
Dvorak, Antonin - Sinfonie Nr. 9 op. 95: Aus der Neuen Welt
Erregte Reise: Dvořáks böhmische Prärie
Label/Verlag: BR-Klassik
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Andris Nelsons macht sich mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks auf zu einer sehr energiegeladenen Reise in die Neue Welt - mit Dvořáks Symphonie Nr. 9. Als Zugabe gibt's das 'Heldenlied' op. 111.
Man kann natürlich fragen: Braucht die Welt noch eine CD-Einspielung von Dvořáks Symphonie Nr. 9? Es gibt so viele hervorragende Aufnahmen dieses Meisterwerks aus dem Jahr 1893, sowohl historische als auch neuere in digitalem Supersound, dass man als Katalog-Newcomer schon gute Nerven und überzugende interpretatorische Argumente braucht, um sich neben der Konkurrenz erfolgreich positionieren zu können. Die vorliegende Aufnahme mit Andris Nelsons ist ein Mitschnitt aus dem Herkulessaal in München vom Dezember 2010, die vor allem durch unüberhörbaren Drive besticht. Nelsons liebt es offensichtlich, ‚Dvořáks böhmische Prärie‘ (wie es im Booklet so schön heißt) mit starken Kontrasten und lustvoll-leidenschaftlichen Akzenten zu dirigieren, vor allem aber auch ziemlich rasant – was mir besonders im Scherzo ('Molto vivace') auffiel. Dieses Aggressiv-Drängende der Interpretation ist nicht ohne Reiz, genauso wie der teils sehr innige Streicherklang, den Nelsons dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks immer wieder entlockt, ein Klang, dem man einen gewissen ‚Seelenton‘ attestieren kann, der wunderbar zu Dvořák passt.
Beim wiederholten Hören fiel mir jedoch auf, dass ich mich immer stärker nach den ruhigeren klassischen Aufnahmen eines Kubelik & Co. zurücksehnte, besonders im erwähnten Scherzo und Finale ('Allegro con fuoco'). Denn die Hochdruck-Interpretation wirkte auf mich – trotz vieler wunderbarer Details – irgendwann ermüdend. Außerdem gehen nicht wenige der wunderbaren Details verloren bzw. kommen nicht voll zur Geltung, wenn sie immerzu unter Dampf produziert werden oder von Dampf überschattet werden.
Dem generellen Hochdruck steht das sehr intim gespielte 'Largo' gegenüber, das ungeachtet aller hervorragenden Solopassagen nicht den poetischen Zauber verbreitet, den es bei anderen Dirigenten hat; es fehlt Nelson scheinbar der Mut zum Schmelz, zum großen elegischen Atem, in dem all die Details gebündelt werden. Dieses wunderbare Wiegenlied nach einer Pseudo-Indianerweise blüht – in meinen Ohren – an den entscheidenden Stellen einfach nicht auf, wie beispielsweise in der Aufnahme von Klaus Tennstedt mit den Berliner Philharmonikern aus dem Jahr 1984, ebenfalls digital.
Was heißt das alles nun in Bezug auf die Eingangsfrage? Selbstverständlich braucht niemand, der bereits eine Lieblingsaufnahme (oder mehrere) der 'Symphonie aus der Neuen Welt' hat, diese BR-Klassik-CD als ergänzendes ‚must have‘. Es gibt keine interpretatorischen oder klanglichen Neuerungen, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen. Wer allerdings eine rasant und leidenschaftlich musizierte heutige Aufnahme der Neunten Symphonie als erste Begegnung mit dem Werk sucht, der wird mit dieser CD hervorragend bedient. Sie gibt Zeugnis einer funkensprühenden Begegnung zwischen dem lettischen Maestro und dem bayerischen Luxusklangkörper, der hier viel Charakter in allen Instrumentengruppen demonstriert.
Und: Als Bonus bietet die CD einen Mitschnitt von 2012 aus der Philharmonie im Gasteig mit dem 20-minütigen 'Heldenlied', einer symphonischen Dichtung, die vier Jahre nach der Neunten Symphonie entstand und 1898 von den Wiener Philharmonikern unter Gustav Mahler uraufgeführt wurde. Das Werk verströmt nicht den unwiderstehlichen Charme der Neunten, weil es nicht dessen klare Struktur hat, wie ja überhaupt Dvořáks Symphonische Dichtungen nie die Popularität seiner Symphonien oder Symphonischen Tänze erreicht haben – oder die von Liszts Vorbildern (von Strauss ganz zu schweigen). Dennoch beeindrucken auch hier die Streicher mit ihrem sehr erdigen und seelenvollen Ton. Und das Blech darf sich fulminant austoben – was von den Mikros des Bayerischen Rundfunks blenden eingefangen wird. In den finalen Presto-Passagen geht wirklich die Post ab!
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Dvorak, Antonin: Sinfonie Nr. 9 op. 95: Aus der Neuen Welt |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
BR-Klassik 1 18.03.2013 |
Medium:
EAN: |
CD
4035719001167 |
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BR-Klassik BR-KLASSIK, das Label des Bayerischen Rundfunks (BR), veröffentlicht herausragende Live-Konzerte des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks (BRSO), des Chors des Bayerischen Rundfunks, des Münchner Rundfunkorchesters sowie der Konzertreihe musica viva. Dabei ist es ein wesentliches Ziel des Senders, über seine Radio- und TV-Programme hinaus auch digital sowie via CD und DVD allen Musikfreunden weltweit Zugang zu besonderen Aufnahmen zu bieten und auf diese Weise auch jenes Publikum zu erreichen, welches keine Möglichkeit hat, die Konzerte der internationalen Tourneen selbst vor Ort live zu erleben. Neben den jeweiligen Chefdirigenten wie beispielsweise Mariss Jansons oder Sir Simon Rattle finden sich großartige Künstlerpersönlichkeiten wie Daniel Barenboim, Herbert Blomstedt, Bernard Haitink und viele andere mehr. Die Reihe BR-KLASSIK WISSEN liefert unterhaltsame und kurzweilige Hörbiografien von Jörg Handstein mit vielen Hintergrundinformationen und Musikbeispielen auf jeweils 4 CDs, erzählt von Udo Wachtveitl sowie spannende Werkeinführungen in bedeutende Kompositionen der Musikgeschichte. Durch die Reihe BR-KLASSIK ARCHIVE werden historische Aufnahmen des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks wieder verfügbar. Beispielsweise die legendäre Aufführung des Verdi-Requiems unter der Leitung Ricardo Mutis mit Jessye Norman, Agnes Baltsa, José Carreras und Jewgenij Nesterenko und dem Chor des BR im Jahr 1981 oder etwa denkwürdige Konzertabende mit der Pianistin Martha Argerich: 1973 unter Leitung von Eugen Jochum mit Mozarts Klavierkonzert KV 456 sowie zehn Jahre später mit Beethovens Klavierkonzert Nr.1 unter Seiji Ozawa. Mittlerweile umfasst der gesamte Katalog über 200 Aufnahmen und hat bereits mehr als 50 renommierte und internationale Auszeichnungen erhalten, darunter den Preis der Deutschen Schallplattenkritik, den Diapason d’or, den BBC Music Magazine Award und den ICMA. BR-KLASSIK wird weltweit durch NAXOS vertrieben. Selbstverständlich gehören hierzu auch digitale Portale wie Spotify, Apple, amazon u.v.a.. Die Naxos Music Library präsentiert zudem für Universitäten und öffentliche Bibliotheken via Internet einen ständig wachsenden Katalog mit tausenden von Titeln weltweit führender Labels. Studenten, Lehrpersonal und andere Benutzer können sich jederzeit einloggen und in der Bibliothek, im Hörsaal, im Studentenwohnheim, im Büro oder zu Hause das komplette Repertoire abrufen - auch die Aufnahmen von BR-KLASSIK. Mehr Info... |
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