> > > Euler, Christian & Rivinius, Paul spielen: Werke von Bliss, Bax & Vaughan Williams
Montag, 25. September 2023

Euler, Christian & Rivinius, Paul spielen - Werke von Bliss, Bax & Vaughan Williams

Wellenartig


Label/Verlag: MDG
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Christian Euler und Paul Rivinius widmen sich Werken für Viola und Klavier britischer Provenienz. Sie finden einen eigenen Zugang, der bei einigen Stücken mehr, bei anderen weniger überzeugt. Vortrefflich ist allerdings die klangliche Abbildung.

Es ist merkwürdig, wie wellenartig Repertoireerkundung im internationalen Vergleich erfolgt. Kaum haben sich in Großbritannien die Bratschisten York Bowen, Julius Harrison, Gordon Jacob, Lennox Berkeley, Edgard Bainton, Granville Bantock oder anderen lange vergessenen Komponisten zugewandt, da ‚klappern‘ die deutschen mit jenen Komponisten hinterher, die in Großbritannien schon lange etabliert sind. Arthur Bliss, Arnold Bax und Ralph Vaughan Williams sind bei englischen Bratschisten schon seit spätestens den 1990er-Jahren geläufige Namen, auf dem deutschen Markt kommen ihre Kompositionen erst heute an.

Arthur Bliss‘ (1891–1975) dreisätzige Sonate entstand 1933 in enger Zusammenarbeit mit dem legendären Lionel Tertis – der Komponist selbst sprach sogar von einer Art Gemeinschaftskomposition. Für den Komponisten ist sie eigentlich nicht ganz typisch – viele seiner typischen Gesten finden sich hier nicht; dafür erkundet der Komponist extensiv die erweiterte (Bi-)Tonalität. Der ‚deutsche‘ Blick auf das Werk durch Christian Euler und Paul Rivinius eröffnet durchaus eigene Perspektiven. So wie fast unmittelbar klar wird, dass sich die Musiker ein für sie unbekanntes Idiom erkunden, so finden sie doch eine Art internationalen Ton in dem Komponisten, gerade in den verhalteneren Passagen. Andere Momente geraten dafür fast grob, andere wiederum unterschwellig humoristisch-satirisch; vieles davon ist in Bliss angelegt, doch gelangen die beiden Musiker nicht zu einem voll gerundet dramaturgisch-logischen Gesamtergebnis – vielleicht auch weil Euler der typische ‚Tertis-Ton‘ nicht so in die Wiege gelegt ist wie etwa Martin Outram, der die Sonate für Naxos mit Peter Donohoe eingespielt hat. Auch Paul Rivinius, so differenziert er sein mag, hat seine ganz eigene Herangehensweise an Bliss‘ Klaviersatz – in sich eigen, mit herrlichen Zwischentönen. Wie Euler geht er nicht den Weg der großen Gesten, versucht die Musik quasi aus sich selbst heraus zu interpretieren. Besonders die große Steigerung im langsamen Satz (ganz typischer Bliss) wird so aber nicht voll ausgespielt.

Arnold Bax‘ (1883–1953) Sonate erlebte ihre Uraufführung 1922, sieben Jahre später spielten Tertis und der Komponist die erste Aufnahme des Werkes ein (heute u.a. erhältlich auf Heritage). Das beliebte, nachromantisch-formal eher konventionelle Werk scheint den beiden Musikern weitaus besser zu liegen als der eher ungewohnte Bliss. Hier finden Euler und Rivinius schnell den passenden Ton, um nicht nur der Musik, sondern auch dem Komponisten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Dennoch gibt es andere Interpretationen, die musikalisch noch stärker wirken – etwa jene von Ivo-Jan van der Werff und Simon Marlow (Koch). Besonders gut zur Geltung (auch der Aufnahmetechnik wegen) kommt Eulers und Rivinius‘ Einspielung im zentralen 'Scherzo' (das weit von einem normalen Scherzo entfernt ist, eher ein brutaler Geistertanz – David Owen Norris spricht vom ‚Inferno‘); allerdings bleiben die beiden deutschen Musiker noch etwas zu zahm, zu wenig wild-furios.

1934 spielte Tertis die Uraufführung von Ralph Vaughan Williams‘ (1872–1958) Suite für Viola und kleines Orchester, hier im Klavierauszug vorgelegt. Gerade dieses Werk hat einige Zeit gebraucht, ehe es in den Kanon aufgenommen wurde; mittlerweile liegen drei hochkarätige Einspielungen der Originalfassung vor. Das Werk wirkt besonders im originalen Gewand, der Klavierpart gerät gerade in der hier vorliegenden Aufführung immer wieder allzu sehr zur Folie, auf der der Streicher umso strahlender in Erscheinung tritt. Um Kammermusik handelt es sich im eigentlichen Sinne so also nicht, dadurch erscheint die achtsätzige Komposition hier auch ein wenig als Fremdkörper. Aus dem Vorhandenen machen Euler und Rivinius viel, aber nicht alles; nur manche Sätze funktionieren kammermusikalisch einigermaßen (etwa das 'Carol', die sentimentale 'Ballad' und die 'Polka melancolique'). Da aber die eigentlichen Werkintentionen verloren gegangen sind, bleiben Vaughan Williams‘ Qualitäten hier im Grunde unklar (man vergleiche etwa mit den berühmten 'Six Studies in English Folksong', die es auch in einer Fassung mit Viola gibt und die der SACD einen weitaus befriedigenderen Abschluss hätten bieten können).

Der Booklettext scheint kaum mehr als eine Gelegenheitsarbeit zu sein – zur britischen Violamusik ist heute viel mehr zu sagen als das hier Vorgelegte, das vor zwanzig, dreißig Jahren vielleicht gereicht hätte, heute aber – gerade bei einem Tonträger, der in Sachen Klangtechnik an vorderster Front mitspielt – kaum mehr tolerabel ist.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Euler, Christian & Rivinius, Paul spielen: Werke von Bliss, Bax & Vaughan Williams

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
MDG
1
15.02.2013
Medium:
EAN:

SACD
760623179667


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MDG

Die klangrealistische Tonaufnahme

»Den beim Sprechen oder Musizieren entstehenden Schall festzuhalten, um ihn zu konservieren und beliebig reproduzieren zu können, ist eine Idee, die seit langem die Menschen beschäftigte. Waren zunächst eher magische Aspekte im Spiel, die die Phantasie beflügelten wie etwa bei Giovanni deila Porta, der 1598 den Schall in Bleiröhren auffangen wollte, so führte mit fortschreitender Entwicklung naturwissenschaftlichen Denkens ein verhältnismäßig gerader Weg zur Lösung...« (Riemann Musiklexikon)

Seit Beginn der elektrischen Schallaufzeichnung ist der Tonmeister als »Klangregisseur« bei der Aufnahme natürlich dem Komponisten und dem Interpreten, aber auch dem Hörer verpflichtet. Die Mittel zur Tonaufzeichnung sind hinlänglich bekannt. Die Kriterien für ihren Einsatz bestimmt das Ohr. Deshalb für den Hörer hier eine Beschreibung unserer Hörvorstellung.

Lifehaftigkeit

In der Gewißheit, daß der Konzertsaal im Wohnzimmer (leider) nicht realisierbar ist, konzentriert sich unser Bemühen darauf, die Illusion einer Wirklichkeit zu vermitteln. Die Musik soll im Hörraum so wiedererstehen, daß spontan der Eindruck der Unmittelbarkeit entsteht, das lebendige Klanggeschehen mit der ganzen Atmosphäre der »Lifehaftigkeit« erlebt wird. Da wir praktisch ausschließlich menschliche Stimmen und »klassische« Instrumente - auch sie haben ihren Ursprung im Nachahmen der Stimme - aufnehmen, konzentriert sich unsere Klangvorstellung auf natürliche Klangbalance und tonale Ausgeglichenheit im Ganzen, und instrumentenhafte Klangtreue im Einzelnen. Darüber hinaus natürliche, ungebremste Dynamik und genaueste Auflösung auch der feinsten Spannungsbögen. Weitestgehend bestimmend für die Illusion der Lifehaftigkeit ist auch die Ortbarkeit der Klangquellen im Raum: freistehend, dreidimensional, realistisch.

Musik entsteht im Raum

Um diesen »Klangrealismus« einzufangen, ist bei den Aufnahmen von MDG eine natürliche Akustik unbedingte Voraussetzung. Mehr noch, für jede Produktion wird speziell in Hinblick auf die Besetzung und den Kompositionsstil der passende Aufnahmeraum ausgesucht. Anschließend wird »vor Ort« die optimale Plazierung der Musiker und Instrumente im Raum erarbeitet. Dieser ideale »Spielplatz« ermöglicht nun nicht nur die akustisch beste Aufnahme, sondern inspiriert durch seine Rückwirkung die Musiker zu einer lebendigen, anregenden Musizierlust und spannender Interpretation. Können Sie sich die Antwort des Musikers vorstellen auf die Frage, ob er lieber in einem trockenen Studio oder in einem Konzertsaal spielt?

Die Aufnahme

Ist der ideale Raum vorhanden, entscheidet sich der gute Ton an den Mikrofonen - verschiedene Typen mit speziellen klanglichen Eigenheiten stehen zur Auswahl und wollen mit dem Klang der Instrumente im Raum in Harmonie gebracht werden. Ebenso wichtig für eine natürliche Abbildung ist die Anordnung der Mikrofone, damit etwa die richtigen Nuancen in der solistischen Darstellung oder die Kompensation von Verdeckungseffekten realisierbar werden. Das puristische Ideal »nur zwei Mikrofone« kann selten den komplexen Anforderungen einer Aufnahme mit mehreren Instrumenten gerecht werden. Aber egal wie viele Mikrofone verwendet werden: Stellt sich ein natürlicher Klangeindruck ein, ist die Frage nach dem Zustandekommen des »Lifehaftigen« zweitrangig. Entscheidend ist, es klingt so, als wären nur zwei Mikrofone im Spiel.

Ohne irgendwelche »Verschlimmbesserer« wie Filter, Limiter, Equalizer, künstlichen Hall etc. zu benutzen, sammeln wir die Mikro-Wellen übertragerlos in einem puristischen Mischpult und geben das mit elektrostatischem Kopfhörer kontrollierte Stereosignal linear und unbegrenzt an den AD-Wandler und zum digitalen Speicher weiter. Dadurch bleiben auch die feinsten Einschwingvorgänge erhalten. Auf der digitalen Ebene wird dann ohne klangmanipulierende Eingriffe mit dem eigenen Editor in unserem Hause das Band zur Herstellung der Compact Disc für den Hörer erstellt, für Ihr hoffentlich großes Hörvergnügen.


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