
Prokofieff, Sergei - Sämtliche Werke für Violine & Klavier
Gefrierendes Blut
Label/Verlag: Challenge Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Isabelle van Keulen und Ronald Brautigam geben mit einer Einspielung von Prokofjews Werken für Violine und Klavier eine weitere Kostprobe ihres außergewöhnlichen musikalischen Talents.
Es versteht sich nicht von selbst, dass Solisten, die zu den führenden Vertretern ihres Fachs gehören, auf dem Gebiet der Kammermusik in gleicher Weise hochstehende künstlerische Ergebnisse zu erzielen vermögen. Die Geigerin Isabelle van Keulen und der Pianisten Ronald Brautigam gehören zu der kleinen Schar an Musikern, die beide Sphären, das Solistische und das Kammermusikalische, in gleicher Weise bereichern. Jeder für sich darf zu den hervorragenden Interpreten seines Instruments gezählt werden, und beide stehen für hohe künstlerische Qualität ein, ohne ihre Person marketingstrategisch in den Vordergrund zu schieben. Als Duo verbindet die beiden holländischen Musiker eine mittlerweile langjährige Zusammenarbeit: Auf 20 Jahre können sie nun zurückblicken.
Für das Label Challenge entstanden in der Vergangenheit Produktionen, in denen Werke für Violine und Klavier aus dem frühen wie späteren 20. Jahrhundert im Mittelpunkt standen. Mit der nun vorliegenden Prokofjew-Einspielung schließen sie an die Ausflüge ins russische Repertoire an; ihre bis dahin letzte Aufnahme war Schostakowitsch gewidmet. Und auch diesmal bleiben keine Wünsche offen – weder in interpretatorischer noch in klanglicher Hinsicht. Eingespielt wurden Sergej Prokofjews zwei Violinsonaten sowie die 'Cinq Mélodies' zwar im Rahmen der Kammermusik-Reihe residenz@sendesaal im Sendesaal Bremen, allerdings als Studioaufnahme.
Prokofjews Gattungsbeiträge sind im wörtlichen Sinn Werke für Violine und Klavier (wobei sowohl die Violinsonate Nr. 2 als auch die 'Cinq Mélodies' Umarbeitungen früherer Stücke sind, die ursprünglich nicht für diese Instrumentenkombination waren): Beide Instrumente begegnen sich auf Augenhöhe, wirken über weite Strecken zusammen, treten aber auch phasenweise in Konkurrenz, die sich manchmal bis zum handfesten Konflikt auswächst. Diesen Anforderungen wird das Duo Isabelle van Keulen und Ronald Brautigam vollauf gerecht, vielleicht so überzeugend wie seit der großartigen Prokofjew-Lektüre von Gidon Kremer und Martha Argerich nicht mehr.
Das hat seinen Grund vor allem darin, dass van Keulen und Brautigam nicht nur die klanglichen Härten und die Prokofjew-typischen klar konturierten melodischen Gestalten ausdruckssatt gestalten, sondern auch das reich schillernde Kontinuum an Ausdruckswerten zwischen den beiden Extrempunkten. Im Eingangs-'Moderato' der Violinsonate Nr. 2 D-Dur op. 94bis flicht Isabelle van Keulen die filigrane Ornamentik in den melodischen Bogen mit leichter Hand ein, wird aber auch den rhythmisch griffigen, marschähnlichen Passagen mit zackiger Geste mehr als gerecht. Ronald Brautigam zieht derweil der wohlgestalten Melodie, harmonische Überraschungen sachte betonend, den Boden unter den Füßen weg. Isabelle van Keulens Ton ist bemerkenswert wandlungsfähig. So gelingt ihr das Aschfahle ebenso wie das Bizarre, das Gespenstische wie das schneidig Bissige. Die flirrenden Figuren im gedämpften Klang am Ende des Kopfsatzes der f-Moll-Sonate op. 80, dem Komponisten zufolge wie sausende Winde überm Friedhof zu spielen, lassen hier in der Tat das Blut gefrieren. Dass die Interpreten auch den Feroce-Charakter, den etwa das Scherzo der D-Dur-Sonate, das 'Allegro brusco' der Sonate f-Moll oder auch Teile von deren Schlusssatz bestimmt, blitzsauber, metallisch glänzend und geradezu wild in der mechanischen Motorik meistern, macht die Prokofjew-Deutung von Isabelle van Keulen und Ronald Brautigam zu einer interpretatorisch kompletten.
Auch in den 'Cinq Mélodies', die 1920 in den USA entstanden, ist ein optimales Verhältnis zwischen den beiden Interpreten zu bestaunen. Immer wieder macht Isabelle van Keulen ihrem Klavierpartner Platz, der das Angebot sofort wahrnimmt, so dass ein dichtes kammermusikalisches Musizieren entsteht. Auch klanglich ist die Balance zwischen den Instrumenten exzellent. Die Schattierungen des Violinklangs werden differenziert und direkt vermittelt, doch ist der Klangeindruck von einer natürlichen Raumakustik bestimmt – eine geradezu ideale Mischung.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Prokofieff, Sergei: Sämtliche Werke für Violine & Klavier |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Challenge Classics 1 06.12.2012 |
Medium:
EAN: |
CD
608917258028 |
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Challenge Classics CHALLENGE RECORDS ist eine unabhängige Schallplattenfirma, die ihren Sitz in den Niederlanden hat. Sie setzt sich aus einer Gruppe von Musikenthusiasten zusammen, die mit großer Leidenschaft für den Jazz und die Klassische Musik internationale Produktionen kreieren. Mehr Info... |
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