
Ligeti, György - Le Grand Macabre: Oper in zwei Akten
Pralles Vergnügen
Label/Verlag: Monarda Music
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Arthaus ist mit der DVD-Erstveröffentlichung von György Ligetis Oper 'Le Grand Macabre' eine echte Überraschung gelungen.
Die Bühne wird von einer riesenhaften Frauenfigur in todesnaher, schockstarrer Haltung dominiert. Warum dies so ist, erfährt der Zuschauer durch ein Video, das zu Beginn der Aufführung abläuft, eine Frau zeigend, die in ihrer Wohnung mit dem Tod zu ringen scheint, bevor das Bild einfriert und in die überdimensionierte Bühnenskulptur – den realistischen Menschenplastiken des australischen Bildhauers Ron Mueck nachempfunden – überblendet wird (Bühnendesign: Alfons Flores). Diese dominiert von nun an die Bühnenaufbauten zu György Ligetis Operngroteske 'Le Grand Macabre' (1974–77, revidiert 1996), deren apokalyptisches Wirrwarr dem in seiner Bewegung eingefrorenen Frauenkörper förmlich zu entspringen scheint. Denn die Bühnenfiguren mitsamt ihren Kostümen sind einzelnen Vitalfunktionen und den damit verbundenen Körperteilen zugeordnet, treten aus diesen heraus, während die Außenseite der Figur zugleich als Fläche für unterschiedlichste Projektionen genutzt wird.
Die katalanische Theatertruppe Fura dels Baus hat 2011, fünf Jahre nach Ligetis Tod, die in gleichem Maße absurde wie groteske Gesellschaftskritik des Komponisten unter Federführung von Àlex Ollé als technisch aufwändigen Gesamtkunstwerk am Gran Teatre del Liceu in Barcelona inszeniert. Anders als bei einigen der jüngsten Produktionen von Fura dels Baus, bei denen das Szenario mit einer störenden, spektakelhaften Eigendynamik die Musik überwuchert hat, wird die szenische Lösung hier aus dem Geist des Stückes heraus entwickelt. Ligetis überbordende, voller Zitate und Anspielungen steckende Musik wird in den visuellen Bereich weitergedacht und als Melange aus pathetisch übertriebenem Theater, Pop Art und Kabarett umgesetzt, dabei immer wieder subkutan auf die aktuelle Situation verweisend, in der die weltweite Wirtschaftskrise zum Sinnbild existenzieller Ängste wird. In englischer Sprache gesungen, findet diese Konzeption in der Personenführung ihre Fortsetzung. Und auch der Umstand, dass der Weltuntergang ja letzten Endes doch ausfällt, findet seine überzeugende Entsprechung in der Inszenierung, die mit der Fortsetzung des Anfangs gezeigten Films endet und zeigt, wie die Protagonistin sich von ihrer vorübergehenden Krise wieder erholt.
Mit sichtlichem Vergnügen füllen die Sänger ihre teils ins Absurde übersteigerten Rollen aus und machen diese Aufzeichnung zu einem wahren Vergnügen. So füllt beispielsweise Chris Merritt seine schwierige Rolle als Piet mit höchster stimmlicher Finesse aus, überzeugt Frode Olsen als Astramadors verleiht Werner Van Mechelen dem Nekrotzar einen dämonisch-finsteren Unterton. Ning Liang gibt mit klarer Stimme eine wunderbar sadistische Mescalina, der Countertenor Brian Asawa füllt den Part des Fürsten Go-Go mit trefflich umgesetzten, affektiertem Gehabe aus. Inés Moraleda und Ana Puche verstehen es, als Liebespaar Amando und Amando die Wage zwischen ekstatischen und ausdrucksvollen Facetten zu halten, und die Sopranistin Barbara Hannigan beweist schließlich mit ihrer Umsetzung der Doppelrolle von Liebesgöttin Venus und Polizeichef Gepopo, dass sie derzeit zu den besten Sängerinnen ihres Fachs im Bereich des zeitgenössischen Musiktheaters gehört.
Nicht nur die sängerischen und schauspielerischen Leistungen sorgen hier für ein wahrhaft pralles Vergnügen; eine echte Ohrenweide bietet schließlich auch Michael Boders zupackende Lesart der schwierigen Partitur, die in der Live-Situation von Orchester und Chor mit großer Präzision wiedergegeben wird. Gelungener als mit dieser vom Videoregisseur Xavi Bové auch visuell sehr gut und überlegt vorbereiteten 2-DVD-Edition von Arthaus Musik kann man sich eine Erstveröffentlichung von Ligetis Oper auf DVD kaum vorstellen, zumal die Produktion noch von 42 Minuten Bonusmaterial samt ‚Making Of‘ und Interview mit Michael Boder begleitet wird. Eine echte Empfehlung also für alle Freunde der Musik György Ligetis, aber auch für die Liebhaber des zeitgenössischen Musiktheaters.
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Ligeti, György: Le Grand Macabre: Oper in zwei Akten |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Monarda Music 2 10.09.2012 |
Medium:
EAN: |
DVD
807280164398 |
![]() Cover vergössern |
Monarda Music Arthaus Musik wurde im März 2000 in München gegründet und hat seit 2007 seinen Firmensitz in Halle (Saale), der Geburtsstadt Georg Friedrich Händels. Zahlreiche Veröffentlichungen des Labels wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der Oscar-prämierte Animationsfilm ?Peter & der Wolf? von Suzie Templeton, die aufwändig produzierte ?Walter-Felsenstein-Edition? und die von Sasha Waltz choreographierte Oper ?Dido und Aeneas?, die beide den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhielten. Mit dem Midem Classical Award wurden u. a. die Dokumentationen ?Herbert von Karajan ? Maestro for the Screen? von Georg Wübbolt und ?Celibidache ? You don?t do anything, you let it evolve? von Jan Schmidt-Garre ausgezeichnet. Die Dokumentation ?Carlos Kleiber ? Traces to nowhere? von Eric Schulz erhielt den ECHO Klassik 2011. Mit der Tochterfirma Monarda Arts besitzt Arthaus Musik eine ca. 900 Produktionen umfassende Rechtebibliothek zur DVD-, TV- und Onlineauswertung. Seit 2007 entwickelt das Unternehmen kontinuierlich die Sparte Eigenproduktion mit der Aufzeichnung von Opern, Konzerten, Balletten und der Produktion von Kunst- und Musikdokumentationen weiter. Arthaus Musik DVDs und Blu-ray Discs werden über ein leistungsfähiges Vertriebsnetz, u.a. in Kooperation mit Naxos Global Distribution in ca. 70 Ländern der Welt aktiv vertrieben. Darüber hinaus veröffentlicht und vertreibt Arthaus Musik die 3sat-DVD-Edition und betreut für den Buchhandel u.a. die Buch- und DVD-Edition über Pina Bausch von LArche Editeur, Preisträger des Prix de lAcadémie de Berlin 2010. Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei...![]() |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Monarda Music:
-
Gelungene Zeitreise: Das Teatro Regio Torino unternimmt eine Rekonstruktion der Uraufführung von Puccinis 'La Bohème'. Weiter...
(Oliver Bernhardt, )
-
Unentschiedenes Konzept: Richard Strauss' 'Capriccio' an der Dresdner Semperoper. Weiter...
(Oliver Bernhardt, )
-
Zerfahrener Aktionismus: Carlus Padrissas T.H.A.M.O.S.-Projekt in Salzburg Weiter...
(Oliver Bernhardt, )
Weitere CD-Besprechungen von Prof. Dr. Stefan Drees:
-
John Bull und andere: Im sechsten Teil seiner Gesamteinspielung des 'Fitzwilliam Virginal Book' kombiniert der Cembalist Pieter-Jan Belder Stücke von John Bull mit einzelnen Kompositionen unbekannterer Tonsetzer. Weiter...
(Prof. Dr. Stefan Drees, )
-
Arbeit an klanglichen Feinheiten: Die zweite DVD der Reihe 'Lachenmann Perspektiven' widmet sich der Komposition 'Air'. Weiter...
(Prof. Dr. Stefan Drees, )
-
Blick in die Interpretationswerkstatt: Eine neue DVD-Reihe vermittelt unschätzbare Einblicke in die musikalischen und technischen Problemstellungen von Helmut Lachenmanns Musik. Weiter...
(Prof. Dr. Stefan Drees, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Wenig wirklich Neues: Spannende Begegnung mit Anton Weberns Schubert-Lied-Instrumentationen. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Russische Seele?: Elena Kuschnerova legt eine programmatisch fragwürdige, aber interpretatorisch überzeugende Aufnahme mit Klavierwerken von Alexander Lokshin und Sergej Prokofiev vor. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Gediegen: Philippe Herreweghes gelegentliche Erkundungen im Reich der Bach-Kantate gefallen. Sie sind auf eine – im Sinne der Erkenntnisse historisch informierter Praxis – klassische Weise gediegen. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
Jetzt im klassik.com Radio


Portrait

"Man muss das Ziel kennen, bevor man zur ersten Probe erscheint."
Der Pianist und Organist Aurel Davidiuk im Gespräch mit klassik.com.
Sponsored Links
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich