> > > Rossini, Gioachino: Il barbiere di Siviglia
Montag, 2. Oktober 2023

Rossini, Gioachino - Il barbiere di Siviglia

Jahrgangs-Champagner


Label/Verlag: Monarda Music
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Dieser glänzende 'Barbiere' ist trotz gewisser vokaler Einschränkungen im Detail und nicht ganz scharfem Bild und Ton immer noch eine Empfehlung wert.

1982 inszenierte Michael Hampe für die Kölner Oper Rossinis 'Il barbiere di Siviglia' zum Auftakt einer neuen Reihe von Rossini-Produktionen, an die der, der sie gesehen hat, noch heute mit Wehmut zurückdenkt (acht von ihnen sind auf DVD greifbar). Szenisch ausgesprochen detailgetreu ausgestattet von Ezio Frigerio und Mauro Pagano und mit der Lichtregie von Hans Toelstede, legte Hampe extrem viel Wert auf die Umsetzung dessen, was Libretto und Musik vorgeben – besonders bei steten Repetitionen in Finali oder Arien eine Herausforderung an unmusikalische oder anderweitig ignorante Regisseure. Auch sechs Jahre später, als die Produktion bei den Schwetzinger Festspielen zu Gast war, in deren Rahmen die vorliegende Fernsehfassung entstand, hat sie nichts von ihrem Charme und ihrer Lebendigkeit verloren. Die Stimmigkeit von Tableaugestaltung, Visuellem (mit hübschem dezentem spanischem Touch), Choreografischem und Lichtausgestaltung führt zu beglückenden Ergebnissen, mit denen seither kaum eine Inszenierung mithalten konnte; Claus Viller hat die inspirierte Produktion gleichermaßen inspiriert fürs Fernsehen festgehalten.

Da haben wir zum einen einen Modellfall der Inszenierung, die ebenso detailversessen auf den Sinn (und Unsinn) von Librettist Cesare Sterbini und Komponist Gioacchino Rossini reagiert wie die musikalische Seite. Mit Gabriele Ferro ist andererseits ein Rossini-Dirigent allerhöchster Grade am Werk, der die Musik nicht nur bis ins tiefste instrumentatorische Detail kennt (er hat sich als erster Dirigent auch historisierend mit Rossinis Musik auseinandergesetzt, sehr empfehlenswert seine Einspielungen von 'Tancredi', 'L’italiana in Algeri' und 'La Cenerentola' mit der Cappella Coloniensis). Schon die Ouvertüre sprudelt nur so über und etabliert die Stimmung, die in den nächsten zweieinhalb Stunden nur an den passenden Momenten etwas eingetrübt wird. Das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart war nie ein Rossini-Orchester, auch hier nicht; der eigentliche Charme der Umsetzung fehlt, die klangliche Raffinesse, doch vermag es Ferro, diese Einschränkungen vergessen lassen.

Das liegt in hohem Maße auch an dem rundum frisch aufgelegten Ensemble, dem man bis ins Detail die ihnen zugewiesenen Rollen abnimmt. Von der Haushälterin Berta (Edith Kertész-Gabry, die Witwe von István Kertész, im Herbst ihrer Karriere) und dem Diener Fiorillo (Klaus Bruch, einem Urgestein der Kölner Oper) bis zu den frischen Darbietungen von der damals gerade 22-jährigen (!) Cecilia Bartoli als Rosina, dem 33-jährigen Kanadier Gino Quilico als Barbiere und dem 41-jährigen Amerikaner David Kuebler als Graf Almaviva gibt es keinen Schwachpunkt. Komplettiert wird das Ensemble durch den Engländer Robert Lloyd als Basilio und dem 63-jährigen Argentinier Carlos Feller in der Rolle des Doktor Bartolo. Kuebler hat eine warme Tenorstimme, die in den Höhen silbrig strahlt (gerade in der Eröffnungsszene ein schöner Kontrast zu Bruchs Charakterbass – keine Frage, warum Hampe ihn für seine Rossini-Inszenierungen so regelmäßig heranzog) und perfekt mit Bartoli und Quilico harmoniert. Quilico, eine äußerst elegante Bühnenerscheinung, der viel zu wenig auf Ton- oder Bildtonträger dokumentiert ist (nicht zu verwechseln mit seinem Vater Louis Quilico, ebenfalls einem international sehr erfolgreichen Bariton), wäre, aufs Vokale beschränkt, hier vielleicht nicht die allererste Wahl (anders in diversen seiner Studio-CD-Produktionen vornehmlich des französischen Repertoires), doch ist seine Spielfreude buchstäblich ansteckend und – dies ist natürlich besonders erfreulich – auf einem Niveau mit jener aller anderer Ensemblemitglieder. Wenn er das Loblied des Goldes singt (mehr noch, visuell überzeugend erfahrbar macht), straft das die scheinbare Banalität der Musik Lügen.

Cecilia Bartoli, damals noch ganz ohne Allüren und Manierismen, ist vokal bestens aufgelegt, in den Koloraturen präzis und voller Charme – musikalisch zusammen mit Kuebler offenkundig das Zentrum der Produktion. Doch spricht es für den Ensemblegeist aller Beteiligten, in der Summe tatsächlich mehr zu bieten als Einzelleistungen, die in andere Produktionen vielleicht noch herausragender sein mögen. Lloyd zeigt Mut zur Hässlichkeit und Feller überzeugt trotz seines Alters längst nicht nur darstellerisch, sondern auch mit vokaler Frische; etwaige Abnutzungserscheinungen werden durch die szenische Komponente weit mehr als kompensiert.

Der Männerchor der Kölner Oper ist nicht immer ganz exakt auf den Punkt, doch positiv fällt bei ihm wie auch in den Rezitativen und den großen Nummern das feine Gespür fürs Italienische auf. Dass der Chor nicht einfach nur herumsteht, ist Michael Hampes Bewusstsein fürs Detail zu danken. Die vorliegende NTSC-Wiederveröffentlichung bietet im Vergleich zu den früheren Ausgaben nichts Neues, aber immer noch eine exemplarische Inszenierung aus jener Zeit, als sich alle Interpreten noch dem Werk unterordneten und ihm im besten Sinne des Wortes dienten. Trotz gewisser vokaler Einschränkungen im Detail und nicht ganz scharfem Bild und Ton immer noch eine Empfehlung wert.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:
Features:
Regie:








Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!

Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel

Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.



Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



Cover vergrößern

    Rossini, Gioachino: Il barbiere di Siviglia

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Monarda Music
1
11.03.2013
Medium:
EAN:

DVD
807280230598


Cover vergössern

Monarda Music

Arthaus Musik wurde im März 2000 in München gegründet und hat seit 2007 seinen Firmensitz in Halle (Saale), der Geburtsstadt Georg Friedrich Händels.

Das Pionierlabel für Klassik auf DVD veröffentlicht nunmehr seit 13 Jahren hochkarätige Aufzeichnungen von Opern, Balletten, klassischen Konzerten, Jazz, Theaterinszenierungen sowie ausgesuchte Dokumentationen über Musik und Kunst. Mit bis zu 150 Veröffentlichungen pro Jahr sind bisher über 1000 Titel auf DVD und Blu-ray erschienen. Damit bietet Arthaus Musik den weltweit umfangreichsten Katalog von audiovisuellen Musik- und Kunstproduktionen und ist seit Gründung des Labels international führender Anbieter in diesem Segment des Home Entertainment Marktes.

In vielen referenzgültigen Aufzeichnungen sind die größten Künstler unserer Zeit wie auch aus vergangenen Tagen zu hören und zu sehen. Unter den Veröffentlichungen finden sich Aufnahmen mit Plácido Domingo, Cecilia Bartoli, Luciano Pavarotti, Maria Callas, Jonas Kaufmann, Elīna Garanča; mit Dirigenten wie Carlos Kleiber, Claudio Abbado, Nikolaus Harnoncourt, Lorin Maazel, Pierre Boulez, Zubin Mehta; aus Opernhäusern wie der Mailänder Scala, der Wiener Staatsoper, dem Royal Opera House Covent Garden, der Opéra National de Paris , der Staatsoper Unter den Linden, der Deutschen Oper Berlin und dem Opernhaus Zürich.

Zahlreiche Veröffentlichungen des Labels wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der Oscar-prämierte Animationsfilm ?Peter & der Wolf? von Suzie Templeton, die aufwändig produzierte ?Walter-Felsenstein-Edition? und die von Sasha Waltz choreographierte Oper ?Dido und Aeneas?, die beide den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhielten. Mit dem Midem Classical Award wurden u. a. die Dokumentationen ?Herbert von Karajan ? Maestro for the Screen? von Georg Wübbolt und ?Celibidache ? You don?t do anything, you let it evolve? von Jan Schmidt-Garre ausgezeichnet. Die Dokumentation ?Carlos Kleiber ? Traces to nowhere? von Eric Schulz erhielt den ECHO Klassik 2011.

Mit der Tochterfirma Monarda Arts besitzt Arthaus Musik eine ca. 900 Produktionen umfassende Rechtebibliothek zur DVD-, TV- und Onlineauswertung. Seit 2007 entwickelt das Unternehmen kontinuierlich die Sparte Eigenproduktion mit der Aufzeichnung von Opern, Konzerten, Balletten und der Produktion von Kunst- und Musikdokumentationen weiter.

Arthaus Musik DVDs und Blu-ray Discs werden über ein leistungsfähiges Vertriebsnetz, u.a. in Kooperation mit Naxos Global Distribution in ca. 70 Ländern der Welt aktiv vertrieben. Darüber hinaus veröffentlicht und vertreibt Arthaus Musik die 3sat-DVD-Edition und betreut für den Buchhandel u.a. die Buch- und DVD-Edition über Pina Bausch von L’Arche Editeur, Preisträger des Prix de l’Académie de Berlin 2010.


Mehr Info...


Cover vergössern
Jetzt kaufen bei...


Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Monarda Music:

blättern

Alle Kritiken von Monarda Music...

Weitere CD-Besprechungen von Dr. Jürgen Schaarwächter:

  • Zur Kritik... Klangprächtig: Ein äußerst ansprechendes Plädoyer für die Musik Friedrich Gernsheims. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Mehr Männer: Drei Countertenöre, ein Sopranist und ein Tenor gegen zwei Soprane. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Es dreht sich nur um einen: Der Klaviertriokomponist Camille Saint-Saëns als Schöpfer und Nachschöpfer. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
blättern

Alle Kritiken von Dr. Jürgen Schaarwächter...

Weitere Kritiken interessanter Labels:

  • Zur Kritik... Kollaboratives Komponieren: Das Label Kairos präsentiert facettenreiche Ensemblemusik des schwedischen Komponisten Jesper Nordin. Weiter...
    (Dr. Kai Marius Schabram, )
  • Zur Kritik... Klangprächtig: Ein äußerst ansprechendes Plädoyer für die Musik Friedrich Gernsheims. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Hoher Abstraktionsgrad: Marco Fusi beeindruckt mit Violin-'Werken' Giacinto Scelsis. Weiter...
    (Dr. Kai Marius Schabram, )
blättern

Alle CD-Kritiken...

Magazine zum Downloaden

Class aktuell (2/2023) herunterladen (5500 KByte) NOTE 1 - Mitteilungen (3/2023) herunterladen (4400 KByte)

Anzeige

Jetzt im klassik.com Radio

Henri Bertini: Nonetto op.107 in D major - La Melancolie - Lento con tranquilezza

CD kaufen


Empfehlungen der Redaktion

Die Empfehlungen der klassik.com Redaktion...

Diese Einspielungen sollten in keiner Plattensammlung fehlen

weiter...


Portrait

Der Pianist und Organist Aurel Davidiuk im Gespräch mit klassik.com.

"Man muss das Ziel kennen, bevor man zur ersten Probe erscheint."
Der Pianist und Organist Aurel Davidiuk im Gespräch mit klassik.com.

weiter...
Alle Interviews...


Sponsored Links

Hinweis:

Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Die Bewertung der klassik.com-Autoren:

Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich