
Strauss, Richard: Chorwerke - Deutsche Motette op. 62/TrV 230
Musikalische Antikenverehrung
Label/Verlag: Coviello Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Michael Gläser führt seine Sänger mit kontrollierter Tempowahl durch das klangliche Dickicht Strauss'scher Chorwerke.
Nächstes Jahr feiert die Musikwelt den 150. Geburtstag ihres ‚Sorgenkinds‘ Richard Strauss. Dessen Chorwerke für 16-stimmigen Chor sind nun in einer Neueinspielung durch den Rundfunkchor Berlin unter der Leitung Michael Gläsers beim Label Coviello erschienen. Im Booklet geht Boris Kehrmann auf das komplexe und problematische Bildungsverständnis des Münchner Komponisten ein, der die Machtergreifung der Nazis mit einem programmatischen Aufsatz zu Bildungsreformen begrüßte. Wenig später trugen ihm die neuen Machthaber die Leitung der Reichsmusikkammer an, ein Amt, das Strauss‘ Reputation nach dem Krieg nachhaltig beschädigte. Seine ambivalenten politischen Ansichten drücken sich auch in seinen schriftlichen Äußerungen zur Rolle der Musik sowie der Geschichte aus, die in einer Hegelschen Antikenverehrung gipfelt, die die Griechen verklärt und gleichzeitig zu Vorläufern der deutschen Kultur macht.
Entsprechend fasziniert war Strauss von der griechischen Mythologie, deren Sujets er nicht nur in seinen Opern immer wieder aufgriff. Auch seine Chormusik ist von scheinbar antiken Themen durchzogen. Ein Beispiel hierfür ist 'An den Baum Daphne' für neunstimmigen Chor aus dem Jahr 1943. Aber auch seine Vorliebe für die Dichtungen Friedrich Rückerts ist in diesem Licht zu betrachten. Denn auch dieser strebte eine Erneuerung der deutschen Kultur durch die Übernahme antiker Vorbilder an – in seinem Fall durch die Imitation antiker Versmaße. Rückerts Gedichte ziehen sich wie ein roter Faden durch das Programm.
Kompositorisch lassen sich Strauss‘ Chorwerke in seine Vorliebe für opulente Klangwelten mit extremen Klangeffekten einordnen. Wie in den Orchester- und Opernpartituren zieht Strauss alle Register, von schwindelerregender Höhe bis zu dröhnender Tiefe, überwältigenden Tuttistellen bis hin zu fein ziselierten Pianissimo-Abschnitten. Allein schon die Aufteilung des Chores in 16 autarke Stimmgruppen zeugt von Strauss‘ Willen, die gesanglichen Möglichkeiten eines gemischten Ensembles voll auszuschöpfen. Dies führt zu teilweise sehr komplexen Klangclustern, deren Konstruiertheit gar nicht zum genialen Melodiker Strauss passen will. Sowohl 'An den Baum Daphne' TrV 272a (1943) als auch die mit ihr kompositorisch verwandte 'Deutsche Motette' op. 62/ TrV 230 (1913) fordern besonders vom Sopran Höchstleistungen.
Der Rundfunkchor bewerkstelligt diese Aufgaben mit großer Professionalität, obwohl selbst bei diesem Spitzenensemble der ungeheure Schwierigkeitsgrad der Strauss‘schen Partitur hörbar wird. Was die Sopranstimmen hier leisten müssen, grenzt an Quälerei. Zumal die endlosen Vokalisen in 'An den Baum Daphne' in einem instrumentalen Kontext vielleicht spannend anzuhören wären, als Gesangstück aber den Hörer an seine Grenzen führt. Das Stück ist langweilig anzuhören und so bemüht gearbeitet, dass die Freude an der Musik auf der Strecke bleibt.
Zum Glück beinhaltet die CD auch noch die sehr viel gelungeneren Drei Männerchöre nach Gedichten von Friedrich Rückert TrV270 (1935) sowie die zum Abschluss erklingenden Zwei Gesänge für 16-stimmigen gemischten Chor op. 34/ TrV 182 (1897), die eine gute Mischung aus Strauss‘ Liederschaffen – hier nur mit größerer Besetzung – darstellen. Der Rundfunkchor besticht hier mit dem von ihm zur Perfektion gebrachten ausgewogenen Gesamtklang, der auch die verdichtetsten Passagen musikalisch logisch aufbereitet. Michael Gläser führt seine Sänger mit kontrollierter Tempowahl durch das klangliche Dickicht. Immer wieder entstehen so Inseln von großer musikalischer Schönheit. Dennoch ist das Fazit der Rezensentin gemischt, denn wenn selbst ein solcher Ausnahmechor wie der Berliner Rundfunkchor an dieser Aufgabe sichtlich Mühe hat, sind Strauss‘ Chorspielereien vielleicht doch eher nur etwas für die theoretische Auseinandersetzung (wie im Booklet von Boris Kehrmann erwähnt) als dass sie aufgeführt werden müssten. An den Sängern liegt es auf jeden Fall nicht, dass die SACD nur bedingt zu überzeugen vermag.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Strauss, Richard: Chorwerke: Deutsche Motette op. 62/TrV 230 |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Coviello Classics 1 01.09.2013 |
Medium:
EAN: |
CD
4039956412137 |
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Strauss, Richard |
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