> > > Ligeti, György: Le Grand Macabre: Oper in zwei Akten
Dienstag, 5. Dezember 2023

Ligeti, György - Le Grand Macabre: Oper in zwei Akten

Pralles Vergnügen


Label/Verlag: Monarda Music
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Arthaus ist mit der DVD-Erstveröffentlichung von György Ligetis Oper 'Le Grand Macabre' eine echte Überraschung gelungen.

Die Bühne wird von einer riesenhaften Frauenfigur in todesnaher, schockstarrer Haltung dominiert. Warum dies so ist, erfährt der Zuschauer durch ein Video, das zu Beginn der Aufführung abläuft, eine Frau zeigend, die in ihrer Wohnung mit dem Tod zu ringen scheint, bevor das Bild einfriert und in die überdimensionierte Bühnenskulptur – den realistischen Menschenplastiken des australischen Bildhauers Ron Mueck nachempfunden – überblendet wird (Bühnendesign: Alfons Flores). Diese dominiert von nun an die Bühnenaufbauten zu György Ligetis Operngroteske 'Le Grand Macabre' (1974–77, revidiert 1996), deren apokalyptisches Wirrwarr dem in seiner Bewegung eingefrorenen Frauenkörper förmlich zu entspringen scheint. Denn die Bühnenfiguren mitsamt ihren Kostümen sind einzelnen Vitalfunktionen und den damit verbundenen Körperteilen zugeordnet, treten aus diesen heraus, während die Außenseite der Figur zugleich als Fläche für unterschiedlichste Projektionen genutzt wird.

Die katalanische Theatertruppe Fura dels Baus hat 2011, fünf Jahre nach Ligetis Tod, die in gleichem Maße absurde wie groteske Gesellschaftskritik des Komponisten unter Federführung von Àlex Ollé als technisch aufwändigen Gesamtkunstwerk am Gran Teatre del Liceu in Barcelona inszeniert. Anders als bei einigen der jüngsten Produktionen von Fura dels Baus, bei denen das Szenario mit einer störenden, spektakelhaften Eigendynamik die Musik überwuchert hat, wird die szenische Lösung hier aus dem Geist des Stückes heraus entwickelt. Ligetis überbordende, voller Zitate und Anspielungen steckende Musik wird in den visuellen Bereich weitergedacht und als Melange aus pathetisch übertriebenem Theater, Pop Art und Kabarett umgesetzt, dabei immer wieder subkutan auf die aktuelle Situation verweisend, in der die weltweite Wirtschaftskrise zum Sinnbild existenzieller Ängste wird. In englischer Sprache gesungen, findet diese Konzeption in der Personenführung ihre Fortsetzung. Und auch der Umstand, dass der Weltuntergang ja letzten Endes doch ausfällt, findet seine überzeugende Entsprechung in der Inszenierung, die mit der Fortsetzung des Anfangs gezeigten Films endet und zeigt, wie die Protagonistin sich von ihrer vorübergehenden Krise wieder erholt.

Mit sichtlichem Vergnügen füllen die Sänger ihre teils ins Absurde übersteigerten Rollen aus und machen diese Aufzeichnung zu einem wahren Vergnügen. So füllt beispielsweise Chris Merritt seine schwierige Rolle als Piet mit höchster stimmlicher Finesse aus, überzeugt Frode Olsen als Astramadors verleiht Werner Van Mechelen dem Nekrotzar einen dämonisch-finsteren Unterton. Ning Liang gibt mit klarer Stimme eine wunderbar sadistische Mescalina, der Countertenor Brian Asawa füllt den Part des Fürsten Go-Go mit trefflich umgesetzten, affektiertem Gehabe aus. Inés Moraleda und Ana Puche verstehen es, als Liebespaar Amando und Amando die Wage zwischen ekstatischen und ausdrucksvollen Facetten zu halten, und die Sopranistin Barbara Hannigan beweist schließlich mit ihrer Umsetzung der Doppelrolle von Liebesgöttin Venus und Polizeichef Gepopo, dass sie derzeit zu den besten Sängerinnen ihres Fachs im Bereich des zeitgenössischen Musiktheaters gehört.

Nicht nur die sängerischen und schauspielerischen Leistungen sorgen hier für ein wahrhaft pralles Vergnügen; eine echte Ohrenweide bietet schließlich auch Michael Boders zupackende Lesart der schwierigen Partitur, die in der Live-Situation von Orchester und Chor mit großer Präzision wiedergegeben wird. Gelungener als mit dieser vom Videoregisseur Xavi Bové auch visuell sehr gut und überlegt vorbereiteten 2-DVD-Edition von Arthaus Musik kann man sich eine Erstveröffentlichung von Ligetis Oper auf DVD kaum vorstellen, zumal die Produktion noch von 42 Minuten Bonusmaterial samt ‚Making Of‘ und Interview mit Michael Boder begleitet wird. Eine echte Empfehlung also für alle Freunde der Musik György Ligetis, aber auch für die Liebhaber des zeitgenössischen Musiktheaters.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:
Features:
Regie:








Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!

Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel

Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.



Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



Cover vergrößern

    Ligeti, György: Le Grand Macabre: Oper in zwei Akten

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Monarda Music
2
10.09.2012
Medium:
EAN:

DVD
807280164398


Cover vergössern

Monarda Music

Arthaus Musik wurde im März 2000 in München gegründet und hat seit 2007 seinen Firmensitz in Halle (Saale), der Geburtsstadt Georg Friedrich Händels.

Das Pionierlabel für Klassik auf DVD veröffentlicht nunmehr seit 13 Jahren hochkarätige Aufzeichnungen von Opern, Balletten, klassischen Konzerten, Jazz, Theaterinszenierungen sowie ausgesuchte Dokumentationen über Musik und Kunst. Mit bis zu 150 Veröffentlichungen pro Jahr sind bisher über 1000 Titel auf DVD und Blu-ray erschienen. Damit bietet Arthaus Musik den weltweit umfangreichsten Katalog von audiovisuellen Musik- und Kunstproduktionen und ist seit Gründung des Labels international führender Anbieter in diesem Segment des Home Entertainment Marktes.

In vielen referenzgültigen Aufzeichnungen sind die größten Künstler unserer Zeit wie auch aus vergangenen Tagen zu hören und zu sehen. Unter den Veröffentlichungen finden sich Aufnahmen mit Plácido Domingo, Cecilia Bartoli, Luciano Pavarotti, Maria Callas, Jonas Kaufmann, Elīna Garanča; mit Dirigenten wie Carlos Kleiber, Claudio Abbado, Nikolaus Harnoncourt, Lorin Maazel, Pierre Boulez, Zubin Mehta; aus Opernhäusern wie der Mailänder Scala, der Wiener Staatsoper, dem Royal Opera House Covent Garden, der Opéra National de Paris , der Staatsoper Unter den Linden, der Deutschen Oper Berlin und dem Opernhaus Zürich.

Zahlreiche Veröffentlichungen des Labels wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der Oscar-prämierte Animationsfilm ?Peter & der Wolf? von Suzie Templeton, die aufwändig produzierte ?Walter-Felsenstein-Edition? und die von Sasha Waltz choreographierte Oper ?Dido und Aeneas?, die beide den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhielten. Mit dem Midem Classical Award wurden u. a. die Dokumentationen ?Herbert von Karajan ? Maestro for the Screen? von Georg Wübbolt und ?Celibidache ? You don?t do anything, you let it evolve? von Jan Schmidt-Garre ausgezeichnet. Die Dokumentation ?Carlos Kleiber ? Traces to nowhere? von Eric Schulz erhielt den ECHO Klassik 2011.

Mit der Tochterfirma Monarda Arts besitzt Arthaus Musik eine ca. 900 Produktionen umfassende Rechtebibliothek zur DVD-, TV- und Onlineauswertung. Seit 2007 entwickelt das Unternehmen kontinuierlich die Sparte Eigenproduktion mit der Aufzeichnung von Opern, Konzerten, Balletten und der Produktion von Kunst- und Musikdokumentationen weiter.

Arthaus Musik DVDs und Blu-ray Discs werden über ein leistungsfähiges Vertriebsnetz, u.a. in Kooperation mit Naxos Global Distribution in ca. 70 Ländern der Welt aktiv vertrieben. Darüber hinaus veröffentlicht und vertreibt Arthaus Musik die 3sat-DVD-Edition und betreut für den Buchhandel u.a. die Buch- und DVD-Edition über Pina Bausch von L’Arche Editeur, Preisträger des Prix de l’Académie de Berlin 2010.


Mehr Info...


Cover vergössern
Jetzt kaufen bei...
Titel bei JPC kaufen


Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Monarda Music:

blättern

Alle Kritiken von Monarda Music...

Weitere CD-Besprechungen von Prof. Dr. Stefan Drees:

  • Zur Kritik... John Bull und andere: Im sechsten Teil seiner Gesamteinspielung des 'Fitzwilliam Virginal Book' kombiniert der Cembalist Pieter-Jan Belder Stücke von John Bull mit einzelnen Kompositionen unbekannterer Tonsetzer. Weiter...
    (Prof. Dr. Stefan Drees, )
  • Zur Kritik... Arbeit an klanglichen Feinheiten: Die zweite DVD der Reihe 'Lachenmann Perspektiven' widmet sich der Komposition 'Air'. Weiter...
    (Prof. Dr. Stefan Drees, )
  • Zur Kritik... Blick in die Interpretationswerkstatt: Eine neue DVD-Reihe vermittelt unschätzbare Einblicke in die musikalischen und technischen Problemstellungen von Helmut Lachenmanns Musik. Weiter...
    (Prof. Dr. Stefan Drees, )
blättern

Alle Kritiken von Prof. Dr. Stefan Drees...

Weitere Kritiken interessanter Labels:

  • Zur Kritik... Wenig wirklich Neues: Spannende Begegnung mit Anton Weberns Schubert-Lied-Instrumentationen. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Russische Seele?: Elena Kuschnerova legt eine programmatisch fragwürdige, aber interpretatorisch überzeugende Aufnahme mit Klavierwerken von Alexander Lokshin und Sergej Prokofiev vor. Weiter...
    (Dr. Kai Marius Schabram, )
  • Zur Kritik... Gediegen: Philippe Herreweghes gelegentliche Erkundungen im Reich der Bach-Kantate gefallen. Sie sind auf eine – im Sinne der Erkenntnisse historisch informierter Praxis – klassische Weise gediegen. Weiter...
    (Dr. Matthias Lange, )
blättern

Alle CD-Kritiken...

Magazine zum Downloaden

Class aktuell (3/2023) herunterladen (4700 KByte) NOTE 1 - Mitteilungen (4/2023) herunterladen (4868 KByte)

Anzeige

Empfehlungen der Redaktion

Die Empfehlungen der klassik.com Redaktion...

Diese Einspielungen sollten in keiner Plattensammlung fehlen

weiter...


Portrait

Der Pianist und Organist Aurel Davidiuk im Gespräch mit klassik.com.

"Man muss das Ziel kennen, bevor man zur ersten Probe erscheint."
Der Pianist und Organist Aurel Davidiuk im Gespräch mit klassik.com.

weiter...
Alle Interviews...


Sponsored Links

Hinweis:

Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Die Bewertung der klassik.com-Autoren:

Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich