> > > Beethoven, Ludwig van: Missa solemnis op. 123
Samstag, 23. September 2023

Beethoven, Ludwig van - Missa solemnis op. 123

Schmerz, Rührung, Erlösung


Label/Verlag: Phi
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Zu welch außerordentlicher Leistung die Interpreten unter Philippe Herreweghe fähig sind, bezeugt leider erst das Ende der vorliegenden Aufnahme, während es dem Beginn der 'Missa solemnis' an Präzision und Differenzierung fehlt.

Schmerz, Rührung, Erlösung: Diese drei Zustände charakterisieren in liturgischer und musikalischer Hinsicht den Verlauf einer Messe. Bei Beethovens 'Missa solemnis' op. 123 treten diese drei Entwicklungsstufen aber in besonderen Kontrast zueinander. Dies wird einmal mehr durch die Interpretation der gut 75-minütigen Messe durch das Collegium Vocale Gent und das Orchestre des Champs-Elysées unter der Leitung von Philippe Herreweghe deutlich. Während der Beginn der Aufnahme die verschiedenen Klänge und Klangverbindungen, die Beethoven fordert, ballt, den Hörer nahezu überschüttet mit dem voluminösen Klang des Chores, entwickelt sich die Interpretation spätestens ab dem Credo zu einer Einheit aus Solisten, Chor und Orchester, die zunehmend nach klanglicher und struktureller Differenzierung strebt. Das Ergebnis ist, entgegen dem verhältnismäßig schwachen Beginn, faszinierend: Höhepunkt dieser Aufnahme ist sicherlich das Agnus Dei. Hier spielt das Orchester seine Stärken im Zusammenspiel und in der subtilen orchestralen Verbindung der chorischen Linien aus.

Besonders hervorzuheben sind die flexiblen dynamischen Gestaltungen sowohl des Chores wie auch des Orchesters. Die Bandbreite der Lautstärke ist immens, wenngleich bereits im Verlauf des Kyrie eine Zurückhaltung des Chores stellenweise wünschenswert wäre. Die vier Solisten, Marlis Petersen (Sopran), Gerhild Romberger (Mezzosopran), Benjamin Hulett (Tenor) und David Wilson-Johnson (Bariton) überzeugen durch solide, tragfähige Stimmen. Das Repertoire jedes der vier Solisten ist sehr vielseitig, keineswegs nur auf die Historische Aufführungspraxis spezialisiert. Diese Aufgeschlossenheit für den Gattungs- und Stilreichtum, den die Vokalmusik bietet, sorgt für eine frische, nicht allzu strengen Gestaltungsregeln und -grenzen unterworfene Interpretation. Schließlich bildet die besondere Wärme der dunklen Stimme Wilson-Johnsons das hervorragende Fundament für das Solistenquartett.

Einige Schwachstellen weist die Aufnahme, die bei Herreweghes Hauslabel erscheint, hinsichtlich der Intonation des Orchesters auf. An einigen leider unüberhörbaren Stellen intonieren die Holzbläser auffallend hoch. Was zunächst lediglich eine Folge des klangstarken Chores und der starken Blechbläser, gegen welchen die Holzbläser leicht ankämpfen müssen, zu sein scheint, setzt sich aber so auch bei solistischen Passagen, recht auffällig im Credo-Schluss, fort. Dies ist besonders schade nach der ergreifenden musikalischen Ruhe, die Herreweghe im 'Et incarnatus est' gelingt.

Obwohl die vorliegende Einspielung sehr viele überzeugende Momente sowohl bei den Solisten wie auch im Chor, Orchester und im Zusammenspiel aufweisen kann, fehlt es der Interpretation an durchgängiger Spitzenqualität. So aber ist die Aufnahme nicht konstant hoher musikalischen Qualität, steigert sich aber deutlich in den letzten Teilen der Komposition. Das Ende der Einspielung wird dann doch der beeindruckenden Leistung Beethovens, der kompositorischen Vielschichtigkeit und den hohen Anforderungen an die Interpreten gerecht.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:




Marion  Beyer Kritik von Marion Beyer,


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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Beethoven, Ludwig van: Missa solemnis op. 123

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Phi
1
01.11.2012
Medium:
EAN:

CD
5400439000070


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Phi

Der griechische Buchstabe φ (PHI - die Übereinstimmung mit den Initialen von Philippe Herreweghe ist nicht ganz zufällig) versinnbildlicht die Ambitionen des Labels. Er ist das Symbol für den goldenen Schnitt, für die Perfektion, die man in den Staubfäden der Blumen findet, für griechische Tempel, Pyramiden, Kunstwerke der Renaissance oder für die Fibonacci-Zahlenfolge. Seit der frühesten Antike steht dieser Buchstabe im eigentlichen Sinne für Kontinuität beim Streben nach ästhetischer Perfektion.
Mit der Realisierung dieses Katalogs erfüllt sich Philippe Herreweghe seinen Herzenswunsch, die Ergebnisse seiner musikwissenschaftlichen Forschungen und der im Laufe einer langen Karriere gewonnenen Erfahrungen hörbar werden zu lassen.
Mit vier bis fünf Neuproduktionen pro Jahr wird der Katalog Aufnahmen des wichtigsten symphonischen und chorischen Repertoires umfassen, Polyphonisches und natürlich die Werke von Johann Sebastian Bach, die Philippe Herreweghe in dem Bestreben wieder aufgreifen wird, immer vollendetere Versionen zu schaffen.


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