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Dienstag, 5. Dezember 2023

Verdi, Giuseppe - Macbeth

Perfekter Opernabend


Label/Verlag: Monarda Music
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Dieser 'Macbeth'-Mitschnitt aus dem Jahr 1972 bietet einen umwerfend eindringlichen Opernabend wie man ihn heute als Stecknadel im Heuhaufen der Produkte des sogenannten Regietheaters suchen muss.

Noch dauert die Wiederveröffentlichung von TDK-DVDs auf Arthaus/EuroArts an, ehe (hoffentlich) auch weitere Filmdokumente aus Glyndebourne auf DVD vorgelegt werden. Wie bislang so oft hat sich seit der Erstveröffentlichung bei der Präsentation des Materials nahezu nichts verändert – im vorliegenden Fall darf man sich allerdings immerhin eines kenntnisreichen und informativen Booklettextes von Boris Kehrmann erfreuen.

Die erste 'Macbeth' (eigentlich 'Macbetto')-Produktion in Glyndebourne erfolgte 1938 unter der musikalischen Leitung von Fritz Busch, als Remake von Carl Eberts sensationeller Berliner Inszenierung von 1931, und war zunächst keineswegs ein Erfolg. Die Einspringerin Vera Schwarz war eine ‚kühle Blonde‘, mithin für den Charakter der Lady Macbeth nur bedingt geeignet; erst im Folgejahr geriet die Produktion – nun mit Margerita Grandi als Lady Macbeth – zur Sensation und wurde nach dem Krieg schon 1947 in Edinburgh (unter der Leitung von Berthold Goldschmidt) äußerst erfolgreich wieder aufgenommen (und vom Rundfunk mitgeschnitten – Ausschnitte liegen bei Testament vor). 1952 kehrte 'Macbeth' schließlich unter Vittorio Gui nach Glyndebourne zurück. 1964 wurde die Oper von Franco Enriquez neu inszeniert, mit Ausstattung von Emanuele Luzzati, die auch für die Neueinstudierung 1972 unter Michael Hadjimischev weiterverwendet wurde.

Die hier vorliegende DVD-Produktion wurde am 7. August 1972 mitgeschnitten, zum Abschluss der Aufführungsserie des Jahres (die Produktion tourte im Folgejahr noch durch England und wurde dann abgesetzt); erst 2007 folgte eine Neuinszenierung.

Die Regiekonzeption Hadjimischevs, die in vielen Aspekten bewusst archaisch gehalten ist, wird im überraschend ausführlichen Booklet der DVD ausführlich erläutert (andere Bereiche sind nicht immer ganz adäquat, wie hier so auch in der Besetzungsliste), doch erklärt sich diese Konzeption auch unmittelbar. Die Hexenszenen haben eine überzeugend irreale Komponente, ohne übertriebenen Aktionismus, dafür unter Nutzung überzeugender Symbolik; die Pointiertheit der Choreographie (Pauline Grant) und der Personenführung zeugt von der sorgsamen Erarbeitung der Produktion. Dass der Regisseur auch bei der Fernsehfassung (Bildregie Dave Heather) ein Wörtchen mitzureden hatte, tut der Produktion gut und bewirkt einen ungetrübten Genuss.

Die vokale Besetzung der Inszenierung ist ausgesprochen überzeugend. Kostas Paskalis, auf Tonträger nicht allzu reich dokumentiert, bietet einen vollstimmigen, darstellerisch äußerst überzeugenden Macbeth. Josephine Barstow, eine herausragende Singdarstellerin, deren diskografische Hinterlassenschaft gleichfalls bescheiden ausgefallen ist, bestätigt den legendären Status, den sie in Kennerkreisen besitzt. Ihr durchschlagskräftiger tiefer Sopran mit guter Höhe (der allerhöchstens bei Verzierungen nicht immer ganz rein geführt ist, was aber nicht zu ‚Punktabzug‘ führen kann) ist ein perfekter Gegenpart zu Paskalis’ balsamischem Bariton, beider darstellerische Präsenz ist jedoch eingebettet in ein gleichermaßen hochqualitatives Umfeld. Die (unsichtbaren) Visionen werden äußerst erfolgreich ausgespielt, werden zwischen Akteuren und Publikum fast haptisch spürbar – eine nahezu optimale Umsetzung Shakespeare‘scher und Verdi‘scher Konzepte.

James Morris gibt einen charismatischen, wenn auch nicht stimmschönen Banquo; gleichwohl scheint Morris als Banquo deutlich überzeugend als in späteren Jahren als Wagner- oder Mozart-Sänger. Keith Erwen ist ein warm timbrierter, gar nicht selbstherrlicher vokal bestens aufgelegter Macduff, Rae Woodland eine schönstimmige, das Beste aus ihrer Rolle machende Hofdame. Ian Caley als Malcolm ist vokal etwas zu scharf und passt so nicht ganz zu den anderen Mitwirkenden (doch ist sein Part ein kleiner und die erforderlichen Abstriche daher nicht substanziell). Ian Caddy (Diener), Brian Donlan (Arzt), John Tomlinson und Linda Esther Gray (Erscheinungen) ergänzen das hochkarätige Ensemble

John Pritchard, manchmal etwas zurückhaltend in seinem Zugriff, ergreift das Drama mit beiden Händen und erweist sich als würdiger ehemaliger Assistent Buschs. Der Glyndebourne Festival Chorus (Chordirektion Christopher Fifield) überzeugt in seinen unterschiedlichen Rollen, gerät nicht ins Statuarische, sondern bleibt durchgängig hochkonzentriert. Dass der Klang des London Philharmonic Orchestra (Konzertmeister Gerald Jarvis) gelegentlich rau bis unsauber ist, steigert, trotz oder vielleicht sogar während dieser Mängel, die Unmittelbarkeit des Ausdrucks. Das Gesamtergebnis ist ein ungeheuer dichter, rundum gelungener Opernabend, wie man sie heute als Stecknadel im Heuhaufen der Produkte des sogenannten Regietheaters suchen kann.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:
Features:
Regie:








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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Verdi, Giuseppe: Macbeth

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Monarda Music
1
03.06.2013
Medium:
EAN:

DVD
807280231694


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Monarda Music

Arthaus Musik wurde im März 2000 in München gegründet und hat seit 2007 seinen Firmensitz in Halle (Saale), der Geburtsstadt Georg Friedrich Händels.

Das Pionierlabel für Klassik auf DVD veröffentlicht nunmehr seit 13 Jahren hochkarätige Aufzeichnungen von Opern, Balletten, klassischen Konzerten, Jazz, Theaterinszenierungen sowie ausgesuchte Dokumentationen über Musik und Kunst. Mit bis zu 150 Veröffentlichungen pro Jahr sind bisher über 1000 Titel auf DVD und Blu-ray erschienen. Damit bietet Arthaus Musik den weltweit umfangreichsten Katalog von audiovisuellen Musik- und Kunstproduktionen und ist seit Gründung des Labels international führender Anbieter in diesem Segment des Home Entertainment Marktes.

In vielen referenzgültigen Aufzeichnungen sind die größten Künstler unserer Zeit wie auch aus vergangenen Tagen zu hören und zu sehen. Unter den Veröffentlichungen finden sich Aufnahmen mit Plácido Domingo, Cecilia Bartoli, Luciano Pavarotti, Maria Callas, Jonas Kaufmann, Elīna Garanča; mit Dirigenten wie Carlos Kleiber, Claudio Abbado, Nikolaus Harnoncourt, Lorin Maazel, Pierre Boulez, Zubin Mehta; aus Opernhäusern wie der Mailänder Scala, der Wiener Staatsoper, dem Royal Opera House Covent Garden, der Opéra National de Paris , der Staatsoper Unter den Linden, der Deutschen Oper Berlin und dem Opernhaus Zürich.

Zahlreiche Veröffentlichungen des Labels wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der Oscar-prämierte Animationsfilm ?Peter & der Wolf? von Suzie Templeton, die aufwändig produzierte ?Walter-Felsenstein-Edition? und die von Sasha Waltz choreographierte Oper ?Dido und Aeneas?, die beide den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhielten. Mit dem Midem Classical Award wurden u. a. die Dokumentationen ?Herbert von Karajan ? Maestro for the Screen? von Georg Wübbolt und ?Celibidache ? You don?t do anything, you let it evolve? von Jan Schmidt-Garre ausgezeichnet. Die Dokumentation ?Carlos Kleiber ? Traces to nowhere? von Eric Schulz erhielt den ECHO Klassik 2011.

Mit der Tochterfirma Monarda Arts besitzt Arthaus Musik eine ca. 900 Produktionen umfassende Rechtebibliothek zur DVD-, TV- und Onlineauswertung. Seit 2007 entwickelt das Unternehmen kontinuierlich die Sparte Eigenproduktion mit der Aufzeichnung von Opern, Konzerten, Balletten und der Produktion von Kunst- und Musikdokumentationen weiter.

Arthaus Musik DVDs und Blu-ray Discs werden über ein leistungsfähiges Vertriebsnetz, u.a. in Kooperation mit Naxos Global Distribution in ca. 70 Ländern der Welt aktiv vertrieben. Darüber hinaus veröffentlicht und vertreibt Arthaus Musik die 3sat-DVD-Edition und betreut für den Buchhandel u.a. die Buch- und DVD-Edition über Pina Bausch von L’Arche Editeur, Preisträger des Prix de l’Académie de Berlin 2010.


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