
Rossini, Gioachino - Il barbiere di Siviglia
Jahrgangs-Champagner
Label/Verlag: Monarda Music
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Dieser glänzende 'Barbiere' ist trotz gewisser vokaler Einschränkungen im Detail und nicht ganz scharfem Bild und Ton immer noch eine Empfehlung wert.
1982 inszenierte Michael Hampe für die Kölner Oper Rossinis 'Il barbiere di Siviglia' zum Auftakt einer neuen Reihe von Rossini-Produktionen, an die der, der sie gesehen hat, noch heute mit Wehmut zurückdenkt (acht von ihnen sind auf DVD greifbar). Szenisch ausgesprochen detailgetreu ausgestattet von Ezio Frigerio und Mauro Pagano und mit der Lichtregie von Hans Toelstede, legte Hampe extrem viel Wert auf die Umsetzung dessen, was Libretto und Musik vorgeben – besonders bei steten Repetitionen in Finali oder Arien eine Herausforderung an unmusikalische oder anderweitig ignorante Regisseure. Auch sechs Jahre später, als die Produktion bei den Schwetzinger Festspielen zu Gast war, in deren Rahmen die vorliegende Fernsehfassung entstand, hat sie nichts von ihrem Charme und ihrer Lebendigkeit verloren. Die Stimmigkeit von Tableaugestaltung, Visuellem (mit hübschem dezentem spanischem Touch), Choreografischem und Lichtausgestaltung führt zu beglückenden Ergebnissen, mit denen seither kaum eine Inszenierung mithalten konnte; Claus Viller hat die inspirierte Produktion gleichermaßen inspiriert fürs Fernsehen festgehalten.
Da haben wir zum einen einen Modellfall der Inszenierung, die ebenso detailversessen auf den Sinn (und Unsinn) von Librettist Cesare Sterbini und Komponist Gioacchino Rossini reagiert wie die musikalische Seite. Mit Gabriele Ferro ist andererseits ein Rossini-Dirigent allerhöchster Grade am Werk, der die Musik nicht nur bis ins tiefste instrumentatorische Detail kennt (er hat sich als erster Dirigent auch historisierend mit Rossinis Musik auseinandergesetzt, sehr empfehlenswert seine Einspielungen von 'Tancredi', 'L’italiana in Algeri' und 'La Cenerentola' mit der Cappella Coloniensis). Schon die Ouvertüre sprudelt nur so über und etabliert die Stimmung, die in den nächsten zweieinhalb Stunden nur an den passenden Momenten etwas eingetrübt wird. Das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart war nie ein Rossini-Orchester, auch hier nicht; der eigentliche Charme der Umsetzung fehlt, die klangliche Raffinesse, doch vermag es Ferro, diese Einschränkungen vergessen lassen.
Das liegt in hohem Maße auch an dem rundum frisch aufgelegten Ensemble, dem man bis ins Detail die ihnen zugewiesenen Rollen abnimmt. Von der Haushälterin Berta (Edith Kertész-Gabry, die Witwe von István Kertész, im Herbst ihrer Karriere) und dem Diener Fiorillo (Klaus Bruch, einem Urgestein der Kölner Oper) bis zu den frischen Darbietungen von der damals gerade 22-jährigen (!) Cecilia Bartoli als Rosina, dem 33-jährigen Kanadier Gino Quilico als Barbiere und dem 41-jährigen Amerikaner David Kuebler als Graf Almaviva gibt es keinen Schwachpunkt. Komplettiert wird das Ensemble durch den Engländer Robert Lloyd als Basilio und dem 63-jährigen Argentinier Carlos Feller in der Rolle des Doktor Bartolo. Kuebler hat eine warme Tenorstimme, die in den Höhen silbrig strahlt (gerade in der Eröffnungsszene ein schöner Kontrast zu Bruchs Charakterbass – keine Frage, warum Hampe ihn für seine Rossini-Inszenierungen so regelmäßig heranzog) und perfekt mit Bartoli und Quilico harmoniert. Quilico, eine äußerst elegante Bühnenerscheinung, der viel zu wenig auf Ton- oder Bildtonträger dokumentiert ist (nicht zu verwechseln mit seinem Vater Louis Quilico, ebenfalls einem international sehr erfolgreichen Bariton), wäre, aufs Vokale beschränkt, hier vielleicht nicht die allererste Wahl (anders in diversen seiner Studio-CD-Produktionen vornehmlich des französischen Repertoires), doch ist seine Spielfreude buchstäblich ansteckend und – dies ist natürlich besonders erfreulich – auf einem Niveau mit jener aller anderer Ensemblemitglieder. Wenn er das Loblied des Goldes singt (mehr noch, visuell überzeugend erfahrbar macht), straft das die scheinbare Banalität der Musik Lügen.
Cecilia Bartoli, damals noch ganz ohne Allüren und Manierismen, ist vokal bestens aufgelegt, in den Koloraturen präzis und voller Charme – musikalisch zusammen mit Kuebler offenkundig das Zentrum der Produktion. Doch spricht es für den Ensemblegeist aller Beteiligten, in der Summe tatsächlich mehr zu bieten als Einzelleistungen, die in andere Produktionen vielleicht noch herausragender sein mögen. Lloyd zeigt Mut zur Hässlichkeit und Feller überzeugt trotz seines Alters längst nicht nur darstellerisch, sondern auch mit vokaler Frische; etwaige Abnutzungserscheinungen werden durch die szenische Komponente weit mehr als kompensiert.
Der Männerchor der Kölner Oper ist nicht immer ganz exakt auf den Punkt, doch positiv fällt bei ihm wie auch in den Rezitativen und den großen Nummern das feine Gespür fürs Italienische auf. Dass der Chor nicht einfach nur herumsteht, ist Michael Hampes Bewusstsein fürs Detail zu danken. Die vorliegende NTSC-Wiederveröffentlichung bietet im Vergleich zu den früheren Ausgaben nichts Neues, aber immer noch eine exemplarische Inszenierung aus jener Zeit, als sich alle Interpreten noch dem Werk unterordneten und ihm im besten Sinne des Wortes dienten. Trotz gewisser vokaler Einschränkungen im Detail und nicht ganz scharfem Bild und Ton immer noch eine Empfehlung wert.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Rossini, Gioachino: Il barbiere di Siviglia |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Monarda Music 1 11.03.2013 |
Medium:
EAN: |
DVD
807280230598 |
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Monarda Music Arthaus Musik wurde im März 2000 in München gegründet und hat seit 2007 seinen Firmensitz in Halle (Saale), der Geburtsstadt Georg Friedrich Händels. Zahlreiche Veröffentlichungen des Labels wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der Oscar-prämierte Animationsfilm ?Peter & der Wolf? von Suzie Templeton, die aufwändig produzierte ?Walter-Felsenstein-Edition? und die von Sasha Waltz choreographierte Oper ?Dido und Aeneas?, die beide den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhielten. Mit dem Midem Classical Award wurden u. a. die Dokumentationen ?Herbert von Karajan ? Maestro for the Screen? von Georg Wübbolt und ?Celibidache ? You don?t do anything, you let it evolve? von Jan Schmidt-Garre ausgezeichnet. Die Dokumentation ?Carlos Kleiber ? Traces to nowhere? von Eric Schulz erhielt den ECHO Klassik 2011. Mit der Tochterfirma Monarda Arts besitzt Arthaus Musik eine ca. 900 Produktionen umfassende Rechtebibliothek zur DVD-, TV- und Onlineauswertung. Seit 2007 entwickelt das Unternehmen kontinuierlich die Sparte Eigenproduktion mit der Aufzeichnung von Opern, Konzerten, Balletten und der Produktion von Kunst- und Musikdokumentationen weiter. Arthaus Musik DVDs und Blu-ray Discs werden über ein leistungsfähiges Vertriebsnetz, u.a. in Kooperation mit Naxos Global Distribution in ca. 70 Ländern der Welt aktiv vertrieben. Darüber hinaus veröffentlicht und vertreibt Arthaus Musik die 3sat-DVD-Edition und betreut für den Buchhandel u.a. die Buch- und DVD-Edition über Pina Bausch von LArche Editeur, Preisträger des Prix de lAcadémie de Berlin 2010. Mehr Info... |
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