
Voigt, Thomas - Prima La Donna: Legenden des Gesangs Vol. 13
Prima La Donna
Label/Verlag: ARS Produktion
Detailinformationen zum besprochenen Titel
'Prima La Donna' ist ein absolutes Muss für alle, die … – nein, für alle!
Thomas Voigts Hörspiel ‚Prima La Donna’ ist weit mehr als eine Dokumentation, die mit dem Untertitel ‚Operndiven in Wort und Ton‘ wirbt. Diese knappe Stunde ist eine liebevolle Hommage an vier bereits verstorbene Bühnenkünstlerinnen, deren Faszination noch über ihren Tod hinaus vorwiegend durch ihre Plattenaufnahmen ins Heute reicht und so manchen ‚interessierten Hörer zum lebenslangen Opernfan‘ machen kann, wie Voigt im Beiheft schreibt. Martha Mödl, Ljuba Welitsch, Elisabeth Schwarzkopf und Leonie Rysanek.
Der Autor hatte das große Glück, die vier Primadonnen in einigen Interviews selbst zu erleben und mit Martha Mödl sogar in Freundschaft verbunden gewesen zu sein. Diese Liebe zur Oper, zu den großen Operndiven und ihren Geschichten spürt man in jeder gesprochenen Zeile der Hör-Kollage. Während die Primadonnen in unzähligen Satzfragmenten zu Wort kommen oder in Tondokumenten ihr Gesang noch einmal lebendig wird, zitiert auch Thomas Voigt seine Angebeteten, indem er sie in ihrem Sprachduktus imitiert. Würde er diesen Umstand im Beiheft nicht selbst in ein kritisches Licht rücken, wäre man beim Hören oftmals peinlich berührt. So darf die holprige Imitation als Liebesbeweis gelten, zumal die zitierten Passagen eben nicht als Original-Ton vorliegen, sondern der Erinnerung Voigts entspringen.
Schon zu Beginn der CD verzaubert Ljuba Welitsch mit ihrer sinnlichen Interpretation von Musettas Walzer aus Puccinis 'La Bohème' und man erwischt sich in diesen ersten Sekunden dabei, die eigenen Welitsch-CDs hervorholen zu wollen, um diese Stimme in aller möglichen Größe erleben zu können. Und genau diesen Effekt hat Voigts Hörspiel bei allen vier Diven: Man wird zwar nicht unmittelbar zum Schwarzkopf-Fan, zum Rysanek-Anhänger, zum Mödl-Verfechter oder Welitsch-Jünger, aber das Interesse an deren Stimmen in Verbindung mit ihren Persönlichkeiten wird geweckt.
Es ist entwaffnend, mit welcher Bodenständigkeit und Bescheidenheit Martha Mödl von ihren unzähligen Berufen spricht, dem brennenden Verlangen zu singen. Hört man sie von ihrer Angst vor Einsamkeit sprechen, dann meint man plötzlich, ihre 'Fidelio'-Leonore oder ihre Isolde besser würdigen zu können. Oder wenn Voigt Leonie Rysanek ihren Wunsch nach der Liebe des Publikums mit Nachdruck wiederholen lässt, dann blickt der Mensch hinter den zahllosen Masken hervor und man kann sich der Faszination nicht entziehen.
‚Prima La Donna‘ ist trotz heiterer Passagen durchgängig von einer latenten Melancholie geprägt. Die Sängerinnen sprechen offen über Kollegen, bestätigen überlieferte Klischees, äußern sich über Figurprobleme und die Liebe, dürfen aber auch über Vergänglichkeit, das Alt-Werden und den Tod sinnieren. Auf jene letzten Gedanken führt das Hörspiel dramaturgisch hin, und wenn Elisabeth Schwarzkopf am Ende Mariettas Lied aus Korngolds 'Die tote Stadt' haucht, dann hat man mit einem Kloß im Hals zu kämpfen. Thomas Voigt hat diese vier Diven auf seine eigene Weise verehrt, doch diese Liebe macht ihn nicht blind für deren Schwächen und Eigenheiten. Es ist wohltuend, mit welcher Mischung aus Skepsis und Bewunderung er über Elisabeth Schwarzkopf spricht. Besonders im Kapitel ‚Eros und Stimme‘ provoziert er einen Lacher. Schwarzkopf stellt fest: ‚Wir waren ja nie erotisch‘ und es folgt ein Ausschnitt aus Schwarzkopfs umstrittenen Operettenalbum als Lehárs Giuditta – anämisch und künstlich.
Das Gegenstück bildet die quicklebendige Ljuba Welitsch, die das Bild der extrovertierten Diva vielleicht am eindrücklichsten verkörpert. Sie kichert, klatscht und tratscht, und man muss selbst grinsen, wenn sie als Tosca im Duett ihren Einsatz verpasst, weil Peter Anders als Cavaradossi sie so intensiv ansingt. Ihre Energie überrumpelt den Hörer förmlich.
Doch letztlich liebt man Ende alle diese vier Diven für das, was sie waren und was sie verkörperten: die zweifelnde Rysanek, die üppige Welitsch, die schneidende Schwarzkopf und die herzlich fränkelnde Mödl. ‚Prima La Donna‘ ist ein absolutes Muss für alle, die… – nein, für alle!
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Voigt, Thomas: Prima La Donna: Legenden des Gesangs Vol. 13 |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
ARS Produktion 1 01.10.2012 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
4260052387139 ARS 38 713 |
![]() Cover vergössern |
"Vier Primadonnen öffnen die Pforte zum Palast der großen Gefühle: Mit Klängen, die bewegen, aufwühlen und erotisieren. Mit Worten, die faszinieren, amüsieren und verstören. Mit erzählten Geschichten über Frauen, die emotional extreme Höhen und Tiefen erlebt haben, beruflich und privat. Martha Mödl, Leonie Rysanek, Ljuba Welitsch und Elisabeth Schwarzkopf. Sie alle sangen zur Zeit der Callas und konnten der “Primadonna assoluta“ etwas Eigen-ständiges entgegensetzen. Thomas Voigt, Filmemacher und Autor aus Köln, liebt und lebt die Oper und ist ein anerkannter Experte für Werk und Interpretation. Den vier Sängerinnen ist er über Jahre hinweg immer wieder persönlich begegnet. Mit ihnen führte er nahe Gespräche, die in bisher unveröffentlichten Mitschnitten diesem Hörspiel zugrunde liegen. In Verbindung mit Arien-Ausschnitten der Diven und zusammen mit den fesselnd liebevollen, innigen und sogar stimmlich empathischen Erzählungen des Autors wird daraus selbst eine Opernminiatur über diese Frauen - über Aufstieg und Fall, Liebe und Leid, Intrigen und Tod, getragen von Kenntnis, von Verehrung und Humor." |
![]() Cover vergössern |
ARS Produktion Das exquisite Klassiklabel ARS Produktion wurde 1987 von Annette Schumacher mit dem Ziel gegründet, jungen, aufstrebenden Künstlern und interessanten Programmen gleichermaßen eine individuelle musikalische Heimat und entsprechende Marktchancen, u.a. durch internationalen Vertrieb und Vermarktung zu geben. Die bei Paul Meisen ausgebildete Konzertflötistin hat sich damit nach langer aktiver Musikerlaufbahn einen geschäftlichen Traum erfüllt.
Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei...![]() |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag ARS Produktion:
-
Energetische Revue: Mit 'Mazeltov, Rachel’e' liegen beim Label Ars nun die musikalischen Nummern des gleichnamigen Bühnenwerks auf CD vor: ein Reigen an lohnenswerten Ausgrabungen unbekannter jüdischer Komponisten. Weiter...
(Till Ritter, )
-
Erdbeben-Trauma in expressiven Klängen: Nuno Côrte-Real wendet sich von der Radikalität der Avantgarde des 20. Jahrhunderts ab, um in einem Liederzyklus ein Trauma zu reflektieren, das Menschen nach einem Erdbeben über Generationen hinweg nicht mehr loslässt. Weiter...
(Christiane Franke, )
-
Geistvoll: Karel Valter und Hadrien Jourdan breiten gehaltvolle Sonaten des großen Carl Philipp Emanuel Bach mit dem notwendigen Gewicht aus, verbunden mit gestalterischer Raffinesse und Klangeleganz. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
Weitere CD-Besprechungen von Benjamin Künzel:
-
Phönix aus der Asche: Diese Box 'Die wiederentdeckte Stimme' macht dem Plattensammler Freude und lässt einen abtauchen in Welten, die als verstummt gegolten hatten. Weiter...
(Benjamin Künzel, )
-
Elfenzauber: In ihrem aktuellen Album 'Fairy Tales' nutzt Regula Mühlemann den Zauber ihrer Stimme und ihrer Interpretation für Feen, Nymphen, Nixen und andere Wesen, die sich seit Jahrtausenden dem menschlichen Auge zu entziehen versuchen. Weiter...
(Benjamin Künzel, )
-
Pralles Gipfeltreffen: Jonas Kaufmann, Ludovic Tézier und Antonio Pappano veranstalten mit 'Insieme' ein pralles, saftiges Opern-Gipfeltreffen. Weiter...
(Benjamin Künzel, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Russische Cello-Raritäten: Marina Tarasova stellt hier zwei bemerkenswerte russische Cellosonaten des 20. Jahrhunderts vor. Weiter...
(Dr. Jan Kampmeier, )
-
Nicht verwandt und nicht verschwägert: Klaviermusik vom Mozart-Freund. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Federleicht wie Träume: Aufbruch in die Klangwelten Salvatore Sciarrinos. Weiter...
(Michael Pitz-Grewenig, )
Portrait

"Bei der großen Musik ist es eine Frage auf Leben und Tod."
Der Pianist Herbert Schuch im Gespräch mit klassik.com.
Sponsored Links
- Opernreisen und Musikreisen bei klassikreisen.de
- Konzertpublikum
- Musikunterricht
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich