der Sonate für Violine solo (op. 115) erweist das Gegenteil; aber im Ganzen fehlt es etwas an Schwung, vielleicht auch an interpretatorischer Visionarität.
Geheimnisvoller Gesang
Umgekehrt mag man freilich den diskreten, seidigen Glanz seines Spiels bei seinen Generationsgenossen vermissen, welcher mancherorts geradezu verzaubernde Wirkung entspinnt. Ehnes’ besondere Stärke scheint in der Gestaltung verhalten-lyrischer Kantilenen zu liegen. Das zeigt sich etwa zu Beginn des Ersten Violinkonzertes (D-Dur), und die Eröffnungstakte des g-Moll-Konzertes weiß der Kandier zu einem zugleich verheißungs- und geheimnisvollen Gesang mit halber Stimme zu formen.
Das BBC Philharmonic Orchestra unter Gianandrea Noseda erweist sich nicht zuletzt darin als kongenial, dass es Ehnes’ zurückgenommenem, oft etwas nüchternem Kurs folgt. Was das Gesamtergebnis an Farbigkeit und Temperament vielleicht vermissen lässt, wird durch die Homogenität des Miteinanders teils aufgewogen. Gleiches gilt im Großen und Ganzen für Amy Schwartz Moretti, Ehnes’ Partnerin in der Sonate für zwei Violinen (op. 56), und Andrew Armstrong, seinem Begleiter in den beiden Violinsonaten (op. 80 und 94bis) sowie den fünf 'Melodien' (op. 35bis). Armstrongs Anschlag ist kräftig und präzise – gerade die f-Moll-Sonate gewinnt durch das markige Bass-Register eine charakteristische lastende Stimmung.
Positiv ist an der Aufnahme das gestochen scharfe, ausgezeichnet balancierte Klangbild hervorzuheben: Dem Charakter von Ehnes’ Spiel kommt es besonders entgegen, ohne, dass seine Begleiter und Partner von ihm überdeckt würden (oder er von ihnen); und nicht zuletzt die Faktur der Werke bleibt so tiefenscharf nachvollziehbar.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Prokofiev, Sergei Sergejewitsch: Sämtliche Violinwerke |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Chandos 2 01.09.2013 |
Medium:
EAN: |
CD
095115178720 |
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Chandos Chandos Records was founded in 1979 by Brian Couzens and quickly established itself as one of the world's leading classical labels. Prior to forming the label, Brian Couzens, along with his son Ralph, worked for 8 years running a mobile recording unit recording for major labels (including RCA, Polydor, CFP, etc.) with many of the world's leading artists.
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